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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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5. Papierindustrie.
selten japanische Schreibzeuge in Gestalt flacher quadratischer Schach-
telkästchen, welche mit Goldlackarbeit aufs reichste und prächtigste
verziert sind und zu den hervorragendsten Leistungen der japanischen
Lackindustrie gehören.

Der Fude oder Pinsel, dessen man sich zum Schreiben bedient,
kommt Nr. 10 auf Tafel IV. am nächsten. Die Haare von Kaninchen
und Hirschen, welche dazu vornehmlich verwendet werden, bilden
jedoch in der Regel einen dickeren, stumpferen Kegel. Nachdem sie
mit der kieselsäurereichen Asche aus Reisspreu gerieben und gereinigt
worden sind, bringt man sie mit einem feinen Messingkamm in paral-
lele Lage und sortiert sie nach ihrer Länge. Alsdann klebt man sie
mit Hülfe von Fu-nori oder Algenkleister (siehe pg. 96) zu einem
3--4 cm breiten Lappen zusammen, dessen Dicke sich nach der Stärke
richtet, welche der Pinsel erhalten soll. Dieser Haarlappen wird nun
zu einem Kegel zusammengerollt, sein unteres Ende in eine Papier-
hülse gefügt oder mit einem hanfleinenen Faden umwickelt und in
das eine Stielende -- ein Stück Bambusrohr von der Länge und Dicke
eines Bleistifts -- eingeleimt. Damit ist der Pinsel in allem Wesent-
lichen fertig.

Der Gebrauch des Tusches, jap. Sumi, ging dem unserer Schreib-
tinte in der Zeit weit voraus; in Ostasien ist er mindestens so alt, wie der
des Papiers, wenn nicht älter, denn man nimmt an, dass seine Erfindung
in China in die Zeit von 260--220 v. Chr. fällt. Jahrhunderte lang
war die Provinz Kiang-si, und insbesondere die Stadt Jaotscheu
südöstlich vom Poyang-See durch ihren vorzüglichen Tusch berühmt.
Demselben kam namentlich die geschätzte Eigenschaft zu, mit zuneh-
mendem Alter härter und schwärzer zu werden. Später verbreitete
sich die Industrie auch über verschiedene andere Provinzen, nament-
lich Nganhwui, wo die Stadt Hwuichau ihres Tusches wegen
hohen Ruf hat, und über Kwang-tung. Der englische Name "In-
dian Ink" deutet den Weg an, auf welchem dieses ausgezeichnete
chinesische Präparat zuerst nach Europa kam.

Obgleich Japan den grössten Theil seines Bedarfs an Sumi selbst
darstellt, gilt doch auch dort das chinesische Product für das bessere
und wird dem entsprechend viel theurer bezahlt.

Lampenschwarz oder Kienruss und thierischer Leim bilden die
wesentlichen Bestandtheile des Tusches, von denen der letztere ledig-
lich dazu dient, die feinen Kohlenpartikel, wie sie durch irgend eine
Art unvollständiger Verbrennung erzeugt werden, mit einander zu ver-
binden und beim Gebrauch des Tusches an das Papier zu fixieren.

Rein, Japan. II. 32

5. Papierindustrie.
selten japanische Schreibzeuge in Gestalt flacher quadratischer Schach-
telkästchen, welche mit Goldlackarbeit aufs reichste und prächtigste
verziert sind und zu den hervorragendsten Leistungen der japanischen
Lackindustrie gehören.

Der Fude oder Pinsel, dessen man sich zum Schreiben bedient,
kommt Nr. 10 auf Tafel IV. am nächsten. Die Haare von Kaninchen
und Hirschen, welche dazu vornehmlich verwendet werden, bilden
jedoch in der Regel einen dickeren, stumpferen Kegel. Nachdem sie
mit der kieselsäurereichen Asche aus Reisspreu gerieben und gereinigt
worden sind, bringt man sie mit einem feinen Messingkamm in paral-
lele Lage und sortiert sie nach ihrer Länge. Alsdann klebt man sie
mit Hülfe von Fu-nori oder Algenkleister (siehe pg. 96) zu einem
3—4 cm breiten Lappen zusammen, dessen Dicke sich nach der Stärke
richtet, welche der Pinsel erhalten soll. Dieser Haarlappen wird nun
zu einem Kegel zusammengerollt, sein unteres Ende in eine Papier-
hülse gefügt oder mit einem hanfleinenen Faden umwickelt und in
das eine Stielende — ein Stück Bambusrohr von der Länge und Dicke
eines Bleistifts — eingeleimt. Damit ist der Pinsel in allem Wesent-
lichen fertig.

