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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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Dauer der Vegetationsperiode.
nica L., Populus tremula L. und Petasites spurius Reich., Cymbidium
virens Ldl., Helionopsis japonica Maxim., Asarum variegatum Al. Br.,
Arum japonicum Bl.

Die hervorragendsten Winterfrüchte, Gerste, Weizen und Raps,
welche Ende October in Reihen gesäet werden, treiben im November
und Anfangs December kräftige Rasen und bedecken die betreffenden
Felder den Winter über mit schönem Grün. Gegen Mitte December
aber hört auch im gemässigten Japan ihre Entwickelung auf und ruht,
bis die warme Frühlingssonne sie von neuem weckt. In der Ebene
von Osaka zeigt der Raps Anfangs April seine ersten Blüthen; bei
Nagasaki ist seine Entwickelung zur selben Zeit um etwa 14 Tage
weiter vor. Dort, wie überall im südlichen und mittleren Japan, fällt
seine Reife, wie die der Gerste, in den Anfang Juni, während die
Weizenernte zwei Wochen später stattfindet. Die Entwickelungsperiode
des Weizens ist in Japan um beinahe zwei Monate länger als auf
Malta unter gleicher Breite, nämlich 210 Tage gegen 160, weil dort
ein mehrmonatlicher Stillstand eintritt, hier aber selbst der kälteste
Tag mit 10°C. noch warm genug ist, um das Wachsthum zu fördern.

Die zum Theil grossen Differenzen, welche sich im Vorsommer in
der Zeit der Blüthe und Fruchtreife derselben Gewächse je nach der
geographischen Breite, unter welcher sie wachsen, zeigen, bestehen
in Japan wie in Europa bei den im Nachsommer und Herbst zur
Florescenz und Samenreife gelangenden Arten nicht, oder doch nicht
in gleichem Maasse. Es scheint sonach auch hier die in höheren
Breiten im Hochsommer durch längere Tagesdauer gebotene vermehrte
Insolation stark zu Gunsten der Entwickelung zu compensieren. Dass
dieser Ausgleich aber die früh blühenden Gewächse nicht wesentlich
berührt, hat wohl vornehmlich darin seinen Grund, weil neben der
Dauer der Besonnung auch die Stärke der Erwärmung in Betracht
kommt, und diese eben in höherer Breite viel später die für das
Wachsthum einer Pflanzenart nothwendige untere Grenze erreicht.

Wie die niedrigen Temperaturen des langen Winters die Vege-
tation im Vergleich zur Mittelmeerregion zurückhalten, zeigt sich auch
bei einem japanischen Obstbaume, der Eriobothrya japonica Lindl.,
den die Engländer nach ihren meisten tropischen und subtropischen
Colonieen verpflanzt haben und dessen Früchte in Gibraltar schon
Mitte April reifen, während sie in Osaka und Tokio erst Anfang Juni
auf den Markt kommen.

Im Norden Japans geht der Winter, wie in den Ländern mit
continentalem Klima, rasch in den Sommer über, und der Wald ist in
kürzester Zeit wieder grün; im Süden findet dieser Uebergang ganz

Dauer der Vegetationsperiode.
nica L., Populus tremula L. und Petasites spurius Reich., Cymbidium
virens Ldl., Helionopsis japonica Maxim., Asarum variegatum Al. Br.,
Arum japonicum Bl.

Die hervorragendsten Winterfrüchte, Gerste, Weizen und Raps,
welche Ende October in Reihen gesäet werden, treiben im November
und Anfangs December kräftige Rasen und bedecken die betreffenden
Felder den Winter über mit schönem Grün. Gegen Mitte December
aber hört auch im gemässigten Japan ihre Entwickelung auf und ruht,
bis die warme Frühlingssonne sie von neuem weckt. In der Ebene
von Ôsaka zeigt der Raps Anfangs April seine ersten Blüthen; bei
Nagasaki ist seine Entwickelung zur selben Zeit um etwa 14 Tage
weiter vor. Dort, wie überall im südlichen und mittleren Japan, fällt
seine Reife, wie die der Gerste, in den Anfang Juni, während die
Weizenernte zwei Wochen später stattfindet. Die Entwickelungsperiode
des Weizens ist in Japan um beinahe zwei Monate länger als auf
Malta unter gleicher Breite, nämlich 210 Tage gegen 160, weil dort
ein mehrmonatlicher Stillstand eintritt, hier aber selbst der kälteste
Tag mit 10°C. noch warm genug ist, um das Wachsthum zu fördern.

