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Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895.

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wurden 7222437 Mark ausgegeben. Das am 2. Februar 1882 er¬
lassene zweite Preisausschreiben an alle deutsch redenden Künstler
hatte denn mit erheblichen Schwierigkeiten zu rechnen. Die Ab¬
messung des Bauplatzes, 136 : 95 m, war angesichts der unter¬
zubringenden Räumlichkeiten ausserordentlich knapp, die Grundfläche
durfte ursprünglich durch belebende und dem Verkehr dienende
Vorbauten nicht überschritten werden. Dazu kam eine weitere Ver¬
wicklung durch den Umstand, dass die Hauptfront nach dem Königs¬
platz, also der Stadt abgekehrt zu liegen kam. Die Haupteingänge
mussten daher in den Nebenfronten angeordnet werden, und das
trug wesentlich zur Komplikation der Planbildung bei. Und bei der
künstlerischen Gestaltung des Aeusseren war einerseits ein weit¬
gedehnter Platz zu beherrschen, andererseits war eine günstige An¬
sicht vom Brandenburger Thor aus zu erzielen.

Wallot ist nun aller dieser Schwierigkeiten bereits in dem
ersten Entwurf Herr geworden. Die mächtige Pfeilerstruktur der
Fronten wirkte in grossgedachten schlichten Linien auf weite Ent¬
fernungen hin, die vier Eckthürme schlossen den Bauorganismus
wuchtig und feierlich zusammen, und eine herrliche Steinkuppel
dominirte nach allen Seiten hin, machtvoll über den Thürmen auf¬
ragend, wie das Kaiserthum über den vier Königreichen, den Eck¬
pfeilern der Reichseinheit, einen majestätischen Machtgipfel bildet.
Diese Lösung entsprach den höchsten Erwartungen. Und es ist
darauf hinzuweisen, dass die hochstrebende Kuppel des preisgekrönten
Entwurfs die perspectivische Verkürzung, in welcher man die Linien
der Fronten vom Brandenburger Thor aus erblickt, harmonisch
auflöste.

Nun trat an Wallot die Aufgabe heran, durch wiederholte
Bearbeitung der Baupläne allen Anforderungen seitens der für den
Bau massgebenden Faktoren gerecht zu werden. Die erste Um¬
arbeitung des ursprünglichen Entwurfs zeigt in der Längsaxe die
Eingangshallen und das Foyer; die Kurzaxe, welche von Westen
nach Osten läuft, weist eine Eingangshalle, ein imposantes Treppenhaus

wurden 7222437 Mark ausgegeben. Das am 2. Februar 1882 er¬
lassene zweite Preisausschreiben an alle deutsch redenden Künstler
hatte denn mit erheblichen Schwierigkeiten zu rechnen. Die Ab¬
messung des Bauplatzes, 136 : 95 m, war angesichts der unter¬
zubringenden Räumlichkeiten ausserordentlich knapp, die Grundfläche
durfte ursprünglich durch belebende und dem Verkehr dienende
Vorbauten nicht überschritten werden. Dazu kam eine weitere Ver¬
wicklung durch den Umstand, dass die Hauptfront nach dem Königs¬
platz, also der Stadt abgekehrt zu liegen kam. Die Haupteingänge
mussten daher in den Nebenfronten angeordnet werden, und das
trug wesentlich zur Komplikation der Planbildung bei. Und bei der
künstlerischen Gestaltung des Aeusseren war einerseits ein weit¬
gedehnter Platz zu beherrschen, andererseits war eine günstige An¬
sicht vom Brandenburger Thor aus zu erzielen.

Wallot ist nun aller dieser Schwierigkeiten bereits in dem
ersten Entwurf Herr geworden. Die mächtige Pfeilerstruktur der
Fronten wirkte in grossgedachten schlichten Linien auf weite Ent¬
fernungen hin, die vier Eckthürme schlossen den Bauorganismus
wuchtig und feierlich zusammen, und eine herrliche Steinkuppel
dominirte nach allen Seiten hin, machtvoll über den Thürmen auf¬
ragend, wie das Kaiserthum über den vier Königreichen, den Eck¬
pfeilern der Reichseinheit, einen majestätischen Machtgipfel bildet.
Diese Lösung entsprach den höchsten Erwartungen. Und es ist
darauf hinzuweisen, dass die hochstrebende Kuppel des preisgekrönten
Entwurfs die perspectivische Verkürzung, in welcher man die Linien
der Fronten vom Brandenburger Thor aus erblickt, harmonisch
auflöste.

Nun trat an Wallot die Aufgabe heran, durch wiederholte
Bearbeitung der Baupläne allen Anforderungen seitens der für den
Bau massgebenden Faktoren gerecht zu werden. Die erste Um¬
arbeitung des ursprünglichen Entwurfs zeigt in der Längsaxe die
Eingangshallen und das Foyer; die Kurzaxe, welche von Westen
nach Osten läuft, weist eine Eingangshalle, ein imposantes Treppenhaus

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[9/0015] wurden 7222437 Mark ausgegeben. Das am 2. Februar 1882 er¬ lassene zweite Preisausschreiben an alle deutsch redenden Künstler hatte denn mit erheblichen Schwierigkeiten zu rechnen. Die Ab¬ messung des Bauplatzes, 136 : 95 m, war angesichts der unter¬ zubringenden Räumlichkeiten ausserordentlich knapp, die Grundfläche durfte ursprünglich durch belebende und dem Verkehr dienende Vorbauten nicht überschritten werden. Dazu kam eine weitere Ver¬ wicklung durch den Umstand, dass die Hauptfront nach dem Königs¬ platz, also der Stadt abgekehrt zu liegen kam. Die Haupteingänge mussten daher in den Nebenfronten angeordnet werden, und das trug wesentlich zur Komplikation der Planbildung bei. Und bei der künstlerischen Gestaltung des Aeusseren war einerseits ein weit¬ gedehnter Platz zu beherrschen, andererseits war eine günstige An¬ sicht vom Brandenburger Thor aus zu erzielen. Wallot ist nun aller dieser Schwierigkeiten bereits in dem ersten Entwurf Herr geworden. Die mächtige Pfeilerstruktur der Fronten wirkte in grossgedachten schlichten Linien auf weite Ent¬ fernungen hin, die vier Eckthürme schlossen den Bauorganismus wuchtig und feierlich zusammen, und eine herrliche Steinkuppel dominirte nach allen Seiten hin, machtvoll über den Thürmen auf¬ ragend, wie das Kaiserthum über den vier Königreichen, den Eck¬ pfeilern der Reichseinheit, einen majestätischen Machtgipfel bildet. Diese Lösung entsprach den höchsten Erwartungen. Und es ist darauf hinzuweisen, dass die hochstrebende Kuppel des preisgekrönten Entwurfs die perspectivische Verkürzung, in welcher man die Linien der Fronten vom Brandenburger Thor aus erblickt, harmonisch auflöste. Nun trat an Wallot die Aufgabe heran, durch wiederholte Bearbeitung der Baupläne allen Anforderungen seitens der für den Bau massgebenden Faktoren gerecht zu werden. Die erste Um¬ arbeitung des ursprünglichen Entwurfs zeigt in der Längsaxe die Eingangshallen und das Foyer; die Kurzaxe, welche von Westen nach Osten läuft, weist eine Eingangshalle, ein imposantes Treppenhaus

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Zitationshilfe: Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/15>, abgerufen am 19.04.2024.