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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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II. Ethnographie.
grunde, stehen! Hier möge nur eines derselben in möglichster Kürze
Platz finden:

"Urashima Taro rettete einer Schildkröte das Leben und entliess
dieselbe ins Meer, wo sie sehr gross wurde. Als er nach vielen
Jahren Schiffbruch erlitt und mit den Wellen um sein Leben rang,
erkannte ihn jene Schildkröte, nahm ihn aus Dankbarkeit auf ihren
Rücken und trug ihn nach Riugu-jo zu Oto-Hime-Sama, welche ihn
sehr lieb gewann und ihm ein glückliches Leben bereitete. Doch
zog es ihn nach der Oberwelt zurück, der er noch einmal einen
kurzen Besuch abstatten wollte. Die Königin gibt endlich seinem
vielen Bitten nach und entlässt ihn nach oben mit einem Kästchen,
das er um keinen Preis öffnen soll. An das Land gekommen, findet
er sich auffallend jung, doch in einer ihm fremden Welt. Die Neu-
gierde lässt ihm keine Ruhe, er öffnet das Kästchen und bricht damit
den Zauber. Nach dreihundertjähriger Abwesenheit ist er als uralter
Mann wieder in seiner alten Heimath und ohne die Mittel, zu seiner
Königin zurückzukehren".


3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner. Bäder,
Cosmetica, Tätowierung. Feuersbrünste. Stimulanten.

Die Kleidung der Japaner ist so oft beschrieben und abge-
bildet worden, dass wir uns bei ihrer Besprechung kurz fassen können.
Sie wird aus Hanf-, Baumwoll- oder Seidengewebe verfertigt, zu
denen erst in der Neuzeit auch Leinwand und Wollstoffe getreten
sind. Mit Ausnahme des Schuhwerkes ist sie leicht, gefällig und im
allgemeinen zweckentsprechend. In den Hauptzügen war und ist sie
bei allen Ständen und durch das ganze japanische Reich dieselbe
und nur im Detail hatte man, sowohl bezüglich des Materials als auch
namentlich im Schnitt, die feststehenden Rangunterschiede der grossen
Gesellschaftsklassen genau zu beachten.

Der kimono, ein langer, vorn offener Rock, ist bei beiden Ge-
schlechtern das Hauptkleid und nur nach der Länge, dem Schnitt
und der Wahl des Stoffes verschieden. Ein mehr oder weniger breiter
Gürtel, der obi, befestigt denselben am Leibe. Er ist aus Baum-
wolle oder Seide besonders gewoben und bildet bei Männern einen
einfachen Zeugstreifen, den sie mehrmals um die Lenden winden.

II. Ethnographie.
grunde, stehen! Hier möge nur eines derselben in möglichster Kürze
Platz finden:

»Urashima Taro rettete einer Schildkröte das Leben und entliess
dieselbe ins Meer, wo sie sehr gross wurde. Als er nach vielen
Jahren Schiffbruch erlitt und mit den Wellen um sein Leben rang,
erkannte ihn jene Schildkröte, nahm ihn aus Dankbarkeit auf ihren
Rücken und trug ihn nach Riugu-jô zu Oto-Hime-Sama, welche ihn
sehr lieb gewann und ihm ein glückliches Leben bereitete. Doch
zog es ihn nach der Oberwelt zurück, der er noch einmal einen
kurzen Besuch abstatten wollte. Die Königin gibt endlich seinem
vielen Bitten nach und entlässt ihn nach oben mit einem Kästchen,
das er um keinen Preis öffnen soll. An das Land gekommen, findet
er sich auffallend jung, doch in einer ihm fremden Welt. Die Neu-
gierde lässt ihm keine Ruhe, er öffnet das Kästchen und bricht damit
den Zauber. Nach dreihundertjähriger Abwesenheit ist er als uralter
Mann wieder in seiner alten Heimath und ohne die Mittel, zu seiner
Königin zurückzukehren«.


