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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
lucrative und wichtige Stellen. Was ihn aber dabei von seinem
früheren Gegner Kiyomori vortheilhaft unterschied, war, dass er da-
durch das Land nicht aussaugen, sondern die Bevölkerung schützen
und ihr Wohl befördern liess.

Die Erinnerung an die Behandlung seiner nächsten Verwandten,
denen er doch seine ganze Macht verdankte, wirft einen dunklen
Schatten über das Bild des sonst bedeutenden Mannes. Nur ein ab-
scheulicher Undank und grosse Herzlosigkeit vermochten Verläumdern
den Einfluss einzuräumen, welcher ihn bestimmte, nicht blos Yorinaka,
sondern selbst seine leiblichen Brüder Yoshitsune und Noriyori nicht
zu schonen, als er glaubte, sie könnten ihm gefährlich werden. Der
Brudermord rächte sich schwer an seinen Kindern und Kindeskindern,
die der Reihe nach eines unnatürlichen Todes starben, welcher ihnen
durch den Ehrgeiz von mütterlichen Verwandten bereitet wurde. Als
grosser Missgriff in seinem Regierungssysteme muss es angesehen
werden, dass er weniger sein eigenes Haus, die Minamoto, als viel-
mehr die Familie seines Schwiegervaters Hojo Tokimasa begünstigte,
dem er wohl seine Lebensrettung verdankte, dessen Einfluss aber
nicht blos den Minamoto überhaupt, sondern auch seiner eigenen
Nachkommenschaft höchst verderblich wurde.


3. Periode.
Von Yoritomo's Tod bis zur Dynastie der Ashikaga
(1199--1334 n. Chr.). Zeit der Schatten-Shogune, des
Glanzes und Falles der Hojo-Familie
.

Yoritomo war erst 53 Jahre alt, als er starb. Das Erbe fiel seinem
achtzehnjährigen Sohne Yoriiye zu. Aber "taisha tane ga nashi" *),
einem grossen Mann folgt selten ein bedeutender Sohn, sagt die japa-
nische Redensart. Yoshiiye war seinem Vater, ausser in der Körper-
kraft, unähnlich, dachte nur an sein Vergnügen, umgab sich mit
galanten Frauen und sittenlosen Cavalieren und zeigte weder Talent
noch Neigung zu den ernsteren Aufgaben des Lebens und seiner
Stellung.

In seinen ausschweifenden Neigungen wurde er aber unterstützt
von Hiki-Yoshikazu, seinem eigenen Schwiegervater, während

*) Wörtlich: Ein General erzeugt keinen Samen.

I. Geschichte des japanischen Volkes.
lucrative und wichtige Stellen. Was ihn aber dabei von seinem
früheren Gegner Kiyomori vortheilhaft unterschied, war, dass er da-
durch das Land nicht aussaugen, sondern die Bevölkerung schützen
und ihr Wohl befördern liess.

Die Erinnerung an die Behandlung seiner nächsten Verwandten,
denen er doch seine ganze Macht verdankte, wirft einen dunklen
Schatten über das Bild des sonst bedeutenden Mannes. Nur ein ab-
scheulicher Undank und grosse Herzlosigkeit vermochten Verläumdern
den Einfluss einzuräumen, welcher ihn bestimmte, nicht blos Yorinaka,
sondern selbst seine leiblichen Brüder Yoshitsune und Noriyori nicht
zu schonen, als er glaubte, sie könnten ihm gefährlich werden. Der
Brudermord rächte sich schwer an seinen Kindern und Kindeskindern,
die der Reihe nach eines unnatürlichen Todes starben, welcher ihnen
durch den Ehrgeiz von mütterlichen Verwandten bereitet wurde. Als
grosser Missgriff in seinem Regierungssysteme muss es angesehen
werden, dass er weniger sein eigenes Haus, die Minamoto, als viel-
mehr die Familie seines Schwiegervaters Hôjô Tokimasa begünstigte,
dem er wohl seine Lebensrettung verdankte, dessen Einfluss aber
nicht blos den Minamoto überhaupt, sondern auch seiner eigenen
Nachkommenschaft höchst verderblich wurde.


