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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.
auch den Gegner behandelte er milde und duldete nicht, dass der
friedliche Mann unterdrückt oder seiner Habe beraubt wurde. Zur
Zeit der Restauration nannte man ihn das Herz und Schwert der
Sache des Mikado, während man seinen Freund Kido als Kopf und
Feder derselben ansah. Beide verlor das Land im nämlichen Jahre.
Aber während Kido im Mai zu Kioto auf dem Krankenbette starb,
noch im Tode hochgeehrt wurde und einen makellosen Namen hinter-
liess, folgte Saigo einem Phantom und ging als Rebell dahin.

Mit den 42500 Personen, welche der Rebellion angeklagt waren,
verfuhr man gnädig, entliess 39632 unbestraft und verurteilte nur
20 der übrigen zum Tode, eine Milde, welche dem allgemeinen
Wunsche des Landes Rechnung trug. Am Niederwerfen des Auf-
standes waren nicht weniger als 65000 Mann, Truppen und Polizei,
betheiligt gewesen, mit einem Verlust von 6400 Todten und 10500
Verwundeten. Die Rebellen brachten 40000 Bewaffnete auf, davon
wurden 7000 getödtet und 11000 verwundet. Abgesehen von diesem
grossen Verluste an Menschen, den vielen eingeäscherten Ortschaften
und verwüsteten Feldern, sowie den Geldopfern, welche die Insur-
genten ihrer Sache brachten, kostete der Aufstand die Regierung
laut amtlichem Nachweise die Summe von 42 Millionen yen oder
176 Millionen Mark, so dass in finanzieller Hinsicht seine Nachwirkung
wohl am längsten noch gefühlt werden wird. Die Regierung ver-
säumte nach diesem Aufstande nicht, Satsuma alle Sonderstellung zu
nehmen und dasselbe fester dem Reiche anzuschliessen. Sie darf
wohl sicher sein, dass eine Nachahmung dieser Rebellion nicht ver-
sucht wird, und kann dieselbe als das letzte Zucken des geschie-
denen Feudalismus ansehen. Doch fehlte es nicht an Nachwehen
verschiedener Art, welche dieses grosse Ereigniss hatte. Hierzu sind
namentlich eine Meuterei in einer Artilleriekaserne in Tokio, deren
Bewohner sich wegen ungenügender Auszeichnung gekränkt fühlten,
die Cholera von 1879, welche 100000 Menschen dahin raffe, und
die Ermordung Okubo's am 14. Mai 1878 zu rechnen. Dieser talent-
und verdienstvolle Minister des Innern galt als einer der grössten
Gegner liberaler Reformen, für welche er das Volk noch nicht reif
hielt, und Saigo's, für dessen Schicksal so grosse Sympathie herrschte.
Er stand bei Vielen in dem wahrscheinlich unbegründeten Verdacht,
vor Ausbruch des grossen Aufstandes Polizisten nach Satsuma gesandt
und ihnen die Ermordung Saigo's und seiner Freunde nahe gelegt
zu haben, wodurch diese erst zur Empörung getrieben worden seien.
Auf seiner Fahrt zum kaiserlichen Schlosse stürzten am genannten
Tage, als die Kutsche einen wenig betretenen Hohlweg passierte,

Rein, Japan I. 28

7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.
auch den Gegner behandelte er milde und duldete nicht, dass der
friedliche Mann unterdrückt oder seiner Habe beraubt wurde. Zur
Zeit der Restauration nannte man ihn das Herz und Schwert der
Sache des Mikado, während man seinen Freund Kido als Kopf und
Feder derselben ansah. Beide verlor das Land im nämlichen Jahre.
Aber während Kido im Mai zu Kiôto auf dem Krankenbette starb,
noch im Tode hochgeehrt wurde und einen makellosen Namen hinter-
liess, folgte Saigô einem Phantom und ging als Rebell dahin.

