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Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 2. Erfurt, 1753.

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11. Cap. Von Spalieren
Vom Ver-
schneiden
der Franz
und Spa-
lier-Bäu-
me.
Bäume kan man allerhand Formen, als Pyrami-
den, Kessel und dergleichen, wie es einem jeden
Garten-Liebhaber gefällig ist, erziehen; doch muß
er den Schnit verstehen, sonst ist alle Müh und
Arbeit vergebens. Dahero geschiehet es, daß
manche Garten-Liebhaber die kleinen Zelken, von
3 oder 4 Jahren, welches allezeit die Trage-Reiser
sind, unverständiger Weise ohne Barmhertzigkeit
hinweg schneiden, und die alten grossen Zelken,
welche wenig oder keine Früchte bringen, dar-
an lassen. Deßwegen muß man mit dem
Verstutzen und Beschneiden behutsam umgehen,
und nicht ohne Wissenschaft in den Tag hinein
schneiden. Der beste Rath zu dieser Wissenschaft
zu gelangen ist, daß man sich von einem erfahr-
nen und aufrichtigen Garten-Liebhaber einen Un-
terricht darinnen geben lässet, und dabey selbst
mit Hand anleget, damit man die Vortheile und
Handgriffe lerne, welches in gar kurzer Zeit ge-
schehen kan. Hierbey aber ist zu rathen, daß der
Lehrende, wenn ein Baum zu beschneiden ange-
fangen wird, den Lernenden frage, welche Zel-
ken abzunehmen seyn? trift er dasselbe und weiß
die Ursache davon, so ist es gut, trift er es aber
nicht, so muß es ihm gezeiget, und die Ursache,
warum es so geschehen müsse, hinzugefüget wer-
den, und dieses ist hierinnen der beste Vortheil,
denn obgleich andere noch so viel vom Beschnei-
den und Verstutzen in den Garten-Büchern ge-
schrieben, ja so gar die Bäume in Kupferstichen
samt dem Garten-Messer vorgestellet haben, so

wird

11. Cap. Von Spalieren
Vom Ver-
ſchneiden
der Franz
und Spa-
lier-Baͤu-
me.
Baͤume kan man allerhand Formen, als Pyrami-
den, Keſſel und dergleichen, wie es einem jeden
Garten-Liebhaber gefaͤllig iſt, erziehen; doch muß
er den Schnit verſtehen, ſonſt iſt alle Muͤh und
Arbeit vergebens. Dahero geſchiehet es, daß
manche Garten-Liebhaber die kleinen Zelken, von
3 oder 4 Jahren, welches allezeit die Trage-Reiſer
ſind, unverſtaͤndiger Weiſe ohne Barmhertzigkeit
hinweg ſchneiden, und die alten groſſen Zelken,
welche wenig oder keine Fruͤchte bringen, dar-
an laſſen. Deßwegen muß man mit dem
Verſtutzen und Beſchneiden behutſam umgehen,
und nicht ohne Wiſſenſchaft in den Tag hinein
ſchneiden. Der beſte Rath zu dieſer Wiſſenſchaft
zu gelangen iſt, daß man ſich von einem erfahr-
nen und aufrichtigen Garten-Liebhaber einen Un-
terricht darinnen geben laͤſſet, und dabey ſelbſt
mit Hand anleget, damit man die Vortheile und
Handgriffe lerne, welches in gar kurzer Zeit ge-
ſchehen kan. Hierbey aber iſt zu rathen, daß der
Lehrende, wenn ein Baum zu beſchneiden ange-
fangen wird, den Lernenden frage, welche Zel-
ken abzunehmen ſeyn? trift er daſſelbe und weiß
die Urſache davon, ſo iſt es gut, trift er es aber
nicht, ſo muß es ihm gezeiget, und die Urſache,
warum es ſo geſchehen muͤſſe, hinzugefuͤget wer-
den, und dieſes iſt hierinnen der beſte Vortheil,
denn obgleich andere noch ſo viel vom Beſchnei-
den und Verſtutzen in den Garten-Buͤchern ge-
ſchrieben, ja ſo gar die Baͤume in Kupferſtichen
ſamt dem Garten-Meſſer vorgeſtellet haben, ſo

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[176/0208] 11. Cap. Von Spalieren Baͤume kan man allerhand Formen, als Pyrami- den, Keſſel und dergleichen, wie es einem jeden Garten-Liebhaber gefaͤllig iſt, erziehen; doch muß er den Schnit verſtehen, ſonſt iſt alle Muͤh und Arbeit vergebens. Dahero geſchiehet es, daß manche Garten-Liebhaber die kleinen Zelken, von 3 oder 4 Jahren, welches allezeit die Trage-Reiſer ſind, unverſtaͤndiger Weiſe ohne Barmhertzigkeit hinweg ſchneiden, und die alten groſſen Zelken, welche wenig oder keine Fruͤchte bringen, dar- an laſſen. Deßwegen muß man mit dem Verſtutzen und Beſchneiden behutſam umgehen, und nicht ohne Wiſſenſchaft in den Tag hinein ſchneiden. Der beſte Rath zu dieſer Wiſſenſchaft zu gelangen iſt, daß man ſich von einem erfahr- nen und aufrichtigen Garten-Liebhaber einen Un- terricht darinnen geben laͤſſet, und dabey ſelbſt mit Hand anleget, damit man die Vortheile und Handgriffe lerne, welches in gar kurzer Zeit ge- ſchehen kan. Hierbey aber iſt zu rathen, daß der Lehrende, wenn ein Baum zu beſchneiden ange- fangen wird, den Lernenden frage, welche Zel- ken abzunehmen ſeyn? trift er daſſelbe und weiß die Urſache davon, ſo iſt es gut, trift er es aber nicht, ſo muß es ihm gezeiget, und die Urſache, warum es ſo geſchehen muͤſſe, hinzugefuͤget wer- den, und dieſes iſt hierinnen der beſte Vortheil, denn obgleich andere noch ſo viel vom Beſchnei- den und Verſtutzen in den Garten-Buͤchern ge- ſchrieben, ja ſo gar die Baͤume in Kupferſtichen ſamt dem Garten-Meſſer vorgeſtellet haben, ſo wird Vom Ver- ſchneiden der Franz und Spa- lier-Baͤu- me.

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Zitationshilfe: Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 2. Erfurt, 1753, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz02_1753/208>, abgerufen am 28.03.2024.