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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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ders als von einem Menschen geschehen kann,
der dazu die nöthigen psychologischen Kenntnisse
hat. Es ist gleichgültig, ob diese Kenntnisse in
zwey Personen oder gemeinschaftlich mit den
ärztlichen in einer Person vereinigt sind, ob der
Inhaber derselben Psychologe, Arzt oder Predi-
ger heisse. Allein da beide Zweige der Arznei-
kunde, die psychische und pharmaceutische, von
einem so ungeheuren Umfang sind, dass sie fast
die Kräfte eines Menschen überschreiten; so halte
ich es für gerathen, zwey Personen im Irrenhause
zur Kur der Kranken unter den Namen des Arz-
tes und des Psychologen anzusetzen. Der Arzt
muss die pharmaceutische Arzneikunde in ihrem
ganzen Umfang umfassen, mit der Physiologie
des Körpers durchaus bekannt seyn, die Krank-
heiten der Seele aus der Pathologie zu seinem
Hauptfach gemacht haben, und dabey in der
Psychologie nicht unerfahren seyn. Der Psycho-
loge
hingegen soll in der Philosophie überhaupt
zu Hause seyn, die praktische Seelenlehre, auf
Arzneikunde angewandt, das Studium der See-
lenkrankheiten, die psychische Kurmethode zum
Hauptgegenstand seines Wissens gemacht, und
von der Medicin überhaupt wenigstens eine allge-
meine Ansicht haben. Beide müssen beobachten
und untersuchen, dieser die Ursprünge aus der
Seele, jener die Ursachen im Körper, den Plan
zur Kur gemeinschaftlich entwerfen, und der
Arzt dann die Heilung der körperlichen Gebre-

ders als von einem Menſchen geſchehen kann,
der dazu die nöthigen pſychologiſchen Kenntniſſe
hat. Es iſt gleichgültig, ob dieſe Kenntniſſe in
zwey Perſonen oder gemeinſchaftlich mit den
ärztlichen in einer Perſon vereinigt ſind, ob der
Inhaber derſelben Pſychologe, Arzt oder Predi-
ger heiſse. Allein da beide Zweige der Arznei-
kunde, die pſychiſche und pharmaceutiſche, von
einem ſo ungeheuren Umfang ſind, daſs ſie faſt
die Kräfte eines Menſchen überſchreiten; ſo halte
ich es für gerathen, zwey Perſonen im Irrenhauſe
zur Kur der Kranken unter den Namen des Arz-
tes und des Pſychologen anzuſetzen. Der Arzt
muſs die pharmaceutiſche Arzneikunde in ihrem
ganzen Umfang umfaſſen, mit der Phyſiologie
des Körpers durchaus bekannt ſeyn, die Krank-
heiten der Seele aus der Pathologie zu ſeinem
Hauptfach gemacht haben, und dabey in der
Pſychologie nicht unerfahren ſeyn. Der Pſycho-
loge
hingegen ſoll in der Philoſophie überhaupt
zu Hauſe ſeyn, die praktiſche Seelenlehre, auf
Arzneikunde angewandt, das Studium der See-
lenkrankheiten, die pſychiſche Kurmethode zum
Hauptgegenſtand ſeines Wiſſens gemacht, und
von der Medicin überhaupt wenigſtens eine allge-
meine Anſicht haben. Beide müſſen beobachten
und unterſuchen, dieſer die Urſprünge aus der
Seele, jener die Urſachen im Körper, den Plan
zur Kur gemeinſchaftlich entwerfen, und der
Arzt dann die Heilung der körperlichen Gebre-

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[477/0482] ders als von einem Menſchen geſchehen kann, der dazu die nöthigen pſychologiſchen Kenntniſſe hat. Es iſt gleichgültig, ob dieſe Kenntniſſe in zwey Perſonen oder gemeinſchaftlich mit den ärztlichen in einer Perſon vereinigt ſind, ob der Inhaber derſelben Pſychologe, Arzt oder Predi- ger heiſse. Allein da beide Zweige der Arznei- kunde, die pſychiſche und pharmaceutiſche, von einem ſo ungeheuren Umfang ſind, daſs ſie faſt die Kräfte eines Menſchen überſchreiten; ſo halte ich es für gerathen, zwey Perſonen im Irrenhauſe zur Kur der Kranken unter den Namen des Arz- tes und des Pſychologen anzuſetzen. Der Arzt muſs die pharmaceutiſche Arzneikunde in ihrem ganzen Umfang umfaſſen, mit der Phyſiologie des Körpers durchaus bekannt ſeyn, die Krank- heiten der Seele aus der Pathologie zu ſeinem Hauptfach gemacht haben, und dabey in der Pſychologie nicht unerfahren ſeyn. Der Pſycho- loge hingegen ſoll in der Philoſophie überhaupt zu Hauſe ſeyn, die praktiſche Seelenlehre, auf Arzneikunde angewandt, das Studium der See- lenkrankheiten, die pſychiſche Kurmethode zum Hauptgegenſtand ſeines Wiſſens gemacht, und von der Medicin überhaupt wenigſtens eine allge- meine Anſicht haben. Beide müſſen beobachten und unterſuchen, dieſer die Urſprünge aus der Seele, jener die Urſachen im Körper, den Plan zur Kur gemeinſchaftlich entwerfen, und der Arzt dann die Heilung der körperlichen Gebre-

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/482>, abgerufen am 25.04.2024.