Mit den 42500 Personen, welche der Rebellion angeklagt waren,
verfuhr man gnädig, entliess 39632 unbestraft und verurteilte nur
20 der übrigen zum Tode, eine Milde, welche dem allgemeinen
Wunsche des Landes Rechnung trug. Am Niederwerfen des Auf-
standes waren nicht weniger als 65000 Mann, Truppen und Polizei,
betheiligt gewesen, mit einem Verlust von 6400 Todten und 10500
Verwundeten. Die Rebellen brachten 40000 Bewaffnete auf, davon
wurden 7000 getödtet und 11000 verwundet. Abgesehen von diesem
grossen Verluste an Menschen, den vielen eingeäscherten Ortschaften
und verwüsteten Feldern, sowie den Geldopfern, welche die Insur-
genten ihrer Sache brachten, kostete der Aufstand die Regierung
laut amtlichem Nachweise die Summe von 42 Millionen yen oder
176 Millionen Mark, so dass in finanzieller Hinsicht seine Nachwirkung
wohl am längsten noch gefühlt werden wird. Die Regierung ver-
säumte nach diesem Aufstande nicht, Satsuma alle Sonderstellung zu
nehmen und dasselbe fester dem Reiche anzuschliessen. Sie darf
wohl sicher sein, dass eine Nachahmung dieser Rebellion nicht ver-
sucht wird, und kann dieselbe als das letzte Zucken des geschie-
denen Feudalismus ansehen. Doch fehlte es nicht an Nachwehen
verschiedener Art, welche dieses grosse Ereigniss hatte. Hierzu sind
namentlich eine Meuterei in einer Artilleriekaserne in Tôkio, deren
Bewohner sich wegen ungenügender Auszeichnung gekränkt fühlten,
die Cholera von 1879, welche 100000 Menschen dahin raffe, und
die Ermordung Ôkubo’s am 14. Mai 1878 zu rechnen. Dieser talent-
und verdienstvolle Minister des Innern galt als einer der grössten
Gegner liberaler Reformen, für welche er das Volk noch nicht reif
hielt, und Saigô’s, für dessen Schicksal so grosse Sympathie herrschte.
Er stand bei Vielen in dem wahrscheinlich unbegründeten Verdacht,
vor Ausbruch des grossen Aufstandes Polizisten nach Satsuma gesandt
und ihnen die Ermordung Saigô’s und seiner Freunde nahe gelegt
zu haben, wodurch diese erst zur Empörung getrieben worden seien.
Auf seiner Fahrt zum kaiserlichen Schlosse stürzten am genannten
Tage, als die Kutsche einen wenig betretenen Hohlweg passierte,

Rein, Japan I. 28
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[433/0461] 7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854. auch den Gegner behandelte er milde und duldete nicht, dass der friedliche Mann unterdrückt oder seiner Habe beraubt wurde. Zur Zeit der Restauration nannte man ihn das Herz und Schwert der Sache des Mikado, während man seinen Freund Kido als Kopf und Feder derselben ansah. Beide verlor das Land im nämlichen Jahre. Aber während Kido im Mai zu Kiôto auf dem Krankenbette starb, noch im Tode hochgeehrt wurde und einen makellosen Namen hinter- liess, folgte Saigô einem Phantom und ging als Rebell dahin. Mit den 42500 Personen, welche der Rebellion angeklagt waren, verfuhr man gnädig, entliess 39632 unbestraft und verurteilte nur 20 der übrigen zum Tode, eine Milde, welche dem allgemeinen Wunsche des Landes Rechnung trug. Am Niederwerfen des Auf- standes waren nicht weniger als 65000 Mann, Truppen und Polizei, betheiligt gewesen, mit einem Verlust von 6400 Todten und 10500 Verwundeten. Die Rebellen brachten 40000 Bewaffnete auf, davon wurden 7000 getödtet und 11000 verwundet. Abgesehen von diesem grossen Verluste an Menschen, den vielen eingeäscherten Ortschaften und verwüsteten Feldern, sowie den Geldopfern, welche die Insur- genten ihrer Sache brachten, kostete der Aufstand die Regierung laut amtlichem Nachweise die Summe von 42 Millionen yen oder 176 Millionen Mark, so dass in finanzieller Hinsicht seine Nachwirkung wohl am längsten noch gefühlt werden wird. Die Regierung ver- säumte nach diesem Aufstande nicht, Satsuma alle Sonderstellung zu nehmen und dasselbe fester dem Reiche anzuschliessen. Sie darf wohl sicher sein, dass eine Nachahmung dieser Rebellion nicht ver- sucht wird, und kann dieselbe als das letzte Zucken des geschie- denen Feudalismus ansehen. Doch fehlte es nicht an Nachwehen verschiedener Art, welche dieses grosse Ereigniss hatte. Hierzu sind namentlich eine Meuterei in einer Artilleriekaserne in Tôkio, deren Bewohner sich wegen ungenügender Auszeichnung gekränkt fühlten, die Cholera von 1879, welche 100000 Menschen dahin raffe, und die Ermordung Ôkubo’s am 14. Mai 1878 zu rechnen. Dieser talent- und verdienstvolle Minister des Innern galt als einer der grössten Gegner liberaler Reformen, für welche er das Volk noch nicht reif hielt, und Saigô’s, für dessen Schicksal so grosse Sympathie herrschte. Er stand bei Vielen in dem wahrscheinlich unbegründeten Verdacht, vor Ausbruch des grossen Aufstandes Polizisten nach Satsuma gesandt und ihnen die Ermordung Saigô’s und seiner Freunde nahe gelegt zu haben, wodurch diese erst zur Empörung getrieben worden seien. Auf seiner Fahrt zum kaiserlichen Schlosse stürzten am genannten Tage, als die Kutsche einen wenig betretenen Hohlweg passierte, Rein, Japan I. 28

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/461>, abgerufen am 28.03.2024.