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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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5. Kalender und Volksfeste. Sexagesimal-Cyclus etc.
das Verbrennen für 3/4, 11/2 und 13/4 Dollar bewirkt, worauf die
Anverwandten des Verstorbenen seine Asche und Knochenreste sammeln
und in einer Urne beisetzen*).


5. Kalender und Volksfeste. Sexagesimal-Cyclus und Nen-go.
Go-sekku, namentlich Neujahr, Blumenfeste und Matsuri.

Als Einleitung zu dem Kapitel über die japanischen Feste schicken
wir eine kurze Besprechung des Kalenders (koyomi oder seki),
wie er früher allgemein in Gebrauch war, voraus. Bis zum Jahre
1873 bediente man sich in Japan der chinesischen Zeitrechnung,
welche 602 n. Chr. durch einen buddhistischen Priester von Kudara
eingeführt worden war. Auf demselben Wege kam etwa 100 Jahre
später als genauerer Zeitmesser die erste Klepsydra oder Wasseruhr
(chinesisch rokoku, japanisch midzu-doke) in das Land; automatische
Schlaguhren folgten von China aus erst zwischen den Jahren 1592
und 1595. Die Chinesen hatten dieselben unter der Ming-Dynastie
durch den italienischen Pater Matteo Ricci**) kennen und anwenden
gelernt.

Das bürgerliche Jahr (toshi, nen) der Japaner war wie in China
ein Mondjahr mit 12 Monaten (tsuki) von abwechselnd 29 und 30
Tagen, also mit 354, beziehungsweise 355 Tagen (nichi, hi)***). Schon
lange vor Meton (432 v. Chr.) kannten die Chinesen (wahrscheinlich
durch frühzeitige Berührung mit den Chaldäern) den Mondcyclus und
wussten, dass das Mondjahr hinter dem Sonnenjahr beträchtlich zu-
rückblieb. Um beide mit einander in Einklang zu bringen, wurde

*) Das Nähere über diesen Gegenstand findet man in dem Aufsatze von
Doenitz im 10. Hefte der Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft unter dem
Titel: "Ueber Leichenverbrennung in Japan".
**) Näheres über diese bedeutende Persönlichkeit findet sich in v. Richt-
hofen
's China, pag. 654--656.
***) Der Neujahrstag fiel auf den Neumond vor dem Frühlingsäquinoctium,
also in den Februar oder März. Als die japanische Regierung im Jahre 1872
die Vertauschung des bisherigen Mondjahres mit dem gregorianischen Kalender
proclamierte, nahm das gefügige japanische Volk, durch Zeitungen und Behörden
auf die Vortheile des Wechsels aufmerksam gemacht, denselben ruhig hin. Nur
die Chinesen in Yokohama waren damit nicht zufrieden und machten ihrem Un-
muthe durch ein Document Luft, das man eines Tages an einem Regierungsge-
bäude angeklebt fand und worin den Japanern vorgeworfen wurde, dass sie sich
ganz zu Sclaven der fremden Teufel gemacht hätten.

5. Kalender und Volksfeste. Sexagesimal-Cyclus etc.
das Verbrennen für ¾, 1½ und 1¾ Dollar bewirkt, worauf die
Anverwandten des Verstorbenen seine Asche und Knochenreste sammeln
und in einer Urne beisetzen*).


5. Kalender und Volksfeste. Sexagesimal-Cyclus und Nen-gô.
Go-sekku, namentlich Neujahr, Blumenfeste und Matsuri.

Als Einleitung zu dem Kapitel über die japanischen Feste schicken
wir eine kurze Besprechung des Kalenders (koyomi oder seki),
wie er früher allgemein in Gebrauch war, voraus. Bis zum Jahre
1873 bediente man sich in Japan der chinesischen Zeitrechnung,
welche 602 n. Chr. durch einen buddhistischen Priester von Kudara
eingeführt worden war. Auf demselben Wege kam etwa 100 Jahre
später als genauerer Zeitmesser die erste Klepsydra oder Wasseruhr
(chinesisch rokoku, japanisch midzu-doke) in das Land; automatische
Schlaguhren folgten von China aus erst zwischen den Jahren 1592
und 1595. Die Chinesen hatten dieselben unter der Ming-Dynastie
durch den italienischen Pater Matteo Ricci**) kennen und anwenden
gelernt.

