Man begegnet dieser Behandlungsweise japanischer Lackwaaren in europäischen Sammlungen selten. Ich fand sie im Jahre 1881 in dem Geschäft von Larkin, Crafton Street, London auf eine lackierte Holzvase angewandt, welche einen abgestumpften Kegel von 1 m Höhe, 56 cm unterem und 30 cm oberem Durchmesser darstellte und L 100 kosten sollte. Der Grund zeigte die prächtigste Imitation des rothen Sandelholzes, die ich je gesehen habe. Darüber erhob sich eine in ihrer Art mustergültige Decoration mit erhabener Goldlackarbeit und Ein- lagen von Elfenbein und Perlmutter. Sie stellte die Shichi-ken oder "sieben Weisen" Chinas, Kraniche und Bambusrohr dar.*)
4) Suri-hegashi-nuri, d. h. Lackarbeit, erzielt durch hegu, abstreifen, und suri, polieren. Zur Anfertigung derselben folgt auf Naka-nuri-togi, den Abschluss der Grundierung, ein Anstrich mit schwarzem Lack (Ro-iro-urushi), dann schwaches Abreiben mit Kohle und Wasser und Anstrich mit rothem Lack aus Zinnober und Nashi- ji-urushi und nach dem Trocknen abermaliges Abschleifen mit Kohle und Wasser. Die dunklen Figuren werden durch fortgesetztes Reiben mit zugespitzter Kohle an einzelnen Stellen bis zum Durchschleifen des Zinnoberlacks erzeugt. Man überreibt hierauf die Gegenstände wiederholt mit einem Wattebällchen und Seshime-urushi, um die Vertiefungen aus- zufüllen, und poliert sie endlich nach dem letzten Trocknen in gewohnter Weise. Sie sind dann grob marmoriert, oder zeigen auch nur einzelne schwarze Flecken auf rothem Felde, oder das umgekehrte, rothe Flecken auf schwarzem Grunde. Von diesem Verfahren gibt es wieder mancher- lei Abstufungen, wozu auch diejenige gehört, bei welcher über einer schwarzen oder braunen Lackschicht Goldfolie ausgebreitet und nach dem Trocknen derselben symmetrische Figuren irgend welcher Art mit einem Stift durchgraviert werden. Darauf folgt Ausfüllung und Ueber- deckung mit Transparentlack und Politur.
5) Same-gawa-nuri, d. h. "Haihautlack" oder Same- dzaya, d. h. "Hai-Schwertscheide"**). Wir haben es hier mit einer
*) Diese "sieben Weisen" (Shichi-ken) waren die Cyniker Chinas, Weltveräch- ter, die so weit gingen, sich nicht blos der Kleider zu entschlagen und nackt einher zu gehen, sondern auch den wilden Thieren gleich in Bambusrohrdickichten ihren Aufenthaltsort zu wählen.
**) Unter Haihaut ist hier nicht die auch Chagrin genannte rauhe Haut der Haie und des Hypolophus Sephen Müll. & Henle zu verstehen, sondern die mit knöchernen Tuberkeln bedeckte Rückenhaut verschiedener Arten Rhinobatus oder Hairochen der Küsten Vorder- und Hinterindiens, sowie Südchinas, so von Rhinobatus armatus Gray und Rh. granulatus Cuv., wie es scheint (siehe Mül- ler & Henle: Systematische Beschreibung der Plagiostomen, Berlin 1841 pg. 117).
3. Lackindustrie.
Man begegnet dieser Behandlungsweise japanischer Lackwaaren in europäischen Sammlungen selten. Ich fand sie im Jahre 1881 in dem Geschäft von Larkin, Crafton Street, London auf eine lackierte Holzvase angewandt, welche einen abgestumpften Kegel von 1 m Höhe, 56 cm unterem und 30 cm oberem Durchmesser darstellte und ₤ 100 kosten sollte. Der Grund zeigte die prächtigste Imitation des rothen Sandelholzes, die ich je gesehen habe. Darüber erhob sich eine in ihrer Art mustergültige Decoration mit erhabener Goldlackarbeit und Ein- lagen von Elfenbein und Perlmutter. Sie stellte die Shichi-ken oder »sieben Weisen« Chinas, Kraniche und Bambusrohr dar.*)
4) Suri-hegashi-nuri, d. h. Lackarbeit, erzielt durch hegu, abstreifen, und suri, polieren. Zur Anfertigung derselben folgt auf Naka-nuri-togi, den Abschluss der Grundierung, ein Anstrich mit schwarzem Lack (Rô-iro-urushi), dann schwaches Abreiben mit Kohle und Wasser und Anstrich mit rothem Lack aus Zinnober und Nashi- ji-urushi und nach dem Trocknen abermaliges Abschleifen mit Kohle und Wasser. Die dunklen Figuren werden durch fortgesetztes Reiben mit zugespitzter Kohle an einzelnen Stellen bis zum Durchschleifen des Zinnoberlacks erzeugt. Man überreibt hierauf die Gegenstände wiederholt mit einem Wattebällchen und Seshime-urushi, um die Vertiefungen aus- zufüllen, und poliert sie endlich nach dem letzten Trocknen in gewohnter Weise. Sie sind dann grob marmoriert, oder zeigen auch nur einzelne schwarze Flecken auf rothem Felde, oder das umgekehrte, rothe Flecken auf schwarzem Grunde. Von diesem Verfahren gibt es wieder mancher- lei Abstufungen, wozu auch diejenige gehört, bei welcher über einer schwarzen oder braunen Lackschicht Goldfolie ausgebreitet und nach dem Trocknen derselben symmetrische Figuren irgend welcher Art mit einem Stift durchgraviert werden. Darauf folgt Ausfüllung und Ueber- deckung mit Transparentlack und Politur.
