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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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5. Papierindustrie.
den Füssen das Ganze zu einer grobbreiigen Masse. Dieselbe wird
in Kübel gefüllt, mit Palmblättern oder Gras bedeckt und ohne Ver-
zug den Papiermachern überbracht und von diesen verwendet; denn
die schleimige Rinde des Shiro-utsugi lässt sich nur im frischen Zu-
stande als Bindemittel der Papierfaser und Ersatz der Hibiscus-Wurzel
gebrauchen.

3) Katsura japonica L., die Sane-katsura oder Binan-
katsura
der Japaner (s. pg. 309), soll ebenfalls eine schleimige, der
Papierindustrie dienende Rinde liefern, wie verschiedene japanische
Werke behaupten. Aus eigner Anschauung kenne ich jedoch ihren
Gebrauch nicht, und da ich viele der wichtigsten Papierorte kenne,
schliesse ich daraus, dass die Verwendung wohl nur eine sehr be-
schränkte sein wird.

4) Nori, Kleister, wird ebenso, wie mineralische Zusätze, nur bei
dickeren Papiersorten angewendet, um sie dichter und weisser zu
machen. Solche Papiere heissen Nori-gami, während die stärke-
freien den Namen Ki-gami führen.

Darstellung des Bastpapiers.

So verschieden auch die der Papierindustrie Japans dienenden Stoffe
und die daraus hergestellten Papiersorten sind, so war und ist doch das
Verfahren im wesentlichen immer das nämliche und das Produkt
Bütten- oder Handpapier durchweg. Dass in der Neuzeit auch die Dar-
stellung von Maschinenpapier hinzu gekommen ist, wurde bereits be-
merkt. Dieses Papier findet vornehmlich in den Zeitungsdruckereien
seine Verwendung und bietet den Vorteil beiderseits benutzt werden
zu können.

Vordem beruhte die Papierbereitung ausschliesslich auf manueller
Arbeit. Eine Abkürzung und Erleichterung derselben durch Anwen-
dung von Wasserkraft und Maschinen fand also nicht statt, so dass
man weder von Papiermühlen, noch von Papierfabriken reden konnte.*)
Das Papiermachen war und ist noch immer (mit Ausnahme weniger
Fabriken der Neuzeit, wie oben bemerkt) ein Kleingewerbe im wahren
Sinne des Wortes, das gewöhnlich nur mit ein oder zwei Schöpfbütten
in einem Hause, aber an hunderten von Orten betrieben wird. Viel-
fach sind es einfache Bauern, welche sich mit der Anfertigung von

*) Als im 13. Jahrhundert die Papierindustrie sich bei uns in Deutschland
verbreitete, gab es ebenfalls keine Stampfwerke, welche erst später aus Italien
eingeführt wurden. Wie in Japan kochte, schlug und stampfte man das Roh-
material (die Lumpen) bis es sich in den breiigen Ganzstoff für die Bütte ver-
wandelt hatte.

5. Papierindustrie.
den Füssen das Ganze zu einer grobbreiigen Masse. Dieselbe wird
in Kübel gefüllt, mit Palmblättern oder Gras bedeckt und ohne Ver-
zug den Papiermachern überbracht und von diesen verwendet; denn
die schleimige Rinde des Shiro-utsugi lässt sich nur im frischen Zu-
stande als Bindemittel der Papierfaser und Ersatz der Hibiscus-Wurzel
gebrauchen.

3) Katsura japonica L., die Sane-katsura oder Binan-
katsura
der Japaner (s. pg. 309), soll ebenfalls eine schleimige, der
Papierindustrie dienende Rinde liefern, wie verschiedene japanische
Werke behaupten. Aus eigner Anschauung kenne ich jedoch ihren
Gebrauch nicht, und da ich viele der wichtigsten Papierorte kenne,
schliesse ich daraus, dass die Verwendung wohl nur eine sehr be-
schränkte sein wird.

4) Nori, Kleister, wird ebenso, wie mineralische Zusätze, nur bei
dickeren Papiersorten angewendet, um sie dichter und weisser zu
machen. Solche Papiere heissen Nori-gami, während die stärke-
freien den Namen Ki-gami führen.

Darstellung des Bastpapiers.

