Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Geologische Verhältnisse.
vielmehr auf einen Ursprung in gleicher Tiefe, wahrscheinlich im
krystallinischen Urgebirge hin, während die heissen Schwefelquellen
vorherrschend in vulkanischen Districten, vornehmlich am Fusse oder
an den Böschungen junger ruhender Vulkane vorkommen. In ihrem
Brodeln und Zischen und den aufsteigenden, mit Schwefelwasserstoff
durchdrungenen Dämpfen, sowie nach ihren zerstörenden Wirkungen
auf Gestein und Pflanzenwuchs ringsum sind sie ein schwacher Nach-
klang der Thätigkeit in den Krateren. Als O-jinoku und Ko-jinoku,
kleine und grosse Hölle, werden viele dieser zahlreichen Solfataren
bezeichnet und viel zum Baden, namentlich gegen syphilitische Leiden,
benutzt. Ausserdem sind sie wichtige Schwefellieferanten des Landes;
denn es unterliegt keinem Zweifel, dass der meiste Schwefel sich aus
Schwefelwasserstoff solcher Solfataren absetzte. Nur wenige der be-
rühmtesten Solfataren und Schwefelbäder Japans mögen hier Erwäh-
nung finden:

Yumoto im Gebirge von Nikko liegt 1537 Meter hoch in einer
kleinen Mulde am Fusse des Shirane-yama. Es ist ein altmodisch
gebauter Ort mit nur 10 Häusern, deren Bewohner sich durch die
mächtigen Schwefelthermen nähren, welche im Sommer viele Kranke
anziehen. Es hat 12 verschiedene Quellen, deren bedeutendste nörd-
lich vom Orte eine Temperatur von 69°C. aufweist. Der Geruch der
Schwefelwasserstoffdämpfe erfüllt weithin die Luft, und das Wasser einen
grossen Teich, dessen milchige Farbe schon aus der Ferne auffällt.

Kusatsu, starke, viel besuchte Schwefelthermen in Adzuma-gori,
(Joshiu) 46 ri (24 g. M.) NW. von Tokio auf der Nordseite des Shirane-
san. Aus Spalten in vulkanischen Breccien treten hier ausserordent-
lich mächtige, bis 70°C. heisse Schwefelquellen auf. Die grossen
hölzernen Bassins, welche das Wasser zunächst auffangen, sind zoll-
dick mit Schwefel incrustiert.

Die Riusan-jita oder heissen Quellen am Fusse des Tate-yama
(Riusan) oder von Tashiwara. Der Teich oberhalb, O-jinoku genannt,
welcher etwa 40 Meter Durchmesser hat, soll eine beständig wallende
Bewegung und starke Dampfentwickelung zeigen und geschmackloses
Wasser von blaugrüner Farbe besitzen, also kein Schwefelwasser.

Die Schwefelthermen von Yamashiro-mura in Kaga haben
70--71° warmes Wasser.

Enoyu am Kirishima-yama, 844 Meter hoch gelegen, gehört zu
den mächtigsten Solfataren, die ich aus eigener Anschauung kenne.
Das Wasser steigt, mit Schwefelwasserstoff beladen und viel Schwefel
ausscheidend, 75° warm aus dem Boden. Man badet an einer Stelle,
wo seine Temperatur noch 44,5°C. beträgt. Die übrigen Solfataren

III. Geologische Verhältnisse.
vielmehr auf einen Ursprung in gleicher Tiefe, wahrscheinlich im
krystallinischen Urgebirge hin, während die heissen Schwefelquellen
vorherrschend in vulkanischen Districten, vornehmlich am Fusse oder
an den Böschungen junger ruhender Vulkane vorkommen. In ihrem
Brodeln und Zischen und den aufsteigenden, mit Schwefelwasserstoff
durchdrungenen Dämpfen, sowie nach ihren zerstörenden Wirkungen
auf Gestein und Pflanzenwuchs ringsum sind sie ein schwacher Nach-
klang der Thätigkeit in den Krateren. Als O-jinoku und Ko-jinoku,
kleine und grosse Hölle, werden viele dieser zahlreichen Solfataren
bezeichnet und viel zum Baden, namentlich gegen syphilitische Leiden,
benutzt. Ausserdem sind sie wichtige Schwefellieferanten des Landes;
denn es unterliegt keinem Zweifel, dass der meiste Schwefel sich aus
Schwefelwasserstoff solcher Solfataren absetzte. Nur wenige der be-
rühmtesten Solfataren und Schwefelbäder Japans mögen hier Erwäh-
nung finden:

Yumoto im Gebirge von Nikkô liegt 1537 Meter hoch in einer
kleinen Mulde am Fusse des Shirane-yama. Es ist ein altmodisch
gebauter Ort mit nur 10 Häusern, deren Bewohner sich durch die
mächtigen Schwefelthermen nähren, welche im Sommer viele Kranke
anziehen. Es hat 12 verschiedene Quellen, deren bedeutendste nörd-
lich vom Orte eine Temperatur von 69°C. aufweist. Der Geruch der
Schwefelwasserstoffdämpfe erfüllt weithin die Luft, und das Wasser einen
grossen Teich, dessen milchige Farbe schon aus der Ferne auffällt.

