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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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6. Holz-, Elfenbein- u. Beinschnitzerei. Schildpatt-, Horn- etc. Arbeiten.
für Damen, Kästchen und Dosen, Visitenkarten-Etuis, Schachspiele,
Knöpfe, Brochen und viele andere Gegenstände, theils für den ein-
heimischen Bedarf, meist aber für den fremden Markt. Die Gegen-
stände sind meist ausserordentlich sorgfältig gearbeitet und nicht blos
durch Gravierung und Schnitzerei verziert, sondern ausserdem oft noch
durch wohlangebrachte Goldlackarbeit. Anderseits dient Elfenbein
gleich dem Perlmutter nicht selten auch zur Einlage in feine Lack-
gegenstände.

Diesen Arbeiten schliessen sich solche aus Hone oder Knochen
an, wozu sich nur die Schenkelknochen der grösseren Hausthiere
eignen. Aber entsprechend der Beschränkung, welche die geringere
Grösse und schwierigere Bearbeitung, sowie das weniger schöne Aus-
sehen dem Elfenbein gegenüber auferlegen, spielt dieses Material im
japanischen Gewerbe nur eine bescheidene Rolle und wird ausser zu
Netsuke's wenig verarbeitet. Die dutzenderlei Gegenstände, welche
man bei uns auf der Drehbank aus Knochen darstellt, braucht man
entweder gar nicht, oder erzeugt sie aus anderm Material. Noch viel
weniger haben sich Landwirthschaft und chemische Industriezweige
die Knochen bisher zu Nutzen gemacht.

Bekko-zaiku, Schildpattarbeiten und ihre Imitationen in Horn
werden vornehmlich in Nagasaki und Ozaka verfertigt. Die beiden
Substanzen, welche hier in Betracht kommen, stehen sich in ihren Eigen-
schaften sehr nahe und ebenso in den Zwecken welchen sie dienen.
Beide werden durch kochendes Wasser, wie auch durch trockene Wärme
weich und lassen sich dann leicht strecken und biegen, pressen und
formen, spalten und zusammenschweissen. Auf diese Eigenschaften
gründet sich die Art ihrer Verarbeitung.

Bekko, das Schildpatt oder Schildkrott, kommt vornehmlich von
Chelonia imbricata L., der Schuppen- oder echten Carettschildkröte,
welche zwar in allen Tropenmeeren, vornehmlich aber im Malayischen
Archipel und Indischen Ocean vorkommt. Singapore in Asien und
London in Europa sind die Hauptmärkte für ihre 13 gelb- und braun-
geflammten Platten. Von ersterem führen es chinesische Dschunken
den Händlern von China und Japan zu; doch kommt das beste von
London aus nach den Häfen Japans. Ist dasselbe von heller, gold-
gelber Farbe und sehr durchsichtig, so wird es in Japan namentlich
zu Kanzashi oder gabelförmigen Haarnadeln für junge Damen hoch
geschätzt und theuer bezahlt. Es sind dies zweizinkige Gabeln
von 16 cm Länge. Ausser ihnen pflegen bemitteltere Mädchen noch
ein gerades, vierkantiges Stäbchen von 21--26 cm Länge aus dem-
selben Material quer durch den hinteren Theil des über dem Scheitel

6. Holz-, Elfenbein- u. Beinschnitzerei. Schildpatt-, Horn- etc. Arbeiten.
für Damen, Kästchen und Dosen, Visitenkarten-Etuis, Schachspiele,
Knöpfe, Brochen und viele andere Gegenstände, theils für den ein-
heimischen Bedarf, meist aber für den fremden Markt. Die Gegen-
stände sind meist ausserordentlich sorgfältig gearbeitet und nicht blos
durch Gravierung und Schnitzerei verziert, sondern ausserdem oft noch
durch wohlangebrachte Goldlackarbeit. Anderseits dient Elfenbein
gleich dem Perlmutter nicht selten auch zur Einlage in feine Lack-
gegenstände.

Diesen Arbeiten schliessen sich solche aus Hone oder Knochen
an, wozu sich nur die Schenkelknochen der grösseren Hausthiere
eignen. Aber entsprechend der Beschränkung, welche die geringere
Grösse und schwierigere Bearbeitung, sowie das weniger schöne Aus-
sehen dem Elfenbein gegenüber auferlegen, spielt dieses Material im
japanischen Gewerbe nur eine bescheidene Rolle und wird ausser zu
Netsuke’s wenig verarbeitet. Die dutzenderlei Gegenstände, welche
man bei uns auf der Drehbank aus Knochen darstellt, braucht man
entweder gar nicht, oder erzeugt sie aus anderm Material. Noch viel
weniger haben sich Landwirthschaft und chemische Industriezweige
die Knochen bisher zu Nutzen gemacht.

