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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
wenden: Von zwei Personen flocht die eine aus zwei dünnen Stroh-
seilen ein dickeres, die zweite schob dabei je zwei Tabakblätter mit
ihren nach oben gekehrten Stielen jedesmal in etwa 10 cm Abstand
ein. So vorbereitet hing man schliesslich das Seil mit seinen vielen
nach unten gekehrten Blattspreiten an den Wänden des Gebäudes
oder auf Stangen auf.

Unter den japanischen Tabaksorten hat bei den Eingeborenen der-
jenige aus der ehemaligen Herrschaft Satsuma, zu der auch Kokubu
gehörte, den grössten Ruf, wie bereits angedeutet wurde. Europäern
schmeckt er aber zu süsslich und wird desshalb nur wenig exportiert.
Die geschätzteste Waare für die Ausfuhr, obgleich ebenfalls amerika-
nischen Tabaken an Werth weit nachstehend, kommt vielmehr von
Higo und andern Provinzen des Südens. Man sendet ihn in Stroh-
matten verpackt nach Nagasaki, wo man zunächst die Stiele beseitigt
und dann die Umpackung in Ballen vornimmt. Sie gehen ausschliess-
lich nach England. Das Blatt hat einen schwammigen Charakter,
wird desshalb mit andern, strengeren Sorten gemischt und bewirkt die
Aufnahme beträchtlicher Mengen der Beize. Als Exportartikel steht
Tabak hinter vielen andern zurück und ist im allgemeinen wenig
begehrt.

b. Droguen.

In meinem Tagebuch über meine erste Reise in Japan im Sommer
1874 steht folgender, im Orte Sunjo am Fusse des Ibukiyama (siehe
Rein, Japan I. pg. 88) niedergeschriebener Vermerk: "Der Wirth
sagte mir, der kräuterreiche Ibukiyama liefere 130 verschiedene Me-
dicinen, meist pflanzliche. Aus seiner kleinen Sammlung schenkte er
mir zwei, dabei mitgezählte, ein Stück von einem Tropfstein und ein
Stück faserigen Wollastonit." Die chinesische Heilmittellehre, welcher
die Japaner bis vor 30 Jahren blindlings folgten, weist gleich der im
Mittelalter, ja noch später bis zur Entwickelung der Chemie bei uns
gebräuchlichen, eine sehr grosse Anzahl, zum Theil höchst seltsamer
Droguen auf. Nachdem schon Thunberg eine kleine Liste pharma-
ceutisch verwendeter Pflanzen Japans gebracht hatte, lieferte v. Sie-
bold in der schon citierten Arbeit: "Verhandl. van het Batav. Genoot-
schap XII deel. Bat. 1830" ein langes, doch keineswegs erschöpfendes
Verzeichniss. Oyaku-yen (der Arznei-Garten), welchen die Toku-
gawa vor 200 Jahren in Yedo anlegen liessen, der botanische Garten
des heutigen Tokio, enthält die wichtigsten derselben. *) Es liegt

*) Neuerdings hat Holmes im 10. Bde des Pharmac. Journ. eine grosse Zahl
derselben mit Bemerkungen versehen.

I. Land- und Forstwirthschaft.
wenden: Von zwei Personen flocht die eine aus zwei dünnen Stroh-
seilen ein dickeres, die zweite schob dabei je zwei Tabakblätter mit
ihren nach oben gekehrten Stielen jedesmal in etwa 10 cm Abstand
ein. So vorbereitet hing man schliesslich das Seil mit seinen vielen
nach unten gekehrten Blattspreiten an den Wänden des Gebäudes
oder auf Stangen auf.

Unter den japanischen Tabaksorten hat bei den Eingeborenen der-
jenige aus der ehemaligen Herrschaft Satsuma, zu der auch Kokubu
gehörte, den grössten Ruf, wie bereits angedeutet wurde. Europäern
schmeckt er aber zu süsslich und wird desshalb nur wenig exportiert.
Die geschätzteste Waare für die Ausfuhr, obgleich ebenfalls amerika-
nischen Tabaken an Werth weit nachstehend, kommt vielmehr von
Higo und andern Provinzen des Südens. Man sendet ihn in Stroh-
matten verpackt nach Nagasáki, wo man zunächst die Stiele beseitigt
und dann die Umpackung in Ballen vornimmt. Sie gehen ausschliess-
lich nach England. Das Blatt hat einen schwammigen Charakter,
wird desshalb mit andern, strengeren Sorten gemischt und bewirkt die
Aufnahme beträchtlicher Mengen der Beize. Als Exportartikel steht
Tabak hinter vielen andern zurück und ist im allgemeinen wenig
begehrt.

b. Droguen.

