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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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Formationen und Regionen der Vegetation.
von Adlerfarren (Pteris aquilina L.) und Stechweiden (Smilax China
L. und anderen Arten) genügend angezeigt.

Immergrüne Sträucher, wie Juniperus rigida S. und Z., Eurya
japonica, Aucuba japonica Th., Photinia villosa DC., Pittospora
Tobira Ait., Gardenia florida L. und andere sind im mittleren Japan
mit blattwechselnden, wie Azaleen, Vaccinieen, Deutzien, Rosen, Rhus
sylvestris S. und Z., mit Gräsern, Kräutern und Trockenheit lieben-
den Farrenkräutern bunt gemischt; und wenn im Vorsommer Alles
grünt und blüht und sich der Harzgeruch zu dem Blüthendufte gesellt
und das Schleifen und Zirpen unzähliger Cicaden von den Stämmen
und Aesten der Kiefern herunter zu dem Summen und Schwirren
honigsammelnder Insecten: dann bieten auch diese, sonst weniger
ansprechenden Landesstrecken belebte, lehrreiche Bilder. So sind in
Satsuma z. B. schon im April die niedrigen unfruchtbaren Hügel be-
deckt mit einem Gemisch rothblühender Azalien- (Rhododendron Indi-
cum) und weissblühender Deutzienbüsche, der Anemone cernua, welche
an unsere Küchenschelle erinnert, Osmunda regalis und anderer Ge-
wächse und erscheinen auf den ersten Blick nicht wie ein freies
Naturprodukt, sondern mehr wie eine künstliche Anlage.

Die Hara.

In den Thalsohlen und kleinen Ebenen wird jeder Fleck cultivier-
baren Landes sorgfältigst benutzt, vornehmlich zur Reiscultur. Wiesen
und Weideland in unserem Sinne gibt es eben so wenig, wie unkraut-
nährende Brachfelder. Die ursprüngliche Physiognomie der Natur
und der Reichthum an Gewächsen ist hier verschwunden und hat
sich auf höher gelegene, der Bewässerung nicht zugängige und dem
Feldbau nicht unterworfene Gebiete zurückgezogen. Wer daher die
Hauptfundstätte der Gräser und Kräuter kennen lernen will, muss
auf die Hara oder in den Wald gehen. Jenes ist eine eigenthümliche,
überaus häufig und in den verschiedensten Höhenlagen von 100--2500
Metern wiederkehrende Vegetationsformation, die am meisten an unsere
Wald- und Gebirgswiesen erinnert. Am Fusse der grossen Vulkane,
wie Asama-yama, Fuji-no-yama, Ganju-san und vieler anderer nimmt
sie ein weites Areal ein, das sich zwischen 500 und 1500 Meter Höhe
hinzieht, der Viehzucht vortreffliche Dienste leisten könnte, bislang
aber nur wenig benutzt wird.

Die Hara und der sich meist anschliessende Gebirgswald sind
die Wohnstätten jenes überaus bunten und hochinteressanten Gemisches
der vielen Pflanzentypen, an denen Japan so reich ist; und wer sich

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Formationen und Regionen der Vegetation.
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L. und anderen Arten) genügend angezeigt.

Immergrüne Sträucher, wie Juniperus rigida S. und Z., Eurya
japonica, Aucuba japonica Th., Photinia villosa DC., Pittospora
Tobira Ait., Gardenia florida L. und andere sind im mittleren Japan
mit blattwechselnden, wie Azaleen, Vaccinieen, Deutzien, Rosen, Rhus
sylvestris S. und Z., mit Gräsern, Kräutern und Trockenheit lieben-
den Farrenkräutern bunt gemischt; und wenn im Vorsommer Alles
grünt und blüht und sich der Harzgeruch zu dem Blüthendufte gesellt
und das Schleifen und Zirpen unzähliger Cicaden von den Stämmen
und Aesten der Kiefern herunter zu dem Summen und Schwirren
honigsammelnder Insecten: dann bieten auch diese, sonst weniger
ansprechenden Landesstrecken belebte, lehrreiche Bilder. So sind in
Satsuma z. B. schon im April die niedrigen unfruchtbaren Hügel be-
deckt mit einem Gemisch rothblühender Azalien- (Rhododendron Indi-
cum) und weissblühender Deutzienbüsche, der Anemone cernua, welche
an unsere Küchenschelle erinnert, Osmunda regalis und anderer Ge-
wächse und erscheinen auf den ersten Blick nicht wie ein freies
Naturprodukt, sondern mehr wie eine künstliche Anlage.

