Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

nächst auf die Seele desselben und auf
diese in der Absicht wirken, damit
dadurch die Heilung einer Krankheit
zu Stande kommen möge
. Es ist daher
in Rücksicht ihres Begriffs gleichgültig, ob sie
eine Krankheit der Seele oder des Körpers hei-
len; ob das erregte Spiel der Seelenkräfte, zum
Behuf der Heilung, durch mitgetheilte Vorstel-
lungen und Begriffe, oder durch körperliche Mit-
tel, z. B. durch Ruthen, Douchen und Kanonen-
donner erregt worden ist.

Diese Curmethode ist zwar als eigne Disci-
plin, in einem systematischen Zusammenhang und
in Verbindung mit den ihr angehörigen Wissen-
schaften nie bearbeitet. Doch finden wir hie und
da Bruchstücke derselben, die uns die Geschichte
der Arzneikunde, aus der älteren und neueren
Zeit, aufbewahrt hat. Apparent rari nantes in
gurgite vasto. Die Griechen und Römer waren
mit ihr nicht unbekannt. Davon überzeugen uns
manche Stellen in den Schriften des Hippocra-
tes, Celsus
und C. Aurelianus. Auch
die Araber bedienten sich ihrer zur Heilung der
Krankheiten. Mit welchem Glück? das erhellt
aus folgender Geschichte. Al-Raschid's schö-
ne Beischläferin hatte sich in den Umarmungen
ihres Gebieters mit so vieler Inbrunst gestreckt,
dass einer ihrer Arme starr blieb. Man versuchte
alles zu ihrer Herstellung; Balsame von Gilead
und Mekka flossen in Strömen, Narden und Am-

nächſt auf die Seele deſſelben und auf
dieſe in der Abſicht wirken, damit
dadurch die Heilung einer Krankheit
zu Stande kommen möge
. Es iſt daher
in Rückſicht ihres Begriffs gleichgültig, ob ſie
eine Krankheit der Seele oder des Körpers hei-
len; ob das erregte Spiel der Seelenkräfte, zum
Behuf der Heilung, durch mitgetheilte Vorſtel-
lungen und Begriffe, oder durch körperliche Mit-
tel, z. B. durch Ruthen, Douchen und Kanonen-
donner erregt worden iſt.

