Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Capitel.
Stellung und Politik Carls V 1549 -- 1551.

Dergestalt machte sich, seit mehr als drei Jahrhunder-
ten zum ersten Mal, ein durchgreifender Wille in Deutsch-
land geltend, und zwar in derselben zwiefachen Richtung, in
welcher die alten Kaiser gewirkt. Es konnte scheinen als
würde der Druck den man erfuhr wenigstens dadurch ver-
gütet werden, daß die alte Macht der deutschen Nation, ihr
Übergewicht in Europa wiederhergestellt würde.

Wir haben jedoch längst bemerkt, daß die Interessen
der Nation und ihres Oberhauptes mit nichten in einander
aufgiengen.

Carl V war ein Sprößling des burgundischen Hauses,
das mit nationalen Bestrebungen nichts gemein hatte.

Im funfzehnten Jahrhundert, als die kirchliche Einheit
nicht mehr so unbedingt vorwaltete, die Erbfolgekriege zu
haltbarem Besitzstand geführt hatten, England von Frank-
reich, Italien von Spanien, Polen von Ungarn abgesondert
worden, und seitdem die Nationalitäten sich in festen Schran-
ken zu entwickeln begannen, auch die deutsche Nation den
Versuch machte alle ihre Glieder durch umfassende Einrich-

Drittes Capitel.
Stellung und Politik Carls V 1549 — 1551.

Dergeſtalt machte ſich, ſeit mehr als drei Jahrhunder-
ten zum erſten Mal, ein durchgreifender Wille in Deutſch-
land geltend, und zwar in derſelben zwiefachen Richtung, in
welcher die alten Kaiſer gewirkt. Es konnte ſcheinen als
würde der Druck den man erfuhr wenigſtens dadurch ver-
gütet werden, daß die alte Macht der deutſchen Nation, ihr
Übergewicht in Europa wiederhergeſtellt würde.

Wir haben jedoch längſt bemerkt, daß die Intereſſen
der Nation und ihres Oberhauptes mit nichten in einander
aufgiengen.

Carl V war ein Sprößling des burgundiſchen Hauſes,
das mit nationalen Beſtrebungen nichts gemein hatte.

Im funfzehnten Jahrhundert, als die kirchliche Einheit
nicht mehr ſo unbedingt vorwaltete, die Erbfolgekriege zu
haltbarem Beſitzſtand geführt hatten, England von Frank-
reich, Italien von Spanien, Polen von Ungarn abgeſondert
worden, und ſeitdem die Nationalitäten ſich in feſten Schran-
ken zu entwickeln begannen, auch die deutſche Nation den
Verſuch machte alle ihre Glieder durch umfaſſende Einrich-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0102" n="[90]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Drittes Capitel</hi>.<lb/>
Stellung und Politik Carls <hi rendition="#aq">V</hi> 1549 &#x2014; 1551.</head><lb/>
          <p>Derge&#x017F;talt machte &#x017F;ich, &#x017F;eit mehr als drei Jahrhunder-<lb/>
ten zum er&#x017F;ten Mal, ein durchgreifender Wille in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land geltend, und zwar in der&#x017F;elben zwiefachen Richtung, in<lb/>
welcher die alten Kai&#x017F;er gewirkt. Es konnte &#x017F;cheinen als<lb/>
würde der Druck den man erfuhr wenig&#x017F;tens dadurch ver-<lb/>
gütet werden, daß die alte Macht der deut&#x017F;chen Nation, ihr<lb/>
Übergewicht in Europa wiederherge&#x017F;tellt würde.</p><lb/>
          <p>Wir haben jedoch läng&#x017F;t bemerkt, daß die Intere&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der Nation und ihres Oberhauptes mit nichten in einander<lb/>
aufgiengen.</p><lb/>
          <p>Carl <hi rendition="#aq">V</hi> war ein Sprößling des burgundi&#x017F;chen Hau&#x017F;es,<lb/>
das mit nationalen Be&#x017F;trebungen nichts gemein hatte.</p><lb/>
          <p>Im funfzehnten Jahrhundert, als die kirchliche Einheit<lb/>
nicht mehr &#x017F;o unbedingt vorwaltete, die Erbfolgekriege zu<lb/>
haltbarem Be&#x017F;itz&#x017F;tand geführt hatten, England von Frank-<lb/>
reich, Italien von Spanien, Polen von Ungarn abge&#x017F;ondert<lb/>
worden, und &#x017F;eitdem die Nationalitäten &#x017F;ich in fe&#x017F;ten Schran-<lb/>
ken zu entwickeln begannen, auch die deut&#x017F;che Nation den<lb/>
Ver&#x017F;uch machte alle ihre Glieder durch umfa&#x017F;&#x017F;ende Einrich-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[90]/0102] Drittes Capitel. Stellung und Politik Carls V 1549 — 1551. Dergeſtalt machte ſich, ſeit mehr als drei Jahrhunder- ten zum erſten Mal, ein durchgreifender Wille in Deutſch- land geltend, und zwar in derſelben zwiefachen Richtung, in welcher die alten Kaiſer gewirkt. Es konnte ſcheinen als würde der Druck den man erfuhr wenigſtens dadurch ver- gütet werden, daß die alte Macht der deutſchen Nation, ihr Übergewicht in Europa wiederhergeſtellt würde. Wir haben jedoch längſt bemerkt, daß die Intereſſen der Nation und ihres Oberhauptes mit nichten in einander aufgiengen. Carl V war ein Sprößling des burgundiſchen Hauſes, das mit nationalen Beſtrebungen nichts gemein hatte. Im funfzehnten Jahrhundert, als die kirchliche Einheit nicht mehr ſo unbedingt vorwaltete, die Erbfolgekriege zu haltbarem Beſitzſtand geführt hatten, England von Frank- reich, Italien von Spanien, Polen von Ungarn abgeſondert worden, und ſeitdem die Nationalitäten ſich in feſten Schran- ken zu entwickeln begannen, auch die deutſche Nation den Verſuch machte alle ihre Glieder durch umfaſſende Einrich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/102
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. [90]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/102>, abgerufen am 23.04.2024.