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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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IV. Orographie.
an mächtigem Baumwuchs, an schroffen Formen und Zacken sucht
er seines Gleichen. Knipping brachte mir, der ich den Berg nur
aus einiger Entfernung betrachten konnte, eine Gesteinsprobe vom
Gipfel mit. Es war ein Stück Kieselschiefer. Der Omine ist somit
unter den bis jetzt genau gemessenen nicht vulkanischen Bergen der
höchste, wenn wir den Kinpo-san ausnehmen.

Südöstlich vom Omine-san erhebt sich, wahrscheinlich als zweit-
höchster Gipfel der Halbinsel Yamato, der Odai-yama 1689 Meter
hoch (nach Capt. St. John) ebenfalls in wild zerrissener, prächtiger,
waldreicher Gebirgslandschaft. Ostwärts von Omine und Odai-yama
nahe der Berührungsecke von Yamato, Ise und Ki befindet sich eine
sumpfige Hochebene, die Otaigahara, woselbst Yoshino-gawa, Miya-
gawa und Otonashi-gawa entspringen. Von Bergen der Provinz Kii
sind noch, wenn auch keineswegs als höchste, anzuführen: der Haki-
san
(650 Meter) südlich des Odai-san unweit der Küste, der Nachi-
san
südwestlich von Shingu, woran der berühmte Wasserfall Nachi-
no-taki, 84 Meter hoch, nur 2 ri von der Küste, und der Koya-san
mit der bekannten Tempel- und Freistadt Koya ostwärts von Waka-
yama 500 Meter hoch.

Die zahlreichen Vorsprünge der Steilküste von Kii und Ise, welche
eben so viele kleine und zum Theil sehr tiefe und geschützte Buchten
bilden, sind nur die Ausläufer der vielen Gebirgsrücken, welche, vom
Hochlande des südlichen Yamato ausgehend, fächerförmig sich ver-
zweigen. Es ist eine wild zerrissene Gebirgslandschaft. Wenig be-
tretene Urwälder bekleiden ihre Schieferberge bis zu den Kämmen
und bieten den wilden Thieren des Landes noch ein weites freies
Jagdrevier. Reizend sind im Sommer die Thäler, durch deren Sohlen
das klare Wasser der Bäche in viel gewundenem Laufe murmelnd
dahineilt, wenn neben zierlichen Farrenkräutern und mancherlei
Strauchwerk blühende Azalienbüsche die felsigen Ufer schmücken und
der Duft unzähliger weisser Lilien die Luft erfüllt. Vor den rauhen
Nord- und Nordostwinden geschützt, bieten verschiedene nach Süden
geöffnete Thäler von Kii unter dem milden Einflusse des Kuroshiwo
ein subtropisches Klima dar, in welchem die schönen Mandarinorangen
reifen, mit denen man in Tokio so reichlich den Markt versieht. Die
Provinz Kii wird zu Nankaido gerechnet, bildet also mit Shikoku und
Awaji eine Gruppe. Vom klimatischen Standpunkte aus ist dies ge-
rechtfertigt.

Die grosse südwestliche Halbinsel von Hondo, das Chiugoku
oder Centralland, welches sich zwischen dem Japanischen Meere und
Seto-uchi hinzieht, schliesst sich im Berglande von Tamba den Bergen

IV. Orographie.
an mächtigem Baumwuchs, an schroffen Formen und Zacken sucht
er seines Gleichen. Knipping brachte mir, der ich den Berg nur
aus einiger Entfernung betrachten konnte, eine Gesteinsprobe vom
Gipfel mit. Es war ein Stück Kieselschiefer. Der Ômine ist somit
unter den bis jetzt genau gemessenen nicht vulkanischen Bergen der
höchste, wenn wir den Kinpo-san ausnehmen.

Südöstlich vom Omine-san erhebt sich, wahrscheinlich als zweit-
höchster Gipfel der Halbinsel Yamato, der Odai-yama 1689 Meter
hoch (nach Capt. St. John) ebenfalls in wild zerrissener, prächtiger,
waldreicher Gebirgslandschaft. Ostwärts von Ômine und Odai-yama
nahe der Berührungsecke von Yamato, Ise und Ki befindet sich eine
sumpfige Hochebene, die Otaigahara, woselbst Yoshino-gawa, Miya-
gawa und Otonashi-gawa entspringen. Von Bergen der Provinz Kii
sind noch, wenn auch keineswegs als höchste, anzuführen: der Haki-
san
(650 Meter) südlich des Odai-san unweit der Küste, der Nachi-
san
südwestlich von Shingu, woran der berühmte Wasserfall Nachi-
no-taki, 84 Meter hoch, nur 2 ri von der Küste, und der Koya-san
mit der bekannten Tempel- und Freistadt Koya ostwärts von Waka-
yama 500 Meter hoch.