Der Gebrauch des Tusches, jap. Sumi, ging dem unserer Schreib-
tinte in der Zeit weit voraus; in Ostasien ist er mindestens so alt, wie der
des Papiers, wenn nicht älter, denn man nimmt an, dass seine Erfindung
in China in die Zeit von 260—220 v. Chr. fällt. Jahrhunderte lang
war die Provinz Kiang-si, und insbesondere die Stadt Jaotscheu
südöstlich vom Poyang-See durch ihren vorzüglichen Tusch berühmt.
Demselben kam namentlich die geschätzte Eigenschaft zu, mit zuneh-
mendem Alter härter und schwärzer zu werden. Später verbreitete
sich die Industrie auch über verschiedene andere Provinzen, nament-
lich Nganhwui, wo die Stadt Hwuichau ihres Tusches wegen
hohen Ruf hat, und über Kwang-tung. Der englische Name »In-
dian Ink« deutet den Weg an, auf welchem dieses ausgezeichnete
chinesische Präparat zuerst nach Europa kam.

Obgleich Japan den grössten Theil seines Bedarfs an Sumi selbst
darstellt, gilt doch auch dort das chinesische Product für das bessere
und wird dem entsprechend viel theurer bezahlt.

Lampenschwarz oder Kienruss und thierischer Leim bilden die
wesentlichen Bestandtheile des Tusches, von denen der letztere ledig-
lich dazu dient, die feinen Kohlenpartikel, wie sie durch irgend eine
Art unvollständiger Verbrennung erzeugt werden, mit einander zu ver-
binden und beim Gebrauch des Tusches an das Papier zu fixieren.

Rein, Japan. II. 32
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[497/0541] 5. Papierindustrie. selten japanische Schreibzeuge in Gestalt flacher quadratischer Schach- telkästchen, welche mit Goldlackarbeit aufs reichste und prächtigste verziert sind und zu den hervorragendsten Leistungen der japanischen Lackindustrie gehören. Der Fude oder Pinsel, dessen man sich zum Schreiben bedient, kommt Nr. 10 auf Tafel IV. am nächsten. Die Haare von Kaninchen und Hirschen, welche dazu vornehmlich verwendet werden, bilden jedoch in der Regel einen dickeren, stumpferen Kegel. Nachdem sie mit der kieselsäurereichen Asche aus Reisspreu gerieben und gereinigt worden sind, bringt man sie mit einem feinen Messingkamm in paral- lele Lage und sortiert sie nach ihrer Länge. Alsdann klebt man sie mit Hülfe von Fu-nori oder Algenkleister (siehe pg. 96) zu einem 3—4 cm breiten Lappen zusammen, dessen Dicke sich nach der Stärke richtet, welche der Pinsel erhalten soll. Dieser Haarlappen wird nun zu einem Kegel zusammengerollt, sein unteres Ende in eine Papier- hülse gefügt oder mit einem hanfleinenen Faden umwickelt und in das eine Stielende — ein Stück Bambusrohr von der Länge und Dicke eines Bleistifts — eingeleimt. Damit ist der Pinsel in allem Wesent- lichen fertig. Der Gebrauch des Tusches, jap. Sumi, ging dem unserer Schreib- tinte in der Zeit weit voraus; in Ostasien ist er mindestens so alt, wie der des Papiers, wenn nicht älter, denn man nimmt an, dass seine Erfindung in China in die Zeit von 260—220 v. Chr. fällt. Jahrhunderte lang war die Provinz Kiang-si, und insbesondere die Stadt Jaotscheu südöstlich vom Poyang-See durch ihren vorzüglichen Tusch berühmt. Demselben kam namentlich die geschätzte Eigenschaft zu, mit zuneh- mendem Alter härter und schwärzer zu werden. Später verbreitete sich die Industrie auch über verschiedene andere Provinzen, nament- lich Nganhwui, wo die Stadt Hwuichau ihres Tusches wegen hohen Ruf hat, und über Kwang-tung. Der englische Name »In- dian Ink« deutet den Weg an, auf welchem dieses ausgezeichnete chinesische Präparat zuerst nach Europa kam. Obgleich Japan den grössten Theil seines Bedarfs an Sumi selbst darstellt, gilt doch auch dort das chinesische Product für das bessere und wird dem entsprechend viel theurer bezahlt. Lampenschwarz oder Kienruss und thierischer Leim bilden die wesentlichen Bestandtheile des Tusches, von denen der letztere ledig- lich dazu dient, die feinen Kohlenpartikel, wie sie durch irgend eine Art unvollständiger Verbrennung erzeugt werden, mit einander zu ver- binden und beim Gebrauch des Tusches an das Papier zu fixieren. Rein, Japan. II. 32

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/541>, abgerufen am 24.04.2024.