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Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895.

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von Rudolf Maison modellirt, in ihnen sind Meisterwerke ersten
Ranges zu begrüssen, die voll und ganz von dem Geist des
Wallot'schen Werkes erfüllt sind.

Auf allen Seiten das architektonische System der Fronten in
sich aufnehmend, ist die Kuppel die Krone und der Triumph
des Reichstagshauses. Wie im Innern der Sitzungssaal das Herz
der ganzen Anlage ist, so bildet am Aeusseren der Saalüberbau mit
der Kuppel den Alles zusammenfassenden Einigungspunkt. In der
Geschichte der Baukunst ist der Kuppel eine epochemachende Be¬
deutung zuzuweisen, sie bietet das erste Beispiel einer monumentalen
Behandlung von Glas und Eisen für die Palast-Architektur. Damit
hat Wallot der modernen Kunst eine weite Perspective eröffnet.
Der Saalüberbau ruht auf einem Rechteck von 35 zu 39 m und
misst rund 42 m in der Höhe. Von der Grösse kann man sich
einen annähernden Begriff machen, wenn man sich vergegenwärtigt,
dass die Thürme vom Strassenniveau bis zum oberen Hauptgesims
nur 39,68 m hoch sind. Nach den Binnenhöfen sind die durch
Strebepfeiler gefestigten Seitenwände des Saalüberbaues mit grossen
Fensteröffnungen versehen. Von den Fronten her wird nur die auf
ein einfaches Gesims aufsetzende Wappen-Attika von mässiger Höhe
sichtbar. Im preisgekrönten Entwurf war dieses eigenartige Wappen-
Motiv in einem Fries über dem westlichen Portal bereits vorhanden.
Durch kurze Pfeiler wird die Attika in sieben Felder getheilt, die
leeren Wappenschilde werden von ornamentalen Figuren umsäumt
und von stilisirten Kronen überragt, die Pfeiler endigen in schlanken
Aufsätzen, die wuchtigen Eckpfeiler des Saalüberbaues tragen gekrönte
Kugeln. Der rhythmische Wechsel von glatten und skulptirten
Flächen bedingt die prächtige Wirkung dieses zur Kuppel überleiten¬
den Bautheils. Die konstruktiven Glieder der Kuppel wachsen
organisch aus dem Steingefüge empor, die mächtigen walmförmig
geschwungenen Eckrippen wurzeln in den Eckpfeilern des Saalüber¬
baues und die übrigen Rippen sind eine Fortsetzung der Attika-
Pfeiler. In dieser genial empfundenen durchgehenden senkrechten

von Rudolf Maison modellirt, in ihnen sind Meisterwerke ersten
Ranges zu begrüssen, die voll und ganz von dem Geist des
Wallot'schen Werkes erfüllt sind.

Auf allen Seiten das architektonische System der Fronten in
sich aufnehmend, ist die Kuppel die Krone und der Triumph
des Reichstagshauses. Wie im Innern der Sitzungssaal das Herz
der ganzen Anlage ist, so bildet am Aeusseren der Saalüberbau mit
der Kuppel den Alles zusammenfassenden Einigungspunkt. In der
Geschichte der Baukunst ist der Kuppel eine epochemachende Be¬
deutung zuzuweisen, sie bietet das erste Beispiel einer monumentalen
Behandlung von Glas und Eisen für die Palast-Architektur. Damit
hat Wallot der modernen Kunst eine weite Perspective eröffnet.
Der Saalüberbau ruht auf einem Rechteck von 35 zu 39 m und
misst rund 42 m in der Höhe. Von der Grösse kann man sich
einen annähernden Begriff machen, wenn man sich vergegenwärtigt,
dass die Thürme vom Strassenniveau bis zum oberen Hauptgesims
nur 39,68 m hoch sind. Nach den Binnenhöfen sind die durch
Strebepfeiler gefestigten Seitenwände des Saalüberbaues mit grossen
Fensteröffnungen versehen. Von den Fronten her wird nur die auf
ein einfaches Gesims aufsetzende Wappen-Attika von mässiger Höhe
sichtbar. Im preisgekrönten Entwurf war dieses eigenartige Wappen-
Motiv in einem Fries über dem westlichen Portal bereits vorhanden.
Durch kurze Pfeiler wird die Attika in sieben Felder getheilt, die
leeren Wappenschilde werden von ornamentalen Figuren umsäumt
und von stilisirten Kronen überragt, die Pfeiler endigen in schlanken
Aufsätzen, die wuchtigen Eckpfeiler des Saalüberbaues tragen gekrönte
Kugeln. Der rhythmische Wechsel von glatten und skulptirten
Flächen bedingt die prächtige Wirkung dieses zur Kuppel überleiten¬
den Bautheils. Die konstruktiven Glieder der Kuppel wachsen
organisch aus dem Steingefüge empor, die mächtigen walmförmig
geschwungenen Eckrippen wurzeln in den Eckpfeilern des Saalüber¬
baues und die übrigen Rippen sind eine Fortsetzung der Attika-
Pfeiler. In dieser genial empfundenen durchgehenden senkrechten

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[28/0034] von Rudolf Maison modellirt, in ihnen sind Meisterwerke ersten Ranges zu begrüssen, die voll und ganz von dem Geist des Wallot'schen Werkes erfüllt sind. Auf allen Seiten das architektonische System der Fronten in sich aufnehmend, ist die Kuppel die Krone und der Triumph des Reichstagshauses. Wie im Innern der Sitzungssaal das Herz der ganzen Anlage ist, so bildet am Aeusseren der Saalüberbau mit der Kuppel den Alles zusammenfassenden Einigungspunkt. In der Geschichte der Baukunst ist der Kuppel eine epochemachende Be¬ deutung zuzuweisen, sie bietet das erste Beispiel einer monumentalen Behandlung von Glas und Eisen für die Palast-Architektur. Damit hat Wallot der modernen Kunst eine weite Perspective eröffnet. Der Saalüberbau ruht auf einem Rechteck von 35 zu 39 m und misst rund 42 m in der Höhe. Von der Grösse kann man sich einen annähernden Begriff machen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Thürme vom Strassenniveau bis zum oberen Hauptgesims nur 39,68 m hoch sind. Nach den Binnenhöfen sind die durch Strebepfeiler gefestigten Seitenwände des Saalüberbaues mit grossen Fensteröffnungen versehen. Von den Fronten her wird nur die auf ein einfaches Gesims aufsetzende Wappen-Attika von mässiger Höhe sichtbar. Im preisgekrönten Entwurf war dieses eigenartige Wappen- Motiv in einem Fries über dem westlichen Portal bereits vorhanden. Durch kurze Pfeiler wird die Attika in sieben Felder getheilt, die leeren Wappenschilde werden von ornamentalen Figuren umsäumt und von stilisirten Kronen überragt, die Pfeiler endigen in schlanken Aufsätzen, die wuchtigen Eckpfeiler des Saalüberbaues tragen gekrönte Kugeln. Der rhythmische Wechsel von glatten und skulptirten Flächen bedingt die prächtige Wirkung dieses zur Kuppel überleiten¬ den Bautheils. Die konstruktiven Glieder der Kuppel wachsen organisch aus dem Steingefüge empor, die mächtigen walmförmig geschwungenen Eckrippen wurzeln in den Eckpfeilern des Saalüber¬ baues und die übrigen Rippen sind eine Fortsetzung der Attika- Pfeiler. In dieser genial empfundenen durchgehenden senkrechten

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Zitationshilfe: Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/34>, abgerufen am 25.04.2024.