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Raschdorff, Julius: Die Hochbau-Ausfuehrungen des preußischen Staates. Berlin, 1880.

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I.

Es kann nicht bestritten werden, daß der im Lande vielfach
verbreiteten Unzufriedenheit mit den architektonischen Leistungen
unseres Staats-Bauwesens eine gewisse Berechtigung zu Grunde
liegt. Die Nation kann und muß verlangen, daß die aus
Staatsmitteln errichteten öffentlichen Bauten, sowohl nach ihrer
Anlage wie nach ihrer technischen und künstlerischen Durchführung,
die Höhe dessen bezeichnen, was die architektonischen Kräfte des
Landes zur Zeit zu leisten vermögen. Dies ist bei uns gegen¬
wärtig leider nicht durchweg der Fall. Wohl finden sich auch
unter den Hochbau-Ausführungen des preußischen Staates --
namentlich in den größeren Städten -- tüchtige und anerkennens¬
werthe Werke: in ihrer großen Mehrzahl zeigen dieselben jedoch
nicht jenen Grad architektonischer Reife und Vollendung, der in
vielen Privatbauten unseres Landes sich kund giebt und durch¬
schnittlich auch von den öffentlichen Bauten anderer Nationen
erreicht wird.

Die Ursache dieser auffälligen Erscheinung, welche gewiß von
Niemand schmerzlicher empfunden wird, als von den preußischen
Architekten, ist nicht etwa darin zu suchen, daß für die Hochbau-
Ausführungen unseres Staates zu geringe Mittel bewilligt wür¬
den, wie dies in einer früheren Periode allerdings häufig der
Fall war. Die in neuerer Zeit für jenen Zweck zur Verfügung
gestellten Geldmittel haben wohl stets ausgereicht, um mit den¬
selben eine nach jeder Beziehung genügende Lösung der Aufgabe
zu ermöglichen. -- Eben so wenig wird man angesichts der nam¬
haften Zahl gediegener Bauwerke aus älterer und neuerer Zeit,
die jenen angreifbaren Leistungen gegenüber stehen und die mit
den besten Schöpfungen des Auslandes sich messen können, be¬
haupten wollen, daß es unserem Lande an fähigen Bautechnikern
und Baukünstlern fehle.

Man wird daher nicht irren, wenn man die Mängel unserer
öffentlichen Bauten vor allem daraus ableitet, daß zur Lösung
der architektonischen Aufgaben des Staates im all¬
gemeinen nicht der richtige Weg eingeschlagen wird
.--

Bekanntlich unterhält Preußen ein zahlreiches, im wesent¬

I.

Es kann nicht beſtritten werden, daß der im Lande vielfach
verbreiteten Unzufriedenheit mit den architektoniſchen Leiſtungen
unſeres Staats-Bauweſens eine gewiſſe Berechtigung zu Grunde
liegt. Die Nation kann und muß verlangen, daß die aus
Staatsmitteln errichteten öffentlichen Bauten, ſowohl nach ihrer
Anlage wie nach ihrer techniſchen und künſtleriſchen Durchführung,
die Höhe deſſen bezeichnen, was die architektoniſchen Kräfte des
Landes zur Zeit zu leiſten vermögen. Dies iſt bei uns gegen¬
wärtig leider nicht durchweg der Fall. Wohl finden ſich auch
unter den Hochbau-Ausführungen des preußiſchen Staates —
namentlich in den größeren Städten — tüchtige und anerkennens¬
werthe Werke: in ihrer großen Mehrzahl zeigen dieſelben jedoch
nicht jenen Grad architektoniſcher Reife und Vollendung, der in
vielen Privatbauten unſeres Landes ſich kund giebt und durch¬
ſchnittlich auch von den öffentlichen Bauten anderer Nationen
erreicht wird.

