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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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Papier als Nebengeschäft befassen und dieselbe monatelang ruhen
lassen, wenn im Sommer die Feldarbeit alle Hände in Anspruch
nimmt.

Vor der weiteren Verarbeitung des von Epidermis und grünen
Theilen befreiten Bastes werden noch die Ränder der Astlöcher und
sonstige schadhafte Stellen ausgeschnitten. Derselbe wird hierauf ent-
weder nochmals mehrere Tage lang in fliessendes Wasser gelegt oder
sofort -- und dies ist die Regel -- in einem eisernen Kessel mit einer
Lauge 1/2--3 Stunden lang gekocht, nämlich so lange, bis er ganz
weich geworden ist und sich mit den Fingern zerdrücken lässt. Die
Lauge wird in den meisten Fällen aus Asche, zuweilen aber auch aus
gelöschtem Kalk bereitet. In Ichikawa (Provinz Koshiu) wandte
man 1874 auf Mitsu-mata-Bast eine Lauge an, welche man in einem
Kübel durch Uebergiessen eines Gemisches von 2 To 4 Sho Brenn-
holzasche (Maki-hai) und 6 Sho Buchweizenstroh-Asche (Soba-hai)
mit heissem Wasser bereitet hatte. Die weichgekochte Bastmasse
wurde in einem Kübel mit frischem Wasser übergossen und so lange
ausgesüsst, bis nach 4--5maliger Erneuerung des Wassers keine Trü-
bung mehr erfolgte. Aehnlich war das Verfahren bei Broussonetia-
Bast in Makidani-mura (Provinz Mino), nur dass man hier zum
Aussüssen fliessendes Wasser anwandte. Auch in Tosa und Iyo, zu
Niu in der Provinz Yamato, wo man das interessante Yoshino-gami
bereitet, und an verschiedenen andern Orten beobachtete ich dasselbe
Verfahren.

Bei Gampi-Bast setzt man dem Wasser 10 % gebrannten Kalk
(Ishi-bai) zu; doch habe ich in Suruga auch Kalk bei Mitsu-mata an-
wenden sehen. Die rothbraune Färbung, welche der Bast durch diese
Kalkbeize annimmt, schwindet nach dem Aussüssen und längerer Sub-
mersion in fliessendem Wasser wieder.

Man kann das auf die eine oder andere Art behandelte Bast-
material mit unserm sogenannten Halbstoff vergleichen. Seine weitere
Bearbeitung ist einfach und leicht. Auf breiten, dicken Brettern aus
hartem Holze, zuweilen auch auf geschliffenen Granitplatten, wird der
nasse Bast mit cylindrischen Schlägern oder mit Hämmern aus Kashi-
Holz (Quercus glauca und Q. acuta) und häufigem Winden und Mengen,
sowie Wasserzusatz in eine gleichmässige, dickbreiige, faserige Masse
verwandelt, eine Arbeit, welche in der Regel Frauenhänden zufällt.
Oft haben die kurzgestielten 1--2 Pfund schweren Holzhämmer auf
den Schlagflächen kleine Rinnen, die sich wie Radien eines Kreises
gegen die Mitte nähern. In vielen Fällen wird die Papiermasse nach
ihrer ersten Bearbeitung nochmals im Kessel mit Wasser, doch ohne

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Papier als Nebengeschäft befassen und dieselbe monatelang ruhen
lassen, wenn im Sommer die Feldarbeit alle Hände in Anspruch
nimmt.

Vor der weiteren Verarbeitung des von Epidermis und grünen
Theilen befreiten Bastes werden noch die Ränder der Astlöcher und
sonstige schadhafte Stellen ausgeschnitten. Derselbe wird hierauf ent-
weder nochmals mehrere Tage lang in fliessendes Wasser gelegt oder
sofort — und dies ist die Regel — in einem eisernen Kessel mit einer
Lauge ½—3 Stunden lang gekocht, nämlich so lange, bis er ganz
weich geworden ist und sich mit den Fingern zerdrücken lässt. Die
Lauge wird in den meisten Fällen aus Asche, zuweilen aber auch aus
gelöschtem Kalk bereitet. In Ichikawa (Provinz Kôshiu) wandte
man 1874 auf Mitsu-mata-Bast eine Lauge an, welche man in einem
Kübel durch Uebergiessen eines Gemisches von 2 Tô 4 Shô Brenn-
holzasche (Maki-hai) und 6 Shô Buchweizenstroh-Asche (Soba-hai)
mit heissem Wasser bereitet hatte. Die weichgekochte Bastmasse
wurde in einem Kübel mit frischem Wasser übergossen und so lange
ausgesüsst, bis nach 4—5maliger Erneuerung des Wassers keine Trü-
bung mehr erfolgte. Aehnlich war das Verfahren bei Broussonetia-
Bast in Makidani-mura (Provinz Mino), nur dass man hier zum
Aussüssen fliessendes Wasser anwandte. Auch in Tosa und Iyo, zu
Niu in der Provinz Yamato, wo man das interessante Yoshino-gami
bereitet, und an verschiedenen andern Orten beobachtete ich dasselbe
Verfahren.