Das bürgerliche Jahr (toshi, nen) der Japaner war wie in China
ein Mondjahr mit 12 Monaten (tsuki) von abwechselnd 29 und 30
Tagen, also mit 354, beziehungsweise 355 Tagen (nichi, hi)***). Schon
lange vor Meton (432 v. Chr.) kannten die Chinesen (wahrscheinlich
durch frühzeitige Berührung mit den Chaldäern) den Mondcyclus und
wussten, dass das Mondjahr hinter dem Sonnenjahr beträchtlich zu-
rückblieb. Um beide mit einander in Einklang zu bringen, wurde

*) Das Nähere über diesen Gegenstand findet man in dem Aufsatze von
Doenitz im 10. Hefte der Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft unter dem
Titel: »Ueber Leichenverbrennung in Japan«.
**) Näheres über diese bedeutende Persönlichkeit findet sich in v. Richt-
hofen
’s China, pag. 654—656.
***) Der Neujahrstag fiel auf den Neumond vor dem Frühlingsäquinoctium,
also in den Februar oder März. Als die japanische Regierung im Jahre 1872
die Vertauschung des bisherigen Mondjahres mit dem gregorianischen Kalender
proclamierte, nahm das gefügige japanische Volk, durch Zeitungen und Behörden
auf die Vortheile des Wechsels aufmerksam gemacht, denselben ruhig hin. Nur
die Chinesen in Yokohama waren damit nicht zufrieden und machten ihrem Un-
muthe durch ein Document Luft, das man eines Tages an einem Regierungsge-
bäude angeklebt fand und worin den Japanern vorgeworfen wurde, dass sie sich
ganz zu Sclaven der fremden Teufel gemacht hätten.
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[503/0537] 5. Kalender und Volksfeste. Sexagesimal-Cyclus etc. das Verbrennen für ¾, 1½ und 1¾ Dollar bewirkt, worauf die Anverwandten des Verstorbenen seine Asche und Knochenreste sammeln und in einer Urne beisetzen *). 5. Kalender und Volksfeste. Sexagesimal-Cyclus und Nen-gô. Go-sekku, namentlich Neujahr, Blumenfeste und Matsuri. Als Einleitung zu dem Kapitel über die japanischen Feste schicken wir eine kurze Besprechung des Kalenders (koyomi oder seki), wie er früher allgemein in Gebrauch war, voraus. Bis zum Jahre 1873 bediente man sich in Japan der chinesischen Zeitrechnung, welche 602 n. Chr. durch einen buddhistischen Priester von Kudara eingeführt worden war. Auf demselben Wege kam etwa 100 Jahre später als genauerer Zeitmesser die erste Klepsydra oder Wasseruhr (chinesisch rokoku, japanisch midzu-doke) in das Land; automatische Schlaguhren folgten von China aus erst zwischen den Jahren 1592 und 1595. Die Chinesen hatten dieselben unter der Ming-Dynastie durch den italienischen Pater Matteo Ricci **) kennen und anwenden gelernt. Das bürgerliche Jahr (toshi, nen) der Japaner war wie in China ein Mondjahr mit 12 Monaten (tsuki) von abwechselnd 29 und 30 Tagen, also mit 354, beziehungsweise 355 Tagen (nichi, hi) ***). Schon lange vor Meton (432 v. Chr.) kannten die Chinesen (wahrscheinlich durch frühzeitige Berührung mit den Chaldäern) den Mondcyclus und wussten, dass das Mondjahr hinter dem Sonnenjahr beträchtlich zu- rückblieb. Um beide mit einander in Einklang zu bringen, wurde *) Das Nähere über diesen Gegenstand findet man in dem Aufsatze von Doenitz im 10. Hefte der Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft unter dem Titel: »Ueber Leichenverbrennung in Japan«. **) Näheres über diese bedeutende Persönlichkeit findet sich in v. Richt- hofen’s China, pag. 654—656. ***) Der Neujahrstag fiel auf den Neumond vor dem Frühlingsäquinoctium, also in den Februar oder März. Als die japanische Regierung im Jahre 1872 die Vertauschung des bisherigen Mondjahres mit dem gregorianischen Kalender proclamierte, nahm das gefügige japanische Volk, durch Zeitungen und Behörden auf die Vortheile des Wechsels aufmerksam gemacht, denselben ruhig hin. Nur die Chinesen in Yokohama waren damit nicht zufrieden und machten ihrem Un- muthe durch ein Document Luft, das man eines Tages an einem Regierungsge- bäude angeklebt fand und worin den Japanern vorgeworfen wurde, dass sie sich ganz zu Sclaven der fremden Teufel gemacht hätten.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/537>, abgerufen am 29.03.2024.