In meinem Tagebuch über meine erste Reise in Japan im Sommer
1874 steht folgender, im Orte Sunjo am Fusse des Ibukiyama (siehe
Rein, Japan I. pg. 88) niedergeschriebener Vermerk: »Der Wirth
sagte mir, der kräuterreiche Ibukiyama liefere 130 verschiedene Me-
dicinen, meist pflanzliche. Aus seiner kleinen Sammlung schenkte er
mir zwei, dabei mitgezählte, ein Stück von einem Tropfstein und ein
Stück faserigen Wollastonit.« Die chinesische Heilmittellehre, welcher
die Japaner bis vor 30 Jahren blindlings folgten, weist gleich der im
Mittelalter, ja noch später bis zur Entwickelung der Chemie bei uns
gebräuchlichen, eine sehr grosse Anzahl, zum Theil höchst seltsamer
Droguen auf. Nachdem schon Thunberg eine kleine Liste pharma-
ceutisch verwendeter Pflanzen Japans gebracht hatte, lieferte v. Sie-
bold in der schon citierten Arbeit: »Verhandl. van het Batav. Genoot-
schap XII deel. Bat. 1830« ein langes, doch keineswegs erschöpfendes
Verzeichniss. Oyaku-yen (der Arznei-Garten), welchen die Toku-
gawa vor 200 Jahren in Yedo anlegen liessen, der botanische Garten
des heutigen Tôkio, enthält die wichtigsten derselben. *) Es liegt

*) Neuerdings hat Holmes im 10. Bde des Pharmac. Journ. eine grosse Zahl
derselben mit Bemerkungen versehen.
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[158/0180] I. Land- und Forstwirthschaft. wenden: Von zwei Personen flocht die eine aus zwei dünnen Stroh- seilen ein dickeres, die zweite schob dabei je zwei Tabakblätter mit ihren nach oben gekehrten Stielen jedesmal in etwa 10 cm Abstand ein. So vorbereitet hing man schliesslich das Seil mit seinen vielen nach unten gekehrten Blattspreiten an den Wänden des Gebäudes oder auf Stangen auf. Unter den japanischen Tabaksorten hat bei den Eingeborenen der- jenige aus der ehemaligen Herrschaft Satsuma, zu der auch Kokubu gehörte, den grössten Ruf, wie bereits angedeutet wurde. Europäern schmeckt er aber zu süsslich und wird desshalb nur wenig exportiert. Die geschätzteste Waare für die Ausfuhr, obgleich ebenfalls amerika- nischen Tabaken an Werth weit nachstehend, kommt vielmehr von Higo und andern Provinzen des Südens. Man sendet ihn in Stroh- matten verpackt nach Nagasáki, wo man zunächst die Stiele beseitigt und dann die Umpackung in Ballen vornimmt. Sie gehen ausschliess- lich nach England. Das Blatt hat einen schwammigen Charakter, wird desshalb mit andern, strengeren Sorten gemischt und bewirkt die Aufnahme beträchtlicher Mengen der Beize. Als Exportartikel steht Tabak hinter vielen andern zurück und ist im allgemeinen wenig begehrt. b. Droguen. In meinem Tagebuch über meine erste Reise in Japan im Sommer 1874 steht folgender, im Orte Sunjo am Fusse des Ibukiyama (siehe Rein, Japan I. pg. 88) niedergeschriebener Vermerk: »Der Wirth sagte mir, der kräuterreiche Ibukiyama liefere 130 verschiedene Me- dicinen, meist pflanzliche. Aus seiner kleinen Sammlung schenkte er mir zwei, dabei mitgezählte, ein Stück von einem Tropfstein und ein Stück faserigen Wollastonit.« Die chinesische Heilmittellehre, welcher die Japaner bis vor 30 Jahren blindlings folgten, weist gleich der im Mittelalter, ja noch später bis zur Entwickelung der Chemie bei uns gebräuchlichen, eine sehr grosse Anzahl, zum Theil höchst seltsamer Droguen auf. Nachdem schon Thunberg eine kleine Liste pharma- ceutisch verwendeter Pflanzen Japans gebracht hatte, lieferte v. Sie- bold in der schon citierten Arbeit: »Verhandl. van het Batav. Genoot- schap XII deel. Bat. 1830« ein langes, doch keineswegs erschöpfendes Verzeichniss. Oyaku-yen (der Arznei-Garten), welchen die Toku- gawa vor 200 Jahren in Yedo anlegen liessen, der botanische Garten des heutigen Tôkio, enthält die wichtigsten derselben. *) Es liegt *) Neuerdings hat Holmes im 10. Bde des Pharmac. Journ. eine grosse Zahl derselben mit Bemerkungen versehen.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/180>, abgerufen am 29.03.2024.