Die zahlreichen Vorsprünge der Steilküste von Kii und Ise, welche
eben so viele kleine und zum Theil sehr tiefe und geschützte Buchten
bilden, sind nur die Ausläufer der vielen Gebirgsrücken, welche, vom
Hochlande des südlichen Yamato ausgehend, fächerförmig sich ver-
zweigen. Es ist eine wild zerrissene Gebirgslandschaft. Wenig be-
tretene Urwälder bekleiden ihre Schieferberge bis zu den Kämmen
und bieten den wilden Thieren des Landes noch ein weites freies
Jagdrevier. Reizend sind im Sommer die Thäler, durch deren Sohlen
das klare Wasser der Bäche in viel gewundenem Laufe murmelnd
dahineilt, wenn neben zierlichen Farrenkräutern und mancherlei
Strauchwerk blühende Azalienbüsche die felsigen Ufer schmücken und
der Duft unzähliger weisser Lilien die Luft erfüllt. Vor den rauhen
Nord- und Nordostwinden geschützt, bieten verschiedene nach Süden
geöffnete Thäler von Kii unter dem milden Einflusse des Kuroshiwo
ein subtropisches Klima dar, in welchem die schönen Mandarinorangen
reifen, mit denen man in Tôkio so reichlich den Markt versieht. Die
Provinz Kii wird zu Nankaidô gerechnet, bildet also mit Shikoku und
Awaji eine Gruppe. Vom klimatischen Standpunkte aus ist dies ge-
rechtfertigt.

Die grosse südwestliche Halbinsel von Hondo, das Chiugoku
oder Centralland, welches sich zwischen dem Japanischen Meere und
Seto-uchi hinzieht, schliesst sich im Berglande von Tamba den Bergen

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[90/0112] IV. Orographie. an mächtigem Baumwuchs, an schroffen Formen und Zacken sucht er seines Gleichen. Knipping brachte mir, der ich den Berg nur aus einiger Entfernung betrachten konnte, eine Gesteinsprobe vom Gipfel mit. Es war ein Stück Kieselschiefer. Der Ômine ist somit unter den bis jetzt genau gemessenen nicht vulkanischen Bergen der höchste, wenn wir den Kinpo-san ausnehmen. Südöstlich vom Omine-san erhebt sich, wahrscheinlich als zweit- höchster Gipfel der Halbinsel Yamato, der Odai-yama 1689 Meter hoch (nach Capt. St. John) ebenfalls in wild zerrissener, prächtiger, waldreicher Gebirgslandschaft. Ostwärts von Ômine und Odai-yama nahe der Berührungsecke von Yamato, Ise und Ki befindet sich eine sumpfige Hochebene, die Otaigahara, woselbst Yoshino-gawa, Miya- gawa und Otonashi-gawa entspringen. Von Bergen der Provinz Kii sind noch, wenn auch keineswegs als höchste, anzuführen: der Haki- san (650 Meter) südlich des Odai-san unweit der Küste, der Nachi- san südwestlich von Shingu, woran der berühmte Wasserfall Nachi- no-taki, 84 Meter hoch, nur 2 ri von der Küste, und der Koya-san mit der bekannten Tempel- und Freistadt Koya ostwärts von Waka- yama 500 Meter hoch. Die zahlreichen Vorsprünge der Steilküste von Kii und Ise, welche eben so viele kleine und zum Theil sehr tiefe und geschützte Buchten bilden, sind nur die Ausläufer der vielen Gebirgsrücken, welche, vom Hochlande des südlichen Yamato ausgehend, fächerförmig sich ver- zweigen. Es ist eine wild zerrissene Gebirgslandschaft. Wenig be- tretene Urwälder bekleiden ihre Schieferberge bis zu den Kämmen und bieten den wilden Thieren des Landes noch ein weites freies Jagdrevier. Reizend sind im Sommer die Thäler, durch deren Sohlen das klare Wasser der Bäche in viel gewundenem Laufe murmelnd dahineilt, wenn neben zierlichen Farrenkräutern und mancherlei Strauchwerk blühende Azalienbüsche die felsigen Ufer schmücken und der Duft unzähliger weisser Lilien die Luft erfüllt. Vor den rauhen Nord- und Nordostwinden geschützt, bieten verschiedene nach Süden geöffnete Thäler von Kii unter dem milden Einflusse des Kuroshiwo ein subtropisches Klima dar, in welchem die schönen Mandarinorangen reifen, mit denen man in Tôkio so reichlich den Markt versieht. Die Provinz Kii wird zu Nankaidô gerechnet, bildet also mit Shikoku und Awaji eine Gruppe. Vom klimatischen Standpunkte aus ist dies ge- rechtfertigt. Die grosse südwestliche Halbinsel von Hondo, das Chiugoku oder Centralland, welches sich zwischen dem Japanischen Meere und Seto-uchi hinzieht, schliesst sich im Berglande von Tamba den Bergen

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/112>, abgerufen am 19.04.2024.