Die zum Theil grossen Differenzen, welche sich im Vorsommer in
der Zeit der Blüthe und Fruchtreife derselben Gewächse je nach der
geographischen Breite, unter welcher sie wachsen, zeigen, bestehen
in Japan wie in Europa bei den im Nachsommer und Herbst zur
Florescenz und Samenreife gelangenden Arten nicht, oder doch nicht
in gleichem Maasse. Es scheint sonach auch hier die in höheren
Breiten im Hochsommer durch längere Tagesdauer gebotene vermehrte
Insolation stark zu Gunsten der Entwickelung zu compensieren. Dass
dieser Ausgleich aber die früh blühenden Gewächse nicht wesentlich
berührt, hat wohl vornehmlich darin seinen Grund, weil neben der
Dauer der Besonnung auch die Stärke der Erwärmung in Betracht
kommt, und diese eben in höherer Breite viel später die für das
Wachsthum einer Pflanzenart nothwendige untere Grenze erreicht.

Wie die niedrigen Temperaturen des langen Winters die Vege-
tation im Vergleich zur Mittelmeerregion zurückhalten, zeigt sich auch
bei einem japanischen Obstbaume, der Eriobothrya japonica Lindl.,
den die Engländer nach ihren meisten tropischen und subtropischen
Colonieen verpflanzt haben und dessen Früchte in Gibraltar schon
Mitte April reifen, während sie in Ôsaka und Tôkio erst Anfang Juni
auf den Markt kommen.

Im Norden Japans geht der Winter, wie in den Ländern mit
continentalem Klima, rasch in den Sommer über, und der Wald ist in
kürzester Zeit wieder grün; im Süden findet dieser Uebergang ganz

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[157/0179] Dauer der Vegetationsperiode. nica L., Populus tremula L. und Petasites spurius Reich., Cymbidium virens Ldl., Helionopsis japonica Maxim., Asarum variegatum Al. Br., Arum japonicum Bl. Die hervorragendsten Winterfrüchte, Gerste, Weizen und Raps, welche Ende October in Reihen gesäet werden, treiben im November und Anfangs December kräftige Rasen und bedecken die betreffenden Felder den Winter über mit schönem Grün. Gegen Mitte December aber hört auch im gemässigten Japan ihre Entwickelung auf und ruht, bis die warme Frühlingssonne sie von neuem weckt. In der Ebene von Ôsaka zeigt der Raps Anfangs April seine ersten Blüthen; bei Nagasaki ist seine Entwickelung zur selben Zeit um etwa 14 Tage weiter vor. Dort, wie überall im südlichen und mittleren Japan, fällt seine Reife, wie die der Gerste, in den Anfang Juni, während die Weizenernte zwei Wochen später stattfindet. Die Entwickelungsperiode des Weizens ist in Japan um beinahe zwei Monate länger als auf Malta unter gleicher Breite, nämlich 210 Tage gegen 160, weil dort ein mehrmonatlicher Stillstand eintritt, hier aber selbst der kälteste Tag mit 10°C. noch warm genug ist, um das Wachsthum zu fördern. Die zum Theil grossen Differenzen, welche sich im Vorsommer in der Zeit der Blüthe und Fruchtreife derselben Gewächse je nach der geographischen Breite, unter welcher sie wachsen, zeigen, bestehen in Japan wie in Europa bei den im Nachsommer und Herbst zur Florescenz und Samenreife gelangenden Arten nicht, oder doch nicht in gleichem Maasse. Es scheint sonach auch hier die in höheren Breiten im Hochsommer durch längere Tagesdauer gebotene vermehrte Insolation stark zu Gunsten der Entwickelung zu compensieren. Dass dieser Ausgleich aber die früh blühenden Gewächse nicht wesentlich berührt, hat wohl vornehmlich darin seinen Grund, weil neben der Dauer der Besonnung auch die Stärke der Erwärmung in Betracht kommt, und diese eben in höherer Breite viel später die für das Wachsthum einer Pflanzenart nothwendige untere Grenze erreicht. Wie die niedrigen Temperaturen des langen Winters die Vege- tation im Vergleich zur Mittelmeerregion zurückhalten, zeigt sich auch bei einem japanischen Obstbaume, der Eriobothrya japonica Lindl., den die Engländer nach ihren meisten tropischen und subtropischen Colonieen verpflanzt haben und dessen Früchte in Gibraltar schon Mitte April reifen, während sie in Ôsaka und Tôkio erst Anfang Juni auf den Markt kommen. Im Norden Japans geht der Winter, wie in den Ländern mit continentalem Klima, rasch in den Sommer über, und der Wald ist in kürzester Zeit wieder grün; im Süden findet dieser Uebergang ganz

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/179>, abgerufen am 20.04.2024.