3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner. Bäder,
Cosmetica, Tätowierung. Feuersbrünste. Stimulanten.

Die Kleidung der Japaner ist so oft beschrieben und abge-
bildet worden, dass wir uns bei ihrer Besprechung kurz fassen können.
Sie wird aus Hanf-, Baumwoll- oder Seidengewebe verfertigt, zu
denen erst in der Neuzeit auch Leinwand und Wollstoffe getreten
sind. Mit Ausnahme des Schuhwerkes ist sie leicht, gefällig und im
allgemeinen zweckentsprechend. In den Hauptzügen war und ist sie
bei allen Ständen und durch das ganze japanische Reich dieselbe
und nur im Detail hatte man, sowohl bezüglich des Materials als auch
namentlich im Schnitt, die feststehenden Rangunterschiede der grossen
Gesellschaftsklassen genau zu beachten.

Der kimono, ein langer, vorn offener Rock, ist bei beiden Ge-
schlechtern das Hauptkleid und nur nach der Länge, dem Schnitt
und der Wahl des Stoffes verschieden. Ein mehr oder weniger breiter
Gürtel, der obi, befestigt denselben am Leibe. Er ist aus Baum-
wolle oder Seide besonders gewoben und bildet bei Männern einen
einfachen Zeugstreifen, den sie mehrmals um die Lenden winden.

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[472/0506] II. Ethnographie. grunde, stehen! Hier möge nur eines derselben in möglichster Kürze Platz finden: »Urashima Taro rettete einer Schildkröte das Leben und entliess dieselbe ins Meer, wo sie sehr gross wurde. Als er nach vielen Jahren Schiffbruch erlitt und mit den Wellen um sein Leben rang, erkannte ihn jene Schildkröte, nahm ihn aus Dankbarkeit auf ihren Rücken und trug ihn nach Riugu-jô zu Oto-Hime-Sama, welche ihn sehr lieb gewann und ihm ein glückliches Leben bereitete. Doch zog es ihn nach der Oberwelt zurück, der er noch einmal einen kurzen Besuch abstatten wollte. Die Königin gibt endlich seinem vielen Bitten nach und entlässt ihn nach oben mit einem Kästchen, das er um keinen Preis öffnen soll. An das Land gekommen, findet er sich auffallend jung, doch in einer ihm fremden Welt. Die Neu- gierde lässt ihm keine Ruhe, er öffnet das Kästchen und bricht damit den Zauber. Nach dreihundertjähriger Abwesenheit ist er als uralter Mann wieder in seiner alten Heimath und ohne die Mittel, zu seiner Königin zurückzukehren«. 3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner. Bäder, Cosmetica, Tätowierung. Feuersbrünste. Stimulanten. Die Kleidung der Japaner ist so oft beschrieben und abge- bildet worden, dass wir uns bei ihrer Besprechung kurz fassen können. Sie wird aus Hanf-, Baumwoll- oder Seidengewebe verfertigt, zu denen erst in der Neuzeit auch Leinwand und Wollstoffe getreten sind. Mit Ausnahme des Schuhwerkes ist sie leicht, gefällig und im allgemeinen zweckentsprechend. In den Hauptzügen war und ist sie bei allen Ständen und durch das ganze japanische Reich dieselbe und nur im Detail hatte man, sowohl bezüglich des Materials als auch namentlich im Schnitt, die feststehenden Rangunterschiede der grossen Gesellschaftsklassen genau zu beachten. Der kimono, ein langer, vorn offener Rock, ist bei beiden Ge- schlechtern das Hauptkleid und nur nach der Länge, dem Schnitt und der Wahl des Stoffes verschieden. Ein mehr oder weniger breiter Gürtel, der obi, befestigt denselben am Leibe. Er ist aus Baum- wolle oder Seide besonders gewoben und bildet bei Männern einen einfachen Zeugstreifen, den sie mehrmals um die Lenden winden.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/506>, abgerufen am 23.04.2024.