Die Urſache dieſer auffälligen Erſcheinung, welche gewiß von
Niemand ſchmerzlicher empfunden wird, als von den preußiſchen
Architekten, iſt nicht etwa darin zu ſuchen, daß für die Hochbau-
Ausführungen unſeres Staates zu geringe Mittel bewilligt wür¬
den, wie dies in einer früheren Periode allerdings häufig der
Fall war. Die in neuerer Zeit für jenen Zweck zur Verfügung
geſtellten Geldmittel haben wohl ſtets ausgereicht, um mit den¬
ſelben eine nach jeder Beziehung genügende Löſung der Aufgabe
zu ermöglichen. — Eben ſo wenig wird man angeſichts der nam¬
haften Zahl gediegener Bauwerke aus älterer und neuerer Zeit,
die jenen angreifbaren Leiſtungen gegenüber ſtehen und die mit
den beſten Schöpfungen des Auslandes ſich meſſen können, be¬
haupten wollen, daß es unſerem Lande an fähigen Bautechnikern
und Baukünſtlern fehle.

Man wird daher nicht irren, wenn man die Mängel unſerer
öffentlichen Bauten vor allem daraus ableitet, daß zur Löſung
der architektoniſchen Aufgaben des Staates im all¬
gemeinen nicht der richtige Weg eingeſchlagen wird
.—

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[4/0012] I. Es kann nicht beſtritten werden, daß der im Lande vielfach verbreiteten Unzufriedenheit mit den architektoniſchen Leiſtungen unſeres Staats-Bauweſens eine gewiſſe Berechtigung zu Grunde liegt. Die Nation kann und muß verlangen, daß die aus Staatsmitteln errichteten öffentlichen Bauten, ſowohl nach ihrer Anlage wie nach ihrer techniſchen und künſtleriſchen Durchführung, die Höhe deſſen bezeichnen, was die architektoniſchen Kräfte des Landes zur Zeit zu leiſten vermögen. Dies iſt bei uns gegen¬ wärtig leider nicht durchweg der Fall. Wohl finden ſich auch unter den Hochbau-Ausführungen des preußiſchen Staates — namentlich in den größeren Städten — tüchtige und anerkennens¬ werthe Werke: in ihrer großen Mehrzahl zeigen dieſelben jedoch nicht jenen Grad architektoniſcher Reife und Vollendung, der in vielen Privatbauten unſeres Landes ſich kund giebt und durch¬ ſchnittlich auch von den öffentlichen Bauten anderer Nationen erreicht wird. Die Urſache dieſer auffälligen Erſcheinung, welche gewiß von Niemand ſchmerzlicher empfunden wird, als von den preußiſchen Architekten, iſt nicht etwa darin zu ſuchen, daß für die Hochbau- Ausführungen unſeres Staates zu geringe Mittel bewilligt wür¬ den, wie dies in einer früheren Periode allerdings häufig der Fall war. Die in neuerer Zeit für jenen Zweck zur Verfügung geſtellten Geldmittel haben wohl ſtets ausgereicht, um mit den¬ ſelben eine nach jeder Beziehung genügende Löſung der Aufgabe zu ermöglichen. — Eben ſo wenig wird man angeſichts der nam¬ haften Zahl gediegener Bauwerke aus älterer und neuerer Zeit, die jenen angreifbaren Leiſtungen gegenüber ſtehen und die mit den beſten Schöpfungen des Auslandes ſich meſſen können, be¬ haupten wollen, daß es unſerem Lande an fähigen Bautechnikern und Baukünſtlern fehle. Man wird daher nicht irren, wenn man die Mängel unſerer öffentlichen Bauten vor allem daraus ableitet, daß zur Löſung der architektoniſchen Aufgaben des Staates im all¬ gemeinen nicht der richtige Weg eingeſchlagen wird.— Bekanntlich unterhält Preußen ein zahlreiches, im weſent¬

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Zitationshilfe: Raschdorff, Julius: Die Hochbau-Ausfuehrungen des preußischen Staates. Berlin, 1880, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raschdorff_hochbau_1880/12>, abgerufen am 28.03.2024.