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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
die verschiedenen Classen der japanischen Gesellschaft fortan zu leben
hatten. Bevor wir jedoch diese Dinge eingehender besprechen, wie
ihre hohe Bedeutung es verlangt, mögen hier erst verschiedene an-
dere Ereignisse von mehr untergeordneter Tragweite aus der Zeit der
drei ersten Shogune des Hauses Tokugawa erwähnt werden.

Die plötzliche Zurückberufung der japanischen Armee beim Tode
des Hideyoshi hatte eine Regelung der Beziehungen zu Korea und
und China verhindert. Noch weilte das Heer der Ming auf der korea-
nischen Halbinsel als eine schwere Bürde für ihre Bewohner. Als
daher Iyeyasu durch So Yoshitomo, den Herrn von Tsushima, dem
König von Korea Friedensanträge machen liess, kamen dieselben sehr
willkommen. Man sandte in Begleitung des Yoshitomo einen Bevoll-
mächtigten nach Kioto, mit welchem Iyeyasu im Jahre 1605 den
Frieden vereinbarte, welcher von neuem freundlichen Verkehr mit
den westlichen Nachbarn anbahnen sollte und vielen hundert korea-
nischen Kriegsgefangenen die Rückkehr in ihre Heimath gestattete.
Auch mit China wurden neue Verbindungen angeknüpft.

In diese Zeit fällt auch die Ankunft der ersten Holländer und
Engländer, um mit Japan in Handelsverbindung zu treten. Sie wur-
den von Iyeyasu freundlich empfangen, gründlich ausgefragt, natür-
lich auch nach dem Charakter der Namban (Portugiesen und Spanier),
ihrem Christenthume und den Jesuiten, und waren dann ohne Zweifel
von grossem Einfluss auf die Entschlüsse und Massregeln, die bald
gegen die Bekenner des Evangeliums gefasst wurden.

Im Jahre 1605, und zwar bald nach dem Frieden mit Korea,
übertrug Iyeyasu seinem Sohne Hidetada das Shogunat und zog sich
nach dem von ihm erbauten Schlosse zu Sumpu (Shidzuoka) in der
Provinz Hiuga zurück, um hier ungestörter zusammen mit einigen
gelehrten Räthen der Ausarbeitung der nach ihm benannten Gesetze *)
obliegen zu können. Doch blieb er bis zu seinem Tode im Jahre
1616 die Seele der Regierung, so dass sein Sohn wenig Belangreiches
ohne sein Wissen und seinen Rath unternahm. Im herrlichen Tempel-
haine zu Nikko, den er sich zum Begräbnissplatz auserwählt hatte,
wurde ein Jahr nach seinem Tode seine Leiche mit grossen Feier-
lichkeiten beigesetzt. Der Mikado hatte ihn unter die Götter versetzt
mit dem posthumen Titel Sho-ichi-i Tosho Dai-gongen, d. h. "Hoheit

*) Als Mitarbeiter und Rathgeber bei Abfassung dieser "Gesetze des Iyeyasu"
werden genannt: der Kuwambaku Nijo Akizane, ferner die Gelehrten Fujiwara
Susumu und Hayashi Nobukatsu, die durch ihre Bekanntschaft mit den Schriften
des Confucius und anderer chinesischer Philosophen von grossem Einfluss waren.

I. Geschichte des japanischen Volkes.
die verschiedenen Classen der japanischen Gesellschaft fortan zu leben
hatten. Bevor wir jedoch diese Dinge eingehender besprechen, wie
ihre hohe Bedeutung es verlangt, mögen hier erst verschiedene an-
dere Ereignisse von mehr untergeordneter Tragweite aus der Zeit der
drei ersten Shôgune des Hauses Tokugawa erwähnt werden.

Die plötzliche Zurückberufung der japanischen Armee beim Tode
des Hideyoshi hatte eine Regelung der Beziehungen zu Korea und
und China verhindert. Noch weilte das Heer der Ming auf der korea-
nischen Halbinsel als eine schwere Bürde für ihre Bewohner. Als
daher Iyeyasu durch Sô Yoshitomo, den Herrn von Tsushima, dem
König von Korea Friedensanträge machen liess, kamen dieselben sehr
willkommen. Man sandte in Begleitung des Yoshitomo einen Bevoll-
mächtigten nach Kiôto, mit welchem Iyeyasu im Jahre 1605 den
Frieden vereinbarte, welcher von neuem freundlichen Verkehr mit
den westlichen Nachbarn anbahnen sollte und vielen hundert korea-
nischen Kriegsgefangenen die Rückkehr in ihre Heimath gestattete.
Auch mit China wurden neue Verbindungen angeknüpft.

In diese Zeit fällt auch die Ankunft der ersten Holländer und
Engländer, um mit Japan in Handelsverbindung zu treten. Sie wur-
den von Iyeyasu freundlich empfangen, gründlich ausgefragt, natür-
lich auch nach dem Charakter der Namban (Portugiesen und Spanier),
ihrem Christenthume und den Jesuiten, und waren dann ohne Zweifel
von grossem Einfluss auf die Entschlüsse und Massregeln, die bald
gegen die Bekenner des Evangeliums gefasst wurden.

