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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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6. Periode. Das Shogunat der Tokugawa etc.
einerseits und Vorrechten anderseits, dass das Bewusstsein ihrer Ab-
hängigkeit von seinem Hause nie schwinden konnte. Durch diese
eigenthümliche Verquickung der Interessen des Hauses Tokugawa mit
denen seiner Vasallen schuf Iyeyasu sich eine Macht, stark genug
sowohl dem Mikado als auch den alten Fürstenhäusern gegenüber.
Er und sein Enkel Iyeyasu schmiedeten hier das Eisen, so lange es
warm und biegsam war. Die demüthigenden Fesseln, welche er
alten, stolzen Geschlechtern, wie den Häusern Satsuma, Choshiu und
vielen anderen anlegte, mussten ruhig ertragen werden, weil der
Einzelne der Gesammtmacht gegenüber ohnmächtig war und die Um-
grenzung seines Gebietes durch die Besitzthümer anderer Daimios,
welche von den Tokugawa abhingen, sowie das ausgebildete Spionage-
system eine Verständigung und ein Zusammengehen mit anderen un-
zufriedenen Fürsten nicht zuliessen.

Als das mächtige und stolze Haus Shimadzu von Satsuma sich
vor Iyeyasu gebeugt hatte, fand es dieser in seinem Interesse, dem-
selben nicht blos seine bisherige Herrschaft zu lassen, sondern noch
vermehren zu helfen, indem er im Jahre 1609 Shimadzu Yoshihisa
beauftragte, das Fürstenthum der Riukiu-Inseln zu unterwerfen, und
dasselbe, nachdem solches geschehen war, Satsuma zutheilte. Auch
wurde der Daimio von Satsuma zum Kiushiu-Tandai (Vicekönig von
Kiushiu) ernannt und bestimmt, dass er dies Amt, die Führerschaft
unter den Daimio der Insel, abwechselnd mit Nabeshima, dem Daimio
von Saga (Hizen), jedes zweite Jahr ausübe. Aber zwischen diese
beiden einflussreichsten Häuser setzte Iyeyasu eine Anzahl grösserer
und kleinerer Barone seiner Schöpfung, um ihre Macht in Schranken
zu halten. So wissen wir bereits, wie er nach Konishi's Tode dessen
schöne und reiche Provinz Higo dem Kato Kiyomasa zu Lehen gab,
dann 1621 den Hosokawa, einem Hause, das stark genug war, um
seinem südlichen Nachbar zu opponieren und dies in der Folgezeit oft
genug that. Bungo, die frühere Herrschaft des Otomo, war zerstückelt;
dem reducierten Gebiete des Hauses Mori in Choshiu wurden südlich
der wichtigen Strasse von Shimonoseki zwei eifersüchtige Rivalen
entgegengestellt, die Häuser Ogasawara in Buzen und Kuroda in
Chikuzen, welche zugleich die nördliche Nachbarschaft von Hizen
bildeten. Dasselbe ingeniöse System wurde auch auf den übrigen
grossen Inseln durchgeführt. So erhielt das loyale Haus Ii das reiche
Erbe des Ishida Mitsunari, die Herrschaft Hikone in Omi, und wurde
damit zu einem zuverlässigen Vorposten von Kioto. Ebenso wurde
die schöne Landschaft Aidzu der alten Familie Uyesugi, die sich
fortan mit Yonezawa im Norden derselben begnügen musste, genommen

6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.
einerseits und Vorrechten anderseits, dass das Bewusstsein ihrer Ab-
hängigkeit von seinem Hause nie schwinden konnte. Durch diese
eigenthümliche Verquickung der Interessen des Hauses Tokugawa mit
denen seiner Vasallen schuf Iyeyasu sich eine Macht, stark genug
sowohl dem Mikado als auch den alten Fürstenhäusern gegenüber.
Er und sein Enkel Iyeyasu schmiedeten hier das Eisen, so lange es
warm und biegsam war. Die demüthigenden Fesseln, welche er
alten, stolzen Geschlechtern, wie den Häusern Satsuma, Chôshiu und
vielen anderen anlegte, mussten ruhig ertragen werden, weil der
Einzelne der Gesammtmacht gegenüber ohnmächtig war und die Um-
grenzung seines Gebietes durch die Besitzthümer anderer Daimios,
welche von den Tokugawa abhingen, sowie das ausgebildete Spionage-
system eine Verständigung und ein Zusammengehen mit anderen un-
zufriedenen Fürsten nicht zuliessen.