Kusatsu, starke, viel besuchte Schwefelthermen in Adzuma-gori,
(Jôshiu) 46 ri (24 g. M.) NW. von Tôkio auf der Nordseite des Shirane-
san. Aus Spalten in vulkanischen Breccien treten hier ausserordent-
lich mächtige, bis 70°C. heisse Schwefelquellen auf. Die grossen
hölzernen Bassins, welche das Wasser zunächst auffangen, sind zoll-
dick mit Schwefel incrustiert.

Die Riusan-jita oder heissen Quellen am Fusse des Tate-yama
(Riusan) oder von Tashiwara. Der Teich oberhalb, O-jinoku genannt,
welcher etwa 40 Meter Durchmesser hat, soll eine beständig wallende
Bewegung und starke Dampfentwickelung zeigen und geschmackloses
Wasser von blaugrüner Farbe besitzen, also kein Schwefelwasser.

Die Schwefelthermen von Yamashiro-mura in Kaga haben
70—71° warmes Wasser.

Enoyu am Kirishima-yama, 844 Meter hoch gelegen, gehört zu
den mächtigsten Solfataren, die ich aus eigener Anschauung kenne.
Das Wasser steigt, mit Schwefelwasserstoff beladen und viel Schwefel
ausscheidend, 75° warm aus dem Boden. Man badet an einer Stelle,
wo seine Temperatur noch 44,5°C. beträgt. Die übrigen Solfataren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0074" n="54"/><fw place="top" type="header">III. Geologische Verhältnisse.</fw><lb/>
vielmehr auf einen Ursprung in gleicher Tiefe, wahrscheinlich im<lb/>
krystallinischen Urgebirge hin, während die heissen Schwefelquellen<lb/>
vorherrschend in vulkanischen Districten, vornehmlich am Fusse oder<lb/>
an den Böschungen junger ruhender Vulkane vorkommen. In ihrem<lb/>
Brodeln und Zischen und den aufsteigenden, mit Schwefelwasserstoff<lb/>
durchdrungenen Dämpfen, sowie nach ihren zerstörenden Wirkungen<lb/>
auf Gestein und Pflanzenwuchs ringsum sind sie ein schwacher Nach-<lb/>
klang der Thätigkeit in den Krateren. Als O-jinoku und Ko-jinoku,<lb/>
kleine und grosse Hölle, werden viele dieser zahlreichen Solfataren<lb/>
bezeichnet und viel zum Baden, namentlich gegen syphilitische Leiden,<lb/>
benutzt. Ausserdem sind sie wichtige Schwefellieferanten des Landes;<lb/>
denn es unterliegt keinem Zweifel, dass der meiste Schwefel sich aus<lb/>
Schwefelwasserstoff solcher Solfataren absetzte. Nur wenige der be-<lb/>
rühmtesten Solfataren und Schwefelbäder Japans mögen hier Erwäh-<lb/>
nung finden:</p><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Yumoto</hi> im Gebirge von Nikkô liegt 1537 Meter hoch in einer<lb/>
kleinen Mulde am Fusse des Shirane-yama. Es ist ein altmodisch<lb/>
gebauter Ort mit nur 10 Häusern, deren Bewohner sich durch die<lb/>
mächtigen Schwefelthermen nähren, welche im Sommer viele Kranke<lb/>
anziehen. Es hat 12 verschiedene Quellen, deren bedeutendste nörd-<lb/>
lich vom Orte eine Temperatur von 69°C. aufweist. Der Geruch der<lb/>
Schwefelwasserstoffdämpfe erfüllt weithin die Luft, und das Wasser einen<lb/>
grossen Teich, dessen milchige Farbe schon aus der Ferne auffällt.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Kusatsu</hi>, starke, viel besuchte Schwefelthermen in Adzuma-gori,<lb/>
(Jôshiu) 46 ri (24 g. M.) NW. von Tôkio auf der Nordseite des Shirane-<lb/>
san. Aus Spalten in vulkanischen Breccien treten hier ausserordent-<lb/>
lich mächtige, bis 70°C. heisse Schwefelquellen auf. Die grossen<lb/>
hölzernen Bassins, welche das Wasser zunächst auffangen, sind zoll-<lb/>
dick mit Schwefel incrustiert.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">Riusan-jita</hi> oder heissen Quellen am Fusse des Tate-yama<lb/>
(Riusan) oder von <hi rendition="#g">Tashiwara</hi>. Der Teich oberhalb, O-jinoku genannt,<lb/>