So verschieden auch die der Papierindustrie Japans dienenden Stoffe
und die daraus hergestellten Papiersorten sind, so war und ist doch das
Verfahren im wesentlichen immer das nämliche und das Produkt
Bütten- oder Handpapier durchweg. Dass in der Neuzeit auch die Dar-
stellung von Maschinenpapier hinzu gekommen ist, wurde bereits be-
merkt. Dieses Papier findet vornehmlich in den Zeitungsdruckereien
seine Verwendung und bietet den Vorteil beiderseits benutzt werden
zu können.

Vordem beruhte die Papierbereitung ausschliesslich auf manueller
Arbeit. Eine Abkürzung und Erleichterung derselben durch Anwen-
dung von Wasserkraft und Maschinen fand also nicht statt, so dass
man weder von Papiermühlen, noch von Papierfabriken reden konnte.*)
Das Papiermachen war und ist noch immer (mit Ausnahme weniger
Fabriken der Neuzeit, wie oben bemerkt) ein Kleingewerbe im wahren
Sinne des Wortes, das gewöhnlich nur mit ein oder zwei Schöpfbütten
in einem Hause, aber an hunderten von Orten betrieben wird. Viel-
fach sind es einfache Bauern, welche sich mit der Anfertigung von

*) Als im 13. Jahrhundert die Papierindustrie sich bei uns in Deutschland
verbreitete, gab es ebenfalls keine Stampfwerke, welche erst später aus Italien
eingeführt wurden. Wie in Japan kochte, schlug und stampfte man das Roh-
material (die Lumpen) bis es sich in den breiigen Ganzstoff für die Bütte ver-
wandelt hatte.
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[475/0517] 5. Papierindustrie. den Füssen das Ganze zu einer grobbreiigen Masse. Dieselbe wird in Kübel gefüllt, mit Palmblättern oder Gras bedeckt und ohne Ver- zug den Papiermachern überbracht und von diesen verwendet; denn die schleimige Rinde des Shiro-utsugi lässt sich nur im frischen Zu- stande als Bindemittel der Papierfaser und Ersatz der Hibiscus-Wurzel gebrauchen. 3) Katsura japonica L., die Sane-katsura oder Binan- katsura der Japaner (s. pg. 309), soll ebenfalls eine schleimige, der Papierindustrie dienende Rinde liefern, wie verschiedene japanische Werke behaupten. Aus eigner Anschauung kenne ich jedoch ihren Gebrauch nicht, und da ich viele der wichtigsten Papierorte kenne, schliesse ich daraus, dass die Verwendung wohl nur eine sehr be- schränkte sein wird. 4) Nori, Kleister, wird ebenso, wie mineralische Zusätze, nur bei dickeren Papiersorten angewendet, um sie dichter und weisser zu machen. Solche Papiere heissen Nori-gami, während die stärke- freien den Namen Ki-gami führen. Darstellung des Bastpapiers. So verschieden auch die der Papierindustrie Japans dienenden Stoffe und die daraus hergestellten Papiersorten sind, so war und ist doch das Verfahren im wesentlichen immer das nämliche und das Produkt Bütten- oder Handpapier durchweg. Dass in der Neuzeit auch die Dar- stellung von Maschinenpapier hinzu gekommen ist, wurde bereits be- merkt. Dieses Papier findet vornehmlich in den Zeitungsdruckereien seine Verwendung und bietet den Vorteil beiderseits benutzt werden zu können. Vordem beruhte die Papierbereitung ausschliesslich auf manueller Arbeit. Eine Abkürzung und Erleichterung derselben durch Anwen- dung von Wasserkraft und Maschinen fand also nicht statt, so dass man weder von Papiermühlen, noch von Papierfabriken reden konnte. *) Das Papiermachen war und ist noch immer (mit Ausnahme weniger Fabriken der Neuzeit, wie oben bemerkt) ein Kleingewerbe im wahren Sinne des Wortes, das gewöhnlich nur mit ein oder zwei Schöpfbütten in einem Hause, aber an hunderten von Orten betrieben wird. Viel- fach sind es einfache Bauern, welche sich mit der Anfertigung von *) Als im 13. Jahrhundert die Papierindustrie sich bei uns in Deutschland verbreitete, gab es ebenfalls keine Stampfwerke, welche erst später aus Italien eingeführt wurden. Wie in Japan kochte, schlug und stampfte man das Roh- material (die Lumpen) bis es sich in den breiigen Ganzstoff für die Bütte ver- wandelt hatte.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/517>, abgerufen am 28.03.2024.