Als das mächtige und stolze Haus Shimadzu von Satsuma sich
vor Iyeyasu gebeugt hatte, fand es dieser in seinem Interesse, dem-
selben nicht blos seine bisherige Herrschaft zu lassen, sondern noch
vermehren zu helfen, indem er im Jahre 1609 Shimadzu Yoshihisa
beauftragte, das Fürstenthum der Riukiu-Inseln zu unterwerfen, und
dasselbe, nachdem solches geschehen war, Satsuma zutheilte. Auch
wurde der Daimio von Satsuma zum Kiushiu-Tandai (Vicekönig von
Kiushiu) ernannt und bestimmt, dass er dies Amt, die Führerschaft
unter den Daimio der Insel, abwechselnd mit Nabeshima, dem Daimio
von Saga (Hizen), jedes zweite Jahr ausübe. Aber zwischen diese
beiden einflussreichsten Häuser setzte Iyeyasu eine Anzahl grösserer
und kleinerer Barone seiner Schöpfung, um ihre Macht in Schranken
zu halten. So wissen wir bereits, wie er nach Konishi’s Tode dessen
schöne und reiche Provinz Higo dem Katô Kiyomasa zu Lehen gab,
dann 1621 den Hosokawa, einem Hause, das stark genug war, um
seinem südlichen Nachbar zu opponieren und dies in der Folgezeit oft
genug that. Bungo, die frühere Herrschaft des Ôtomo, war zerstückelt;
dem reducierten Gebiete des Hauses Môri in Chôshiu wurden südlich
der wichtigen Strasse von Shimonoseki zwei eifersüchtige Rivalen
entgegengestellt, die Häuser Ogasawara in Buzen und Kuroda in
Chikuzen, welche zugleich die nördliche Nachbarschaft von Hizen
bildeten. Dasselbe ingeniöse System wurde auch auf den übrigen
grossen Inseln durchgeführt. So erhielt das loyale Haus Ii das reiche
Erbe des Ishida Mitsunari, die Herrschaft Hikone in Ômi, und wurde
damit zu einem zuverlässigen Vorposten von Kiôto. Ebenso wurde
die schöne Landschaft Aidzu der alten Familie Uyesugi, die sich
fortan mit Yonezawa im Norden derselben begnügen musste, genommen

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[361/0387] 6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc. einerseits und Vorrechten anderseits, dass das Bewusstsein ihrer Ab- hängigkeit von seinem Hause nie schwinden konnte. Durch diese eigenthümliche Verquickung der Interessen des Hauses Tokugawa mit denen seiner Vasallen schuf Iyeyasu sich eine Macht, stark genug sowohl dem Mikado als auch den alten Fürstenhäusern gegenüber. Er und sein Enkel Iyeyasu schmiedeten hier das Eisen, so lange es warm und biegsam war. Die demüthigenden Fesseln, welche er alten, stolzen Geschlechtern, wie den Häusern Satsuma, Chôshiu und vielen anderen anlegte, mussten ruhig ertragen werden, weil der Einzelne der Gesammtmacht gegenüber ohnmächtig war und die Um- grenzung seines Gebietes durch die Besitzthümer anderer Daimios, welche von den Tokugawa abhingen, sowie das ausgebildete Spionage- system eine Verständigung und ein Zusammengehen mit anderen un- zufriedenen Fürsten nicht zuliessen. Als das mächtige und stolze Haus Shimadzu von Satsuma sich vor Iyeyasu gebeugt hatte, fand es dieser in seinem Interesse, dem- selben nicht blos seine bisherige Herrschaft zu lassen, sondern noch vermehren zu helfen, indem er im Jahre 1609 Shimadzu Yoshihisa beauftragte, das Fürstenthum der Riukiu-Inseln zu unterwerfen, und dasselbe, nachdem solches geschehen war, Satsuma zutheilte. Auch wurde der Daimio von Satsuma zum Kiushiu-Tandai (Vicekönig von Kiushiu) ernannt und bestimmt, dass er dies Amt, die Führerschaft unter den Daimio der Insel, abwechselnd mit Nabeshima, dem Daimio von Saga (Hizen), jedes zweite Jahr ausübe. Aber zwischen diese beiden einflussreichsten Häuser setzte Iyeyasu eine Anzahl grösserer und kleinerer Barone seiner Schöpfung, um ihre Macht in Schranken zu halten. So wissen wir bereits, wie er nach Konishi’s Tode dessen schöne und reiche Provinz Higo dem Katô Kiyomasa zu Lehen gab, dann 1621 den Hosokawa, einem Hause, das stark genug war, um seinem südlichen Nachbar zu opponieren und dies in der Folgezeit oft genug that. Bungo, die frühere Herrschaft des Ôtomo, war zerstückelt; dem reducierten Gebiete des Hauses Môri in Chôshiu wurden südlich der wichtigen Strasse von Shimonoseki zwei eifersüchtige Rivalen entgegengestellt, die Häuser Ogasawara in Buzen und Kuroda in Chikuzen, welche zugleich die nördliche Nachbarschaft von Hizen bildeten. Dasselbe ingeniöse System wurde auch auf den übrigen grossen Inseln durchgeführt. So erhielt das loyale Haus Ii das reiche Erbe des Ishida Mitsunari, die Herrschaft Hikone in Ômi, und wurde damit zu einem zuverlässigen Vorposten von Kiôto. Ebenso wurde die schöne Landschaft Aidzu der alten Familie Uyesugi, die sich fortan mit Yonezawa im Norden derselben begnügen musste, genommen

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/387>, abgerufen am 19.04.2024.