welcher etwa 40 Meter Durchmesser hat, soll eine beständig wallende<lb/>
Bewegung und starke Dampfentwickelung zeigen und geschmackloses<lb/>
Wasser von blaugrüner Farbe besitzen, also kein Schwefelwasser.</p><lb/>
              <p>Die Schwefelthermen von <hi rendition="#g">Yamashiro-mura</hi> in Kaga haben<lb/>
70&#x2014;71° warmes Wasser.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Enoyu</hi> am Kirishima-yama, 844 Meter hoch gelegen, gehört zu<lb/>
den mächtigsten Solfataren, die ich aus eigener Anschauung kenne.<lb/>
Das Wasser steigt, mit Schwefelwasserstoff beladen und viel Schwefel<lb/>
ausscheidend, 75° warm aus dem Boden. Man badet an einer Stelle,<lb/>
wo seine Temperatur noch 44,5°C. beträgt. Die übrigen Solfataren<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0074] III. Geologische Verhältnisse. vielmehr auf einen Ursprung in gleicher Tiefe, wahrscheinlich im krystallinischen Urgebirge hin, während die heissen Schwefelquellen vorherrschend in vulkanischen Districten, vornehmlich am Fusse oder an den Böschungen junger ruhender Vulkane vorkommen. In ihrem Brodeln und Zischen und den aufsteigenden, mit Schwefelwasserstoff durchdrungenen Dämpfen, sowie nach ihren zerstörenden Wirkungen auf Gestein und Pflanzenwuchs ringsum sind sie ein schwacher Nach- klang der Thätigkeit in den Krateren. Als O-jinoku und Ko-jinoku, kleine und grosse Hölle, werden viele dieser zahlreichen Solfataren bezeichnet und viel zum Baden, namentlich gegen syphilitische Leiden, benutzt. Ausserdem sind sie wichtige Schwefellieferanten des Landes; denn es unterliegt keinem Zweifel, dass der meiste Schwefel sich aus Schwefelwasserstoff solcher Solfataren absetzte. Nur wenige der be- rühmtesten Solfataren und Schwefelbäder Japans mögen hier Erwäh- nung finden: Yumoto im Gebirge von Nikkô liegt 1537 Meter hoch in einer kleinen Mulde am Fusse des Shirane-yama. Es ist ein altmodisch gebauter Ort mit nur 10 Häusern, deren Bewohner sich durch die mächtigen Schwefelthermen nähren, welche im Sommer viele Kranke anziehen. Es hat 12 verschiedene Quellen, deren bedeutendste nörd- lich vom Orte eine Temperatur von 69°C. aufweist. Der Geruch der Schwefelwasserstoffdämpfe erfüllt weithin die Luft, und das Wasser einen grossen Teich, dessen milchige Farbe schon aus der Ferne auffällt. Kusatsu, starke, viel besuchte Schwefelthermen in Adzuma-gori, (Jôshiu) 46 ri (24 g. M.) NW. von Tôkio auf der Nordseite des Shirane- san. Aus Spalten in vulkanischen Breccien treten hier ausserordent- lich mächtige, bis 70°C. heisse Schwefelquellen auf. Die grossen hölzernen Bassins, welche das Wasser zunächst auffangen, sind zoll- dick mit Schwefel incrustiert. Die Riusan-jita oder heissen Quellen am Fusse des Tate-yama (Riusan) oder von Tashiwara. Der Teich oberhalb, O-jinoku genannt, welcher etwa 40 Meter Durchmesser hat, soll eine beständig wallende Bewegung und starke Dampfentwickelung zeigen und geschmackloses Wasser von blaugrüner Farbe besitzen, also kein Schwefelwasser. Die Schwefelthermen von Yamashiro-mura in Kaga haben 70—71° warmes Wasser. Enoyu am Kirishima-yama, 844 Meter hoch gelegen, gehört zu den mächtigsten Solfataren, die ich aus eigener Anschauung kenne. Das Wasser steigt, mit Schwefelwasserstoff beladen und viel Schwefel ausscheidend, 75° warm aus dem Boden. Man badet an einer Stelle, wo seine Temperatur noch 44,5°C. beträgt. Die übrigen Solfataren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/74
Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/74>, abgerufen am 25.04.2024.