3. Periode.
Von Yoritomo’s Tod bis zur Dynastie der Ashikaga
(1199—1334 n. Chr.). Zeit der Schatten-Shôgune, des
Glanzes und Falles der Hôjô-Familie
.

Yoritomo war erst 53 Jahre alt, als er starb. Das Erbe fiel seinem
achtzehnjährigen Sohne Yoriiye zu. Aber »taisha tane ga nashi« *),
einem grossen Mann folgt selten ein bedeutender Sohn, sagt die japa-
nische Redensart. Yoshiiye war seinem Vater, ausser in der Körper-
kraft, unähnlich, dachte nur an sein Vergnügen, umgab sich mit
galanten Frauen und sittenlosen Cavalieren und zeigte weder Talent
noch Neigung zu den ernsteren Aufgaben des Lebens und seiner
Stellung.

In seinen ausschweifenden Neigungen wurde er aber unterstützt
von Hiki-Yoshikazu, seinem eigenen Schwiegervater, während

*) Wörtlich: Ein General erzeugt keinen Samen.
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[278/0304] I. Geschichte des japanischen Volkes. lucrative und wichtige Stellen. Was ihn aber dabei von seinem früheren Gegner Kiyomori vortheilhaft unterschied, war, dass er da- durch das Land nicht aussaugen, sondern die Bevölkerung schützen und ihr Wohl befördern liess. Die Erinnerung an die Behandlung seiner nächsten Verwandten, denen er doch seine ganze Macht verdankte, wirft einen dunklen Schatten über das Bild des sonst bedeutenden Mannes. Nur ein ab- scheulicher Undank und grosse Herzlosigkeit vermochten Verläumdern den Einfluss einzuräumen, welcher ihn bestimmte, nicht blos Yorinaka, sondern selbst seine leiblichen Brüder Yoshitsune und Noriyori nicht zu schonen, als er glaubte, sie könnten ihm gefährlich werden. Der Brudermord rächte sich schwer an seinen Kindern und Kindeskindern, die der Reihe nach eines unnatürlichen Todes starben, welcher ihnen durch den Ehrgeiz von mütterlichen Verwandten bereitet wurde. Als grosser Missgriff in seinem Regierungssysteme muss es angesehen werden, dass er weniger sein eigenes Haus, die Minamoto, als viel- mehr die Familie seines Schwiegervaters Hôjô Tokimasa begünstigte, dem er wohl seine Lebensrettung verdankte, dessen Einfluss aber nicht blos den Minamoto überhaupt, sondern auch seiner eigenen Nachkommenschaft höchst verderblich wurde. 3. Periode. Von Yoritomo’s Tod bis zur Dynastie der Ashikaga (1199—1334 n. Chr.). Zeit der Schatten-Shôgune, des Glanzes und Falles der Hôjô-Familie. Yoritomo war erst 53 Jahre alt, als er starb. Das Erbe fiel seinem achtzehnjährigen Sohne Yoriiye zu. Aber »taisha tane ga nashi« *), einem grossen Mann folgt selten ein bedeutender Sohn, sagt die japa- nische Redensart. Yoshiiye war seinem Vater, ausser in der Körper- kraft, unähnlich, dachte nur an sein Vergnügen, umgab sich mit galanten Frauen und sittenlosen Cavalieren und zeigte weder Talent noch Neigung zu den ernsteren Aufgaben des Lebens und seiner Stellung. In seinen ausschweifenden Neigungen wurde er aber unterstützt von Hiki-Yoshikazu, seinem eigenen Schwiegervater, während *) Wörtlich: Ein General erzeugt keinen Samen.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/304>, abgerufen am 29.03.2024.