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Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 1. Erfurt, 1753.

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zur Abhandl. des Samen-Werks.
beln oder Brut zu überkommen. Nun hat das
Leztere zwar seine Richtigkeit; allein man muß
hierbey nicht sowohl auf die Vielheit, als auf die
Schönheit und Erhaltung ihrer Farben und Ge-
schlechter sehen. Denn die unwidersprechliche
Erfahrung lehret uns, daß eine jede Zwiebel,
welche eine Blume hervorgebracht hat, völlig ver-
gehet, und von der neuanwachsenden gleichsam
verzehret wird. Ein jeder, wer damit umgehet,
kan dieses gar deutlich, wenn die Zwiebeln aus
der Erden genommen werden, sehen. Denn der
Stengel einer solchen Zwiebel wächset allezeit aus
der Mitten hervor, und hingegen, wenn sie aus-
gehoben werden, so findet man, daß der Stengel
oder der Samen-Klöppel an der neuen angewach-
senen Zwiebel allezeit von aussen stehet. Man
trift auch noch die Schale oder Rinde von der al-
ten und vergangenen Zwiebel in der Erden an.
Wenn nun dergleichen Zwiebeln 1, 2, 3 und mehr
Jahre an einem Orte stehen bleiben, so ziehen sie
diejenigen Kräfte, welche sie zu ihrer Nahrung
verlangen, in dem ersten Jahre aus der Erden
heraus, daß hernach in den andern und nachfol-
genden Jahren an solchem Orte nichts mehr da-
von, oder doch sehr wenig zu finden ist. Ueber-
dieß so setzet sich alsdenn mehr Brut an, wel-
che der Mutter-Zwiebel ihre Kräfte beraubet, wor-
aus ganz deutlich folgt, daß sie in dem zweyten
Jahre an ihrer Schönheit und Farbe etwas ver-
liehren, nach und nach aus der Art schlagen, und
sich verändern müssen. So lange sie nun an

einem

zur Abhandl. des Samen-Werks.
beln oder Brut zu uͤberkommen. Nun hat das
Leztere zwar ſeine Richtigkeit; allein man muß
hierbey nicht ſowohl auf die Vielheit, als auf die
Schoͤnheit und Erhaltung ihrer Farben und Ge-
ſchlechter ſehen. Denn die unwiderſprechliche
Erfahrung lehret uns, daß eine jede Zwiebel,
welche eine Blume hervorgebracht hat, voͤllig ver-
gehet, und von der neuanwachſenden gleichſam
verzehret wird. Ein jeder, wer damit umgehet,
kan dieſes gar deutlich, wenn die Zwiebeln aus
der Erden genommen werden, ſehen. Denn der
Stengel einer ſolchen Zwiebel waͤchſet allezeit aus
der Mitten hervor, und hingegen, wenn ſie aus-
gehoben werden, ſo findet man, daß der Stengel
oder der Samen-Kloͤppel an der neuen angewach-
ſenen Zwiebel allezeit von auſſen ſtehet. Man
trift auch noch die Schale oder Rinde von der al-
ten und vergangenen Zwiebel in der Erden an.
Wenn nun dergleichen Zwiebeln 1, 2, 3 und mehr
Jahre an einem Orte ſtehen bleiben, ſo ziehen ſie
diejenigen Kraͤfte, welche ſie zu ihrer Nahrung
verlangen, in dem erſten Jahre aus der Erden
heraus, daß hernach in den andern und nachfol-
genden Jahren an ſolchem Orte nichts mehr da-
von, oder doch ſehr wenig zu finden iſt. Ueber-
dieß ſo ſetzet ſich alsdenn mehr Brut an, wel-
che der Mutter-Zwiebel ihre Kraͤfte beraubet, wor-
aus ganz deutlich folgt, daß ſie in dem zweyten
Jahre an ihrer Schoͤnheit und Farbe etwas ver-
liehren, nach und nach aus der Art ſchlagen, und
ſich veraͤndern muͤſſen. So lange ſie nun an

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[219/0240] zur Abhandl. des Samen-Werks. beln oder Brut zu uͤberkommen. Nun hat das Leztere zwar ſeine Richtigkeit; allein man muß hierbey nicht ſowohl auf die Vielheit, als auf die Schoͤnheit und Erhaltung ihrer Farben und Ge- ſchlechter ſehen. Denn die unwiderſprechliche Erfahrung lehret uns, daß eine jede Zwiebel, welche eine Blume hervorgebracht hat, voͤllig ver- gehet, und von der neuanwachſenden gleichſam verzehret wird. Ein jeder, wer damit umgehet, kan dieſes gar deutlich, wenn die Zwiebeln aus der Erden genommen werden, ſehen. Denn der Stengel einer ſolchen Zwiebel waͤchſet allezeit aus der Mitten hervor, und hingegen, wenn ſie aus- gehoben werden, ſo findet man, daß der Stengel oder der Samen-Kloͤppel an der neuen angewach- ſenen Zwiebel allezeit von auſſen ſtehet. Man trift auch noch die Schale oder Rinde von der al- ten und vergangenen Zwiebel in der Erden an. Wenn nun dergleichen Zwiebeln 1, 2, 3 und mehr Jahre an einem Orte ſtehen bleiben, ſo ziehen ſie diejenigen Kraͤfte, welche ſie zu ihrer Nahrung verlangen, in dem erſten Jahre aus der Erden heraus, daß hernach in den andern und nachfol- genden Jahren an ſolchem Orte nichts mehr da- von, oder doch ſehr wenig zu finden iſt. Ueber- dieß ſo ſetzet ſich alsdenn mehr Brut an, wel- che der Mutter-Zwiebel ihre Kraͤfte beraubet, wor- aus ganz deutlich folgt, daß ſie in dem zweyten Jahre an ihrer Schoͤnheit und Farbe etwas ver- liehren, nach und nach aus der Art ſchlagen, und ſich veraͤndern muͤſſen. So lange ſie nun an einem

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Zitationshilfe: Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 1. Erfurt, 1753, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz01_1753/240>, abgerufen am 28.03.2024.