5) Same-gawa-nuri, d. h. »Haihautlack« oder Same- dzaya, d. h. »Hai-Schwertscheide«**). Wir haben es hier mit einer
*) Diese »sieben Weisen« (Shichi-ken) waren die Cyniker Chinas, Weltveräch- ter, die so weit gingen, sich nicht blos der Kleider zu entschlagen und nackt einher zu gehen, sondern auch den wilden Thieren gleich in Bambusrohrdickichten ihren Aufenthaltsort zu wählen.
**) Unter Haihaut ist hier nicht die auch Chagrin genannte rauhe Haut der Haie und des Hypolophus Sephen Müll. & Henle zu verstehen, sondern die mit knöchernen Tuberkeln bedeckte Rückenhaut verschiedener Arten Rhinobatus oder Hairochen der Küsten Vorder- und Hinterindiens, sowie Südchinas, so von Rhinobatus armatus Gray und Rh. granulatus Cuv., wie es scheint (siehe Mül- ler & Henle: Systematische Beschreibung der Plagiostomen, Berlin 1841 pg. 117).
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3. Lackindustrie.
Man begegnet dieser Behandlungsweise japanischer Lackwaaren
in europäischen Sammlungen selten. Ich fand sie im Jahre 1881 in
dem Geschäft von Larkin, Crafton Street, London auf eine lackierte
Holzvase angewandt, welche einen abgestumpften Kegel von 1 m Höhe,
56 cm unterem und 30 cm oberem Durchmesser darstellte und ₤ 100
kosten sollte. Der Grund zeigte die prächtigste Imitation des rothen
Sandelholzes, die ich je gesehen habe. Darüber erhob sich eine in ihrer
Art mustergültige Decoration mit erhabener Goldlackarbeit und Ein-
lagen von Elfenbein und Perlmutter. Sie stellte die Shichi-ken oder
»sieben Weisen« Chinas, Kraniche und Bambusrohr dar. *)
4) Suri-hegashi-nuri, d. h. Lackarbeit, erzielt durch hegu,
abstreifen, und suri, polieren. Zur Anfertigung derselben folgt auf
Naka-nuri-togi, den Abschluss der Grundierung, ein Anstrich mit
schwarzem Lack (Rô-iro-urushi), dann schwaches Abreiben mit Kohle
und Wasser und Anstrich mit rothem Lack aus Zinnober und Nashi-
ji-urushi und nach dem Trocknen abermaliges Abschleifen mit Kohle
und Wasser. Die dunklen Figuren werden durch fortgesetztes Reiben
mit zugespitzter Kohle an einzelnen Stellen bis zum Durchschleifen des
Zinnoberlacks erzeugt. Man überreibt hierauf die Gegenstände wiederholt
mit einem Wattebällchen und Seshime-urushi, um die Vertiefungen aus-
zufüllen, und poliert sie endlich nach dem letzten Trocknen in gewohnter
Weise. Sie sind dann grob marmoriert, oder zeigen auch nur einzelne
schwarze Flecken auf rothem Felde, oder das umgekehrte, rothe Flecken
auf schwarzem Grunde. Von diesem Verfahren gibt es wieder mancher-
lei Abstufungen, wozu auch diejenige gehört, bei welcher über einer
schwarzen oder braunen Lackschicht Goldfolie ausgebreitet und nach
dem Trocknen derselben symmetrische Figuren irgend welcher Art mit
einem Stift durchgraviert werden. Darauf folgt Ausfüllung und Ueber-
deckung mit Transparentlack und Politur.
5) Same-gawa-nuri, d. h. »Haihautlack« oder Same-
dzaya, d. h. »Hai-Schwertscheide« **). Wir haben es hier mit einer
*) Diese »sieben Weisen« (Shichi-ken) waren die Cyniker Chinas, Weltveräch-
ter, die so weit gingen, sich nicht blos der Kleider zu entschlagen und nackt
einher zu gehen, sondern auch den wilden Thieren gleich in Bambusrohrdickichten
ihren Aufenthaltsort zu wählen.
**) Unter Haihaut ist hier nicht die auch Chagrin genannte rauhe Haut
der Haie und des Hypolophus Sephen Müll. & Henle zu verstehen, sondern die
mit knöchernen Tuberkeln bedeckte Rückenhaut verschiedener Arten Rhinobatus
oder Hairochen der Küsten Vorder- und Hinterindiens, sowie Südchinas, so von
Rhinobatus armatus Gray und Rh. granulatus Cuv., wie es scheint (siehe Mül-
ler & Henle: Systematische Beschreibung der Plagiostomen, Berlin 1841 pg. 117).
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/459>, abgerufen am 24.04.2024.
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