Im Jahre 1605, und zwar bald nach dem Frieden mit Korea,
übertrug Iyeyasu seinem Sohne Hidetada das Shôgunat und zog sich
nach dem von ihm erbauten Schlosse zu Sumpu (Shidzuoka) in der
Provinz Hiuga zurück, um hier ungestörter zusammen mit einigen
gelehrten Räthen der Ausarbeitung der nach ihm benannten Gesetze *)
obliegen zu können. Doch blieb er bis zu seinem Tode im Jahre
1616 die Seele der Regierung, so dass sein Sohn wenig Belangreiches
ohne sein Wissen und seinen Rath unternahm. Im herrlichen Tempel-
haine zu Nikkô, den er sich zum Begräbnissplatz auserwählt hatte,
wurde ein Jahr nach seinem Tode seine Leiche mit grossen Feier-
lichkeiten beigesetzt. Der Mikado hatte ihn unter die Götter versetzt
mit dem posthumen Titel Shô-ichi-i Tôshô Dai-gongen, d. h. »Hoheit

*) Als Mitarbeiter und Rathgeber bei Abfassung dieser »Gesetze des Iyeyasu«
werden genannt: der Kuwambaku Nijô Akizane, ferner die Gelehrten Fujiwara
Susumu und Hayashi Nobukatsu, die durch ihre Bekanntschaft mit den Schriften
des Confucius und anderer chinesischer Philosophen von grossem Einfluss waren.
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[348/0374] I. Geschichte des japanischen Volkes. die verschiedenen Classen der japanischen Gesellschaft fortan zu leben hatten. Bevor wir jedoch diese Dinge eingehender besprechen, wie ihre hohe Bedeutung es verlangt, mögen hier erst verschiedene an- dere Ereignisse von mehr untergeordneter Tragweite aus der Zeit der drei ersten Shôgune des Hauses Tokugawa erwähnt werden. Die plötzliche Zurückberufung der japanischen Armee beim Tode des Hideyoshi hatte eine Regelung der Beziehungen zu Korea und und China verhindert. Noch weilte das Heer der Ming auf der korea- nischen Halbinsel als eine schwere Bürde für ihre Bewohner. Als daher Iyeyasu durch Sô Yoshitomo, den Herrn von Tsushima, dem König von Korea Friedensanträge machen liess, kamen dieselben sehr willkommen. Man sandte in Begleitung des Yoshitomo einen Bevoll- mächtigten nach Kiôto, mit welchem Iyeyasu im Jahre 1605 den Frieden vereinbarte, welcher von neuem freundlichen Verkehr mit den westlichen Nachbarn anbahnen sollte und vielen hundert korea- nischen Kriegsgefangenen die Rückkehr in ihre Heimath gestattete. Auch mit China wurden neue Verbindungen angeknüpft. In diese Zeit fällt auch die Ankunft der ersten Holländer und Engländer, um mit Japan in Handelsverbindung zu treten. Sie wur- den von Iyeyasu freundlich empfangen, gründlich ausgefragt, natür- lich auch nach dem Charakter der Namban (Portugiesen und Spanier), ihrem Christenthume und den Jesuiten, und waren dann ohne Zweifel von grossem Einfluss auf die Entschlüsse und Massregeln, die bald gegen die Bekenner des Evangeliums gefasst wurden. Im Jahre 1605, und zwar bald nach dem Frieden mit Korea, übertrug Iyeyasu seinem Sohne Hidetada das Shôgunat und zog sich nach dem von ihm erbauten Schlosse zu Sumpu (Shidzuoka) in der Provinz Hiuga zurück, um hier ungestörter zusammen mit einigen gelehrten Räthen der Ausarbeitung der nach ihm benannten Gesetze *) obliegen zu können. Doch blieb er bis zu seinem Tode im Jahre 1616 die Seele der Regierung, so dass sein Sohn wenig Belangreiches ohne sein Wissen und seinen Rath unternahm. Im herrlichen Tempel- haine zu Nikkô, den er sich zum Begräbnissplatz auserwählt hatte, wurde ein Jahr nach seinem Tode seine Leiche mit grossen Feier- lichkeiten beigesetzt. Der Mikado hatte ihn unter die Götter versetzt mit dem posthumen Titel Shô-ichi-i Tôshô Dai-gongen, d. h. »Hoheit *) Als Mitarbeiter und Rathgeber bei Abfassung dieser »Gesetze des Iyeyasu« werden genannt: der Kuwambaku Nijô Akizane, ferner die Gelehrten Fujiwara Susumu und Hayashi Nobukatsu, die durch ihre Bekanntschaft mit den Schriften des Confucius und anderer chinesischer Philosophen von grossem Einfluss waren.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/374>, abgerufen am 18.04.2024.