Dieſe Curmethode iſt zwar als eigne Diſci-
plin, in einem ſyſtematiſchen Zuſammenhang und
in Verbindung mit den ihr angehörigen Wiſſen-
ſchaften nie bearbeitet. Doch finden wir hie und
da Bruchſtücke derſelben, die uns die Geſchichte
der Arzneikunde, aus der älteren und neueren
Zeit, aufbewahrt hat. Apparent rari nantes in
gurgite vaſto. Die Griechen und Römer waren
mit ihr nicht unbekannt. Davon überzeugen uns
manche Stellen in den Schriften des Hippocra-
tes, Celſus
und C. Aurelianus. Auch
die Araber bedienten ſich ihrer zur Heilung der
Krankheiten. Mit welchem Glück? das erhellt
aus folgender Geſchichte. Al-Raſchid’s ſchö-
ne Beiſchläferin hatte ſich in den Umarmungen
ihres Gebieters mit ſo vieler Inbrunſt geſtreckt,
daſs einer ihrer Arme ſtarr blieb. Man verſuchte
alles zu ihrer Herſtellung; Balſame von Gilead
und Mekka floſſen in Strömen, Narden und Am-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0033" n="28"/>
näch&#x017F;t auf die Seele de&#x017F;&#x017F;elben und auf<lb/>
die&#x017F;e in der Ab&#x017F;icht wirken, damit<lb/>
dadurch die Heilung einer Krankheit<lb/>
zu Stande kommen möge</hi>. Es i&#x017F;t daher<lb/>
in Rück&#x017F;icht ihres Begriffs gleichgültig, ob &#x017F;ie<lb/>
eine Krankheit der Seele oder des Körpers hei-<lb/>
len; ob das erregte Spiel der Seelenkräfte, zum<lb/>
Behuf der Heilung, durch mitgetheilte Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen und Begriffe, oder durch körperliche Mit-<lb/>
tel, z. B. durch Ruthen, Douchen und Kanonen-<lb/>
donner erregt worden i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Curmethode i&#x017F;t zwar als eigne Di&#x017F;ci-<lb/>
plin, in einem &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen Zu&#x017F;ammenhang und<lb/>
in Verbindung mit den ihr angehörigen Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaften nie bearbeitet. Doch finden wir hie und<lb/>
da Bruch&#x017F;tücke der&#x017F;elben, die uns die Ge&#x017F;chichte<lb/>
der Arzneikunde, aus der älteren und neueren<lb/>
Zeit, aufbewahrt hat. Apparent rari nantes in<lb/>
gurgite va&#x017F;to. Die Griechen und Römer waren<lb/>
mit ihr nicht unbekannt. Davon überzeugen uns<lb/>
manche Stellen in den Schriften des <hi rendition="#g">Hippocra-<lb/>
tes, Cel&#x017F;us</hi> und C. <hi rendition="#g">Aurelianus</hi>. Auch<lb/>
die Araber bedienten &#x017F;ich ihrer zur Heilung der<lb/>
Krankheiten. Mit welchem Glück? das erhellt<lb/>
aus folgender Ge&#x017F;chichte. <hi rendition="#g">Al-Ra&#x017F;chid&#x2019;s</hi> &#x017F;chö-<lb/>
ne Bei&#x017F;chläferin hatte &#x017F;ich in den Umarmungen<lb/>
ihres Gebieters mit &#x017F;o vieler Inbrun&#x017F;t ge&#x017F;treckt,<lb/>
da&#x017F;s einer ihrer Arme &#x017F;tarr blieb. Man ver&#x017F;uchte<lb/>
alles zu ihrer Her&#x017F;tellung; Bal&#x017F;ame von Gilead<lb/>
und Mekka flo&#x017F;&#x017F;en in Strömen, Narden und Am-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0033] nächſt auf die Seele deſſelben und auf dieſe in der Abſicht wirken, damit dadurch die Heilung einer Krankheit zu Stande kommen möge. Es iſt daher in Rückſicht ihres Begriffs gleichgültig, ob ſie eine Krankheit der Seele oder des Körpers hei- len; ob das erregte Spiel der Seelenkräfte, zum Behuf der Heilung, durch mitgetheilte Vorſtel- lungen und Begriffe, oder durch körperliche Mit- tel, z. B. durch Ruthen, Douchen und Kanonen- donner erregt worden iſt. Dieſe Curmethode iſt zwar als eigne Diſci- plin, in einem ſyſtematiſchen Zuſammenhang und in Verbindung mit den ihr angehörigen Wiſſen- ſchaften nie bearbeitet. Doch finden wir hie und da Bruchſtücke derſelben, die uns die Geſchichte der Arzneikunde, aus der älteren und neueren Zeit, aufbewahrt hat. Apparent rari nantes in gurgite vaſto. Die Griechen und Römer waren mit ihr nicht unbekannt. Davon überzeugen uns manche Stellen in den Schriften des Hippocra- tes, Celſus und C. Aurelianus. Auch die Araber bedienten ſich ihrer zur Heilung der Krankheiten. Mit welchem Glück? das erhellt aus folgender Geſchichte. Al-Raſchid’s ſchö- ne Beiſchläferin hatte ſich in den Umarmungen ihres Gebieters mit ſo vieler Inbrunſt geſtreckt, daſs einer ihrer Arme ſtarr blieb. Man verſuchte alles zu ihrer Herſtellung; Balſame von Gilead und Mekka floſſen in Strömen, Narden und Am-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/33
Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/33>, abgerufen am 19.04.2024.