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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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6. Holz-, Elfenbein- u. Beinschnitzerei. Schildpatt-, Horn- etc. Arbeiten.

In der Türkei und im ganzen Orient, namentlich aber in Hinter-
indien und China sind mit Perlmutter belegte Möbel sehr beliebt. In
Japan wird Perlmutter vornehmlich zur Verzierung von Lackwaaren
benutzt. Dasselbe ist Landesprodukt, führt den Namen Ao-gai (Awo-
gai), wird in dünnen Platten angewendet, zeichnet sich besonders
durch prächtiges Schillern in den verschiedenen Regenbogenfarben aus
und wird vornehmlich aus der glatten Innenseite der grösseren Arten
Seeohr (Haliotis japonica Reeve, H. gigantea Chemn.), genannt Awabi,
gewonnen. Eine noch geschätztere Sorte führt den Namen Ao-gai-
Magai
, d. h. Ao-gai-Nachahmung. Sie bildet Lamellen von kaum
3 cm Breite, soll von den Riu-kiu-Inseln kommen und einer Art Nautilus
entstammen. Auch die Schale der Sazaye (Turbo cornutus Chemn.)
liefert Perlmutter.

Das Perlmutterschleifen, wie ich es in Nagasaki beobachten konnte,
ist kein rationelles Verfahren, weil dabei keinerlei Arbeitserleichterung,
wie sie z. B. der schwere, vertical rotierende und unten durch Wasser
laufende Schleifstein bietet, in Anwendung kommt. Von der Haliotis-
schale wird erst der dicke, gekrümmte Aussenrand bis zu der Löcher-
reihe mittelst Zange, Hammer und Meissel entfernt, dann das übrige
Stück auf einem mit Wasser besprengten, feinkörnigen Sandstein auf
der Rückseite abgeschliffen, bis eine dünne, durchsichtige Lamelle
bleibt. Die Arbeit ist eine sehr mühsame, so dass ein Mann täglich
nur etwa 18 Stück schleifen kann. Jede Platte kostet 2--6 sen, je
nach Grösse und Feinheit. Diese dünnen Platten, sowie das aus ihren
Abfällen in verschiedenen Graden der Feinheit gewonnene Perlmutter-
pulver benutzt nun der Ao-gai-shi oder Perlmutterarbeiter zur Aus-
schmückung von Lackwaaren, wie dies zum Teil schon pg. 432--434
angegeben wurde. Die durchsichtige Lamelle wird auf die Vorlage
gelegt und die Zeichnung oder ein Teil derselben mit dem Tuschpinsel
durchgepaust. Um Blumen, Blätter und andere gefärbte Teile nach-
zubilden, trägt man die mit heissem Leimwasser angeriebene Maler-
farbe auf die Platte. Ist sie trocken, so wird sie schwach mit Leim-
wasser überstrichen und dann mit Silberfolie überdeckt. Nach aber-
maligem Trocknen schneidet man die Figuren (Blüthen, Blätter, oder
was es sei) mit Hülfe eines Hohlmeissels aus. Sie werden mit der
gefärbten Seite auf die Lackgegenstände, wie Cabinette, Kästchen,
Teller, Vasen etc. festgeleimt. Der etwas rauhe Grund war vorher
mit Ocker und Kienruss behandelt worden.

Ist das ganze Bild mit den verschiedenfarbigen Perlmutterblättchen
fertig aufgeleimt, so werden die tiefer gelegenen Zwischenräume mit
schwarzem Lack ausgefüllt. Zum Schluss wird das Ganze mit Trans-

6. Holz-, Elfenbein- u. Beinschnitzerei. Schildpatt-, Horn- etc. Arbeiten.

In der Türkei und im ganzen Orient, namentlich aber in Hinter-
indien und China sind mit Perlmutter belegte Möbel sehr beliebt. In
Japan wird Perlmutter vornehmlich zur Verzierung von Lackwaaren
benutzt. Dasselbe ist Landesprodukt, führt den Namen Ao-gai (Awo-
gai), wird in dünnen Platten angewendet, zeichnet sich besonders
durch prächtiges Schillern in den verschiedenen Regenbogenfarben aus
und wird vornehmlich aus der glatten Innenseite der grösseren Arten
Seeohr (Haliotis japonica Reeve, H. gigantea Chemn.), genannt Awabi,
gewonnen. Eine noch geschätztere Sorte führt den Namen Ao-gai-
Magai
, d. h. Ao-gai-Nachahmung. Sie bildet Lamellen von kaum
3 cm Breite, soll von den Riu-kiu-Inseln kommen und einer Art Nautilus
entstammen. Auch die Schale der Sazaye (Turbo cornutus Chemn.)
liefert Perlmutter.

