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Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895.

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die Intentionen Wallot's überall erfasst hat, ist durch seine Arbeiten
am Reichstagshause in die erste Reihe der deutschen Bildhauer
getreten.

Die vier Eckthürme, welche durch alle Wandlungen der Ent¬
würfe in ihrer ursprünglichen Gestaltung bewahrt geblieben sind,
bedingen wesentlich die Würde und Schönheit des Reichstagshauses.
Nach allen Seiten hin schliessen sie das Gefüge des Bauwerks fest
zusammen, eine unerschütterliche, machtvoll aufstrebende Kraft wohnt
in der Struktur, und in der Höhe vergeistigt sich die Wucht und
der Ernst zu einem triumphirenden Jubelakkord. Wie im Organismus
des Deutschen Reichs die vier Königreiche als Eckpfeiler zum
Kaiserthum stehen, so sind die Thürme als die Trabanten der Kuppel
gekennzeichnet. Im kühnen Schwung reckt sich der die Fenster
begrenzende Bogen bis dicht unter den Architrav, aus dem Schluss¬
stein schauen monumentale Köpfe herab. Portalähnlich und von
einem Giebel gekrönt sind die Fenster des Hauptgeschosses, und in
dem geräumigen Fensterbogen des Obergeschosses stehen schlanke
Steinpfosten, ein reizvolles Motiv. Das Profil der Thürme wird durch
die vorgeschobenen Säulen und das 21/2 m ausladende Hauptgesims
bedeutungsvoll verschönt. Diese Freisäulen sind als Träger des
Volkslebens symbolisirt, sie heben die 16 Monumentalskulpturen
empor, in welchen die verschiedenen Aeusserungen der deutschen
Kultur verkörpert sind. Am Südostthurm, wo der Bundesrath seines
Amtes waltet, ist die ausübende Staatsgewalt, die Rechtspflege und
Staatskunst, die Wehrmacht zu Land und See in den vier Meter
hohen Steinbildern dargestellt; am Nordostthurm, welcher die Bücher¬
schätze in sich birgt, halten Kunst und Literatur, Unterricht und
Erziehung, die Grundlagen der Volksbildung, die Wacht. Und vor
den nach Westen gekehrten Thürmen stehen die Repräsentanten der
Elektrotechnik und der Hausindustrie, des überseeischen Handels
und der Grossindustrie, des Weinbaues und der Bierbrauerei, des
Ackerbaues und der Viehzucht. Die Modelle für diese Standbilder
sind geliefert von den Bildhauern Volz, Maison, Behrens, Schierholz,

die Intentionen Wallot's überall erfasst hat, ist durch seine Arbeiten
am Reichstagshause in die erste Reihe der deutschen Bildhauer
getreten.

Die vier Eckthürme, welche durch alle Wandlungen der Ent¬
würfe in ihrer ursprünglichen Gestaltung bewahrt geblieben sind,
bedingen wesentlich die Würde und Schönheit des Reichstagshauses.
Nach allen Seiten hin schliessen sie das Gefüge des Bauwerks fest
zusammen, eine unerschütterliche, machtvoll aufstrebende Kraft wohnt
in der Struktur, und in der Höhe vergeistigt sich die Wucht und
der Ernst zu einem triumphirenden Jubelakkord. Wie im Organismus
des Deutschen Reichs die vier Königreiche als Eckpfeiler zum
Kaiserthum stehen, so sind die Thürme als die Trabanten der Kuppel
gekennzeichnet. Im kühnen Schwung reckt sich der die Fenster
begrenzende Bogen bis dicht unter den Architrav, aus dem Schluss¬
stein schauen monumentale Köpfe herab. Portalähnlich und von
einem Giebel gekrönt sind die Fenster des Hauptgeschosses, und in
dem geräumigen Fensterbogen des Obergeschosses stehen schlanke
Steinpfosten, ein reizvolles Motiv. Das Profil der Thürme wird durch
die vorgeschobenen Säulen und das 2½ m ausladende Hauptgesims
bedeutungsvoll verschönt. Diese Freisäulen sind als Träger des
Volkslebens symbolisirt, sie heben die 16 Monumentalskulpturen
empor, in welchen die verschiedenen Aeusserungen der deutschen
Kultur verkörpert sind. Am Südostthurm, wo der Bundesrath seines
Amtes waltet, ist die ausübende Staatsgewalt, die Rechtspflege und
Staatskunst, die Wehrmacht zu Land und See in den vier Meter
hohen Steinbildern dargestellt; am Nordostthurm, welcher die Bücher¬
schätze in sich birgt, halten Kunst und Literatur, Unterricht und
Erziehung, die Grundlagen der Volksbildung, die Wacht. Und vor
den nach Westen gekehrten Thürmen stehen die Repräsentanten der
Elektrotechnik und der Hausindustrie, des überseeischen Handels
und der Grossindustrie, des Weinbaues und der Bierbrauerei, des
Ackerbaues und der Viehzucht. Die Modelle für diese Standbilder
sind geliefert von den Bildhauern Volz, Maison, Behrens, Schierholz,

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[23/0029] die Intentionen Wallot's überall erfasst hat, ist durch seine Arbeiten am Reichstagshause in die erste Reihe der deutschen Bildhauer getreten. Die vier Eckthürme, welche durch alle Wandlungen der Ent¬ würfe in ihrer ursprünglichen Gestaltung bewahrt geblieben sind, bedingen wesentlich die Würde und Schönheit des Reichstagshauses. Nach allen Seiten hin schliessen sie das Gefüge des Bauwerks fest zusammen, eine unerschütterliche, machtvoll aufstrebende Kraft wohnt in der Struktur, und in der Höhe vergeistigt sich die Wucht und der Ernst zu einem triumphirenden Jubelakkord. Wie im Organismus des Deutschen Reichs die vier Königreiche als Eckpfeiler zum Kaiserthum stehen, so sind die Thürme als die Trabanten der Kuppel gekennzeichnet. Im kühnen Schwung reckt sich der die Fenster begrenzende Bogen bis dicht unter den Architrav, aus dem Schluss¬ stein schauen monumentale Köpfe herab. Portalähnlich und von einem Giebel gekrönt sind die Fenster des Hauptgeschosses, und in dem geräumigen Fensterbogen des Obergeschosses stehen schlanke Steinpfosten, ein reizvolles Motiv. Das Profil der Thürme wird durch die vorgeschobenen Säulen und das 2½ m ausladende Hauptgesims bedeutungsvoll verschönt. Diese Freisäulen sind als Träger des Volkslebens symbolisirt, sie heben die 16 Monumentalskulpturen empor, in welchen die verschiedenen Aeusserungen der deutschen Kultur verkörpert sind. Am Südostthurm, wo der Bundesrath seines Amtes waltet, ist die ausübende Staatsgewalt, die Rechtspflege und Staatskunst, die Wehrmacht zu Land und See in den vier Meter hohen Steinbildern dargestellt; am Nordostthurm, welcher die Bücher¬ schätze in sich birgt, halten Kunst und Literatur, Unterricht und Erziehung, die Grundlagen der Volksbildung, die Wacht. Und vor den nach Westen gekehrten Thürmen stehen die Repräsentanten der Elektrotechnik und der Hausindustrie, des überseeischen Handels und der Grossindustrie, des Weinbaues und der Bierbrauerei, des Ackerbaues und der Viehzucht. Die Modelle für diese Standbilder sind geliefert von den Bildhauern Volz, Maison, Behrens, Schierholz,

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Zitationshilfe: Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/29>, abgerufen am 24.04.2024.