Bekkô-zaiku, Schildpattarbeiten und ihre Imitationen in Horn
werden vornehmlich in Nagasaki und Ôzaka verfertigt. Die beiden
Substanzen, welche hier in Betracht kommen, stehen sich in ihren Eigen-
schaften sehr nahe und ebenso in den Zwecken welchen sie dienen.
Beide werden durch kochendes Wasser, wie auch durch trockene Wärme
weich und lassen sich dann leicht strecken und biegen, pressen und
formen, spalten und zusammenschweissen. Auf diese Eigenschaften
gründet sich die Art ihrer Verarbeitung.

Bekkô, das Schildpatt oder Schildkrott, kommt vornehmlich von
Chelonia imbricata L., der Schuppen- oder echten Carettschildkröte,
welche zwar in allen Tropenmeeren, vornehmlich aber im Malayischen
Archipel und Indischen Ocean vorkommt. Singapore in Asien und
London in Europa sind die Hauptmärkte für ihre 13 gelb- und braun-
geflammten Platten. Von ersterem führen es chinesische Dschunken
den Händlern von China und Japan zu; doch kommt das beste von
London aus nach den Häfen Japans. Ist dasselbe von heller, gold-
gelber Farbe und sehr durchsichtig, so wird es in Japan namentlich
zu Kanzashi oder gabelförmigen Haarnadeln für junge Damen hoch
geschätzt und theuer bezahlt. Es sind dies zweizinkige Gabeln
von 16 cm Länge. Ausser ihnen pflegen bemitteltere Mädchen noch
ein gerades, vierkantiges Stäbchen von 21—26 cm Länge aus dem-
selben Material quer durch den hinteren Theil des über dem Scheitel

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[503/0547] 6. Holz-, Elfenbein- u. Beinschnitzerei. Schildpatt-, Horn- etc. Arbeiten. für Damen, Kästchen und Dosen, Visitenkarten-Etuis, Schachspiele, Knöpfe, Brochen und viele andere Gegenstände, theils für den ein- heimischen Bedarf, meist aber für den fremden Markt. Die Gegen- stände sind meist ausserordentlich sorgfältig gearbeitet und nicht blos durch Gravierung und Schnitzerei verziert, sondern ausserdem oft noch durch wohlangebrachte Goldlackarbeit. Anderseits dient Elfenbein gleich dem Perlmutter nicht selten auch zur Einlage in feine Lack- gegenstände. Diesen Arbeiten schliessen sich solche aus Hone oder Knochen an, wozu sich nur die Schenkelknochen der grösseren Hausthiere eignen. Aber entsprechend der Beschränkung, welche die geringere Grösse und schwierigere Bearbeitung, sowie das weniger schöne Aus- sehen dem Elfenbein gegenüber auferlegen, spielt dieses Material im japanischen Gewerbe nur eine bescheidene Rolle und wird ausser zu Netsuke’s wenig verarbeitet. Die dutzenderlei Gegenstände, welche man bei uns auf der Drehbank aus Knochen darstellt, braucht man entweder gar nicht, oder erzeugt sie aus anderm Material. Noch viel weniger haben sich Landwirthschaft und chemische Industriezweige die Knochen bisher zu Nutzen gemacht. Bekkô-zaiku, Schildpattarbeiten und ihre Imitationen in Horn werden vornehmlich in Nagasaki und Ôzaka verfertigt. Die beiden Substanzen, welche hier in Betracht kommen, stehen sich in ihren Eigen- schaften sehr nahe und ebenso in den Zwecken welchen sie dienen. Beide werden durch kochendes Wasser, wie auch durch trockene Wärme weich und lassen sich dann leicht strecken und biegen, pressen und formen, spalten und zusammenschweissen. Auf diese Eigenschaften gründet sich die Art ihrer Verarbeitung. Bekkô, das Schildpatt oder Schildkrott, kommt vornehmlich von Chelonia imbricata L., der Schuppen- oder echten Carettschildkröte, welche zwar in allen Tropenmeeren, vornehmlich aber im Malayischen Archipel und Indischen Ocean vorkommt. Singapore in Asien und London in Europa sind die Hauptmärkte für ihre 13 gelb- und braun- geflammten Platten. Von ersterem führen es chinesische Dschunken den Händlern von China und Japan zu; doch kommt das beste von London aus nach den Häfen Japans. Ist dasselbe von heller, gold- gelber Farbe und sehr durchsichtig, so wird es in Japan namentlich zu Kanzashi oder gabelförmigen Haarnadeln für junge Damen hoch geschätzt und theuer bezahlt. Es sind dies zweizinkige Gabeln von 16 cm Länge. Ausser ihnen pflegen bemitteltere Mädchen noch ein gerades, vierkantiges Stäbchen von 21—26 cm Länge aus dem- selben Material quer durch den hinteren Theil des über dem Scheitel

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/547>, abgerufen am 24.04.2024.