Bei Gampi-Bast setzt man dem Wasser 10 % gebrannten Kalk
(Ishi-bai) zu; doch habe ich in Suruga auch Kalk bei Mitsu-mata an-
wenden sehen. Die rothbraune Färbung, welche der Bast durch diese
Kalkbeize annimmt, schwindet nach dem Aussüssen und längerer Sub-
mersion in fliessendem Wasser wieder.

Man kann das auf die eine oder andere Art behandelte Bast-
material mit unserm sogenannten Halbstoff vergleichen. Seine weitere
Bearbeitung ist einfach und leicht. Auf breiten, dicken Brettern aus
hartem Holze, zuweilen auch auf geschliffenen Granitplatten, wird der
nasse Bast mit cylindrischen Schlägern oder mit Hämmern aus Kashi-
Holz (Quercus glauca und Q. acuta) und häufigem Winden und Mengen,
sowie Wasserzusatz in eine gleichmässige, dickbreiige, faserige Masse
verwandelt, eine Arbeit, welche in der Regel Frauenhänden zufällt.
Oft haben die kurzgestielten 1—2 Pfund schweren Holzhämmer auf
den Schlagflächen kleine Rinnen, die sich wie Radien eines Kreises
gegen die Mitte nähern. In vielen Fällen wird die Papiermasse nach
ihrer ersten Bearbeitung nochmals im Kessel mit Wasser, doch ohne

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[476/0518] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. Papier als Nebengeschäft befassen und dieselbe monatelang ruhen lassen, wenn im Sommer die Feldarbeit alle Hände in Anspruch nimmt. Vor der weiteren Verarbeitung des von Epidermis und grünen Theilen befreiten Bastes werden noch die Ränder der Astlöcher und sonstige schadhafte Stellen ausgeschnitten. Derselbe wird hierauf ent- weder nochmals mehrere Tage lang in fliessendes Wasser gelegt oder sofort — und dies ist die Regel — in einem eisernen Kessel mit einer Lauge ½—3 Stunden lang gekocht, nämlich so lange, bis er ganz weich geworden ist und sich mit den Fingern zerdrücken lässt. Die Lauge wird in den meisten Fällen aus Asche, zuweilen aber auch aus gelöschtem Kalk bereitet. In Ichikawa (Provinz Kôshiu) wandte man 1874 auf Mitsu-mata-Bast eine Lauge an, welche man in einem Kübel durch Uebergiessen eines Gemisches von 2 Tô 4 Shô Brenn- holzasche (Maki-hai) und 6 Shô Buchweizenstroh-Asche (Soba-hai) mit heissem Wasser bereitet hatte. Die weichgekochte Bastmasse wurde in einem Kübel mit frischem Wasser übergossen und so lange ausgesüsst, bis nach 4—5maliger Erneuerung des Wassers keine Trü- bung mehr erfolgte. Aehnlich war das Verfahren bei Broussonetia- Bast in Makidani-mura (Provinz Mino), nur dass man hier zum Aussüssen fliessendes Wasser anwandte. Auch in Tosa und Iyo, zu Niu in der Provinz Yamato, wo man das interessante Yoshino-gami bereitet, und an verschiedenen andern Orten beobachtete ich dasselbe Verfahren. Bei Gampi-Bast setzt man dem Wasser 10 % gebrannten Kalk (Ishi-bai) zu; doch habe ich in Suruga auch Kalk bei Mitsu-mata an- wenden sehen. Die rothbraune Färbung, welche der Bast durch diese Kalkbeize annimmt, schwindet nach dem Aussüssen und längerer Sub- mersion in fliessendem Wasser wieder. Man kann das auf die eine oder andere Art behandelte Bast- material mit unserm sogenannten Halbstoff vergleichen. Seine weitere Bearbeitung ist einfach und leicht. Auf breiten, dicken Brettern aus hartem Holze, zuweilen auch auf geschliffenen Granitplatten, wird der nasse Bast mit cylindrischen Schlägern oder mit Hämmern aus Kashi- Holz (Quercus glauca und Q. acuta) und häufigem Winden und Mengen, sowie Wasserzusatz in eine gleichmässige, dickbreiige, faserige Masse verwandelt, eine Arbeit, welche in der Regel Frauenhänden zufällt. Oft haben die kurzgestielten 1—2 Pfund schweren Holzhämmer auf den Schlagflächen kleine Rinnen, die sich wie Radien eines Kreises gegen die Mitte nähern. In vielen Fällen wird die Papiermasse nach ihrer ersten Bearbeitung nochmals im Kessel mit Wasser, doch ohne

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/518>, abgerufen am 19.04.2024.