Die Hara.

In den Thalsohlen und kleinen Ebenen wird jeder Fleck cultivier-
baren Landes sorgfältigst benutzt, vornehmlich zur Reiscultur. Wiesen
und Weideland in unserem Sinne gibt es eben so wenig, wie unkraut-
nährende Brachfelder. Die ursprüngliche Physiognomie der Natur
und der Reichthum an Gewächsen ist hier verschwunden und hat
sich auf höher gelegene, der Bewässerung nicht zugängige und dem
Feldbau nicht unterworfene Gebiete zurückgezogen. Wer daher die
Hauptfundstätte der Gräser und Kräuter kennen lernen will, muss
auf die Hara oder in den Wald gehen. Jenes ist eine eigenthümliche,
überaus häufig und in den verschiedensten Höhenlagen von 100—2500
Metern wiederkehrende Vegetationsformation, die am meisten an unsere
Wald- und Gebirgswiesen erinnert. Am Fusse der grossen Vulkane,
wie Asama-yama, Fuji-no-yama, Ganju-san und vieler anderer nimmt
sie ein weites Areal ein, das sich zwischen 500 und 1500 Meter Höhe
hinzieht, der Viehzucht vortreffliche Dienste leisten könnte, bislang
aber nur wenig benutzt wird.

Die Hara und der sich meist anschliessende Gebirgswald sind
die Wohnstätten jenes überaus bunten und hochinteressanten Gemisches
der vielen Pflanzentypen, an denen Japan so reich ist; und wer sich

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[163/0185] Formationen und Regionen der Vegetation. von Adlerfarren (Pteris aquilina L.) und Stechweiden (Smilax China L. und anderen Arten) genügend angezeigt. Immergrüne Sträucher, wie Juniperus rigida S. und Z., Eurya japonica, Aucuba japonica Th., Photinia villosa DC., Pittospora Tobira Ait., Gardenia florida L. und andere sind im mittleren Japan mit blattwechselnden, wie Azaleen, Vaccinieen, Deutzien, Rosen, Rhus sylvestris S. und Z., mit Gräsern, Kräutern und Trockenheit lieben- den Farrenkräutern bunt gemischt; und wenn im Vorsommer Alles grünt und blüht und sich der Harzgeruch zu dem Blüthendufte gesellt und das Schleifen und Zirpen unzähliger Cicaden von den Stämmen und Aesten der Kiefern herunter zu dem Summen und Schwirren honigsammelnder Insecten: dann bieten auch diese, sonst weniger ansprechenden Landesstrecken belebte, lehrreiche Bilder. So sind in Satsuma z. B. schon im April die niedrigen unfruchtbaren Hügel be- deckt mit einem Gemisch rothblühender Azalien- (Rhododendron Indi- cum) und weissblühender Deutzienbüsche, der Anemone cernua, welche an unsere Küchenschelle erinnert, Osmunda regalis und anderer Ge- wächse und erscheinen auf den ersten Blick nicht wie ein freies Naturprodukt, sondern mehr wie eine künstliche Anlage. Die Hara. In den Thalsohlen und kleinen Ebenen wird jeder Fleck cultivier- baren Landes sorgfältigst benutzt, vornehmlich zur Reiscultur. Wiesen und Weideland in unserem Sinne gibt es eben so wenig, wie unkraut- nährende Brachfelder. Die ursprüngliche Physiognomie der Natur und der Reichthum an Gewächsen ist hier verschwunden und hat sich auf höher gelegene, der Bewässerung nicht zugängige und dem Feldbau nicht unterworfene Gebiete zurückgezogen. Wer daher die Hauptfundstätte der Gräser und Kräuter kennen lernen will, muss auf die Hara oder in den Wald gehen. Jenes ist eine eigenthümliche, überaus häufig und in den verschiedensten Höhenlagen von 100—2500 Metern wiederkehrende Vegetationsformation, die am meisten an unsere Wald- und Gebirgswiesen erinnert. Am Fusse der grossen Vulkane, wie Asama-yama, Fuji-no-yama, Ganju-san und vieler anderer nimmt sie ein weites Areal ein, das sich zwischen 500 und 1500 Meter Höhe hinzieht, der Viehzucht vortreffliche Dienste leisten könnte, bislang aber nur wenig benutzt wird. Die Hara und der sich meist anschliessende Gebirgswald sind die Wohnstätten jenes überaus bunten und hochinteressanten Gemisches der vielen Pflanzentypen, an denen Japan so reich ist; und wer sich 11*

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/185>, abgerufen am 28.03.2024.