Das Perlmutterschleifen, wie ich es in Nagasaki beobachten konnte,
ist kein rationelles Verfahren, weil dabei keinerlei Arbeitserleichterung,
wie sie z. B. der schwere, vertical rotierende und unten durch Wasser
laufende Schleifstein bietet, in Anwendung kommt. Von der Haliotis-
schale wird erst der dicke, gekrümmte Aussenrand bis zu der Löcher-
reihe mittelst Zange, Hammer und Meissel entfernt, dann das übrige
Stück auf einem mit Wasser besprengten, feinkörnigen Sandstein auf
der Rückseite abgeschliffen, bis eine dünne, durchsichtige Lamelle
bleibt. Die Arbeit ist eine sehr mühsame, so dass ein Mann täglich
nur etwa 18 Stück schleifen kann. Jede Platte kostet 2—6 sen, je
nach Grösse und Feinheit. Diese dünnen Platten, sowie das aus ihren
Abfällen in verschiedenen Graden der Feinheit gewonnene Perlmutter-
pulver benutzt nun der Ao-gai-shi oder Perlmutterarbeiter zur Aus-
schmückung von Lackwaaren, wie dies zum Teil schon pg. 432—434
angegeben wurde. Die durchsichtige Lamelle wird auf die Vorlage
gelegt und die Zeichnung oder ein Teil derselben mit dem Tuschpinsel
durchgepaust. Um Blumen, Blätter und andere gefärbte Teile nach-
zubilden, trägt man die mit heissem Leimwasser angeriebene Maler-
farbe auf die Platte. Ist sie trocken, so wird sie schwach mit Leim-
wasser überstrichen und dann mit Silberfolie überdeckt. Nach aber-
maligem Trocknen schneidet man die Figuren (Blüthen, Blätter, oder
was es sei) mit Hülfe eines Hohlmeissels aus. Sie werden mit der
gefärbten Seite auf die Lackgegenstände, wie Cabinette, Kästchen,
Teller, Vasen etc. festgeleimt. Der etwas rauhe Grund war vorher
mit Ocker und Kienruss behandelt worden.

Ist das ganze Bild mit den verschiedenfarbigen Perlmutterblättchen
fertig aufgeleimt, so werden die tiefer gelegenen Zwischenräume mit
schwarzem Lack ausgefüllt. Zum Schluss wird das Ganze mit Trans-

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[505/0549] 6. Holz-, Elfenbein- u. Beinschnitzerei. Schildpatt-, Horn- etc. Arbeiten. In der Türkei und im ganzen Orient, namentlich aber in Hinter- indien und China sind mit Perlmutter belegte Möbel sehr beliebt. In Japan wird Perlmutter vornehmlich zur Verzierung von Lackwaaren benutzt. Dasselbe ist Landesprodukt, führt den Namen Ao-gai (Awo- gai), wird in dünnen Platten angewendet, zeichnet sich besonders durch prächtiges Schillern in den verschiedenen Regenbogenfarben aus und wird vornehmlich aus der glatten Innenseite der grösseren Arten Seeohr (Haliotis japonica Reeve, H. gigantea Chemn.), genannt Awabi, gewonnen. Eine noch geschätztere Sorte führt den Namen Ao-gai- Magai, d. h. Ao-gai-Nachahmung. Sie bildet Lamellen von kaum 3 cm Breite, soll von den Riu-kiu-Inseln kommen und einer Art Nautilus entstammen. Auch die Schale der Sazaye (Turbo cornutus Chemn.) liefert Perlmutter. Das Perlmutterschleifen, wie ich es in Nagasaki beobachten konnte, ist kein rationelles Verfahren, weil dabei keinerlei Arbeitserleichterung, wie sie z. B. der schwere, vertical rotierende und unten durch Wasser laufende Schleifstein bietet, in Anwendung kommt. Von der Haliotis- schale wird erst der dicke, gekrümmte Aussenrand bis zu der Löcher- reihe mittelst Zange, Hammer und Meissel entfernt, dann das übrige Stück auf einem mit Wasser besprengten, feinkörnigen Sandstein auf der Rückseite abgeschliffen, bis eine dünne, durchsichtige Lamelle bleibt. Die Arbeit ist eine sehr mühsame, so dass ein Mann täglich nur etwa 18 Stück schleifen kann. Jede Platte kostet 2—6 sen, je nach Grösse und Feinheit. Diese dünnen Platten, sowie das aus ihren Abfällen in verschiedenen Graden der Feinheit gewonnene Perlmutter- pulver benutzt nun der Ao-gai-shi oder Perlmutterarbeiter zur Aus- schmückung von Lackwaaren, wie dies zum Teil schon pg. 432—434 angegeben wurde. Die durchsichtige Lamelle wird auf die Vorlage gelegt und die Zeichnung oder ein Teil derselben mit dem Tuschpinsel durchgepaust. Um Blumen, Blätter und andere gefärbte Teile nach- zubilden, trägt man die mit heissem Leimwasser angeriebene Maler- farbe auf die Platte. Ist sie trocken, so wird sie schwach mit Leim- wasser überstrichen und dann mit Silberfolie überdeckt. Nach aber- maligem Trocknen schneidet man die Figuren (Blüthen, Blätter, oder was es sei) mit Hülfe eines Hohlmeissels aus. Sie werden mit der gefärbten Seite auf die Lackgegenstände, wie Cabinette, Kästchen, Teller, Vasen etc. festgeleimt. Der etwas rauhe Grund war vorher mit Ocker und Kienruss behandelt worden. Ist das ganze Bild mit den verschiedenfarbigen Perlmutterblättchen fertig aufgeleimt, so werden die tiefer gelegenen Zwischenräume mit schwarzem Lack ausgefüllt. Zum Schluss wird das Ganze mit Trans-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/549>, abgerufen am 25.04.2024.