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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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7. Metallindustrie.
6--7 cm breiter, beiderseits scharfer Klinge. Indem man diese später
der Länge nach halbierte und etwas verkürzte, schuf man eine andere
Waffe, das Katana oder gewöhnliche Schwert der Japaner, mit einer
Schneide, welche gegen das Ende schwach gebogen ist. Dieses trug
der Samurai entweder allein, oder mit einem zweiten, dolchähnlichen,
kleineren zusammen an der linken Seite vom Gürtel gehalten. Diese
kleinere Waffe -- sie wurde in späterer Zeit auf 29 cm (91/2 Zoll) ver-
kürzt und auch beim Seppuku oder Bauchaufschlitzen gebraucht -- führt
den Namen Wakizashi.

Das Schwerterschmieden und -schleifen war eine mühevolle Ar-
beit, die viel Geschick und Uebung erforderte. Ueber die verschiedene
Art der Verbindung des harten Stahls mit dem weichen elastischen
Eisen gibt namentlich Hütterott nähere Auskunft. Das Härten (Yaki-
ba, von Yaki, brennen, und ha, Schneide) der Schneide wird mit Sorg-
falt im Kohlenofen so vorgenommen, dass man den weicheren Rücken
(Mune) und die Seiten bis zu einer gewissen Grenze mit feuerfestem
Thon umgibt, so dass nur die Schneide frei bleibt. Die Abkühlung
erfolgt in kaltem Wasser. So kommt es, dass man die gestählte
Schneide durch ihre Färbung und ihren Glanz vom Rücken sofort
scharf unterscheiden kann. Die Rücken der Messer, Aexte und anderer
Waffen werden entweder durch einseitiges Anschweissen oder dadurch
mit der Stahlschneide verbunden, dass man diese in eine ausgefalzte
Rinne des Rückenblattes schiebt und beiderseits anschweisst.

Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts gesellte sich der Künstler
zum Schmied, indem man anfing, neben der Klinge auch die Fassung
mehr zu berücksichtigen. Hierbei kommen insbesondere Tsuka, der
Griff, Tsuba, das Stichblatt, und Saya, die Scheide, in Betracht.

Der hölzerne Schwertgriff ist gegen 15 cm lang, im Querschnitt
länglich-oval, bedeckt mit körniger Haihaut oder andern Verzierungen,
ferner mit dem Me-nuki, zwei kleinen Metallornamenten, von denen
je eins ungefähr in der Mitte einer Seite befestigt ist. Am einen Ende
des Griffs gegen das Stichblatt befindet sich ein ovales Kupfer- oder
Bronzeplättchen, der Habaki oder Hals; am andern Ende ist Ka-
shira
, der Kopf, oder Tsuka-gashira, eine Metallkapsel. An ihren,
das Griffende umfassenden Längsseiten sind zwei Einschnitte ange-
bracht, durch welche eine starke, fast centimeterbreite seidene Schnur
führt. Dieselbe umwindet den ganzen Griff derart, dass sich ihre
beiden Hälften jedesmal auf den beiden schärfer gewölbten Seiten
dicht anschliessen, über den Breitseiten aber sich so kreuzen, dass
hier rautenförmige Maschen entstehen, durch welche die Verzierungen
des Griffs, einschliesslich der Me-nuke, hervortreten.

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7. Metallindustrie.
6—7 cm breiter, beiderseits scharfer Klinge. Indem man diese später
der Länge nach halbierte und etwas verkürzte, schuf man eine andere
Waffe, das Katana oder gewöhnliche Schwert der Japaner, mit einer
Schneide, welche gegen das Ende schwach gebogen ist. Dieses trug
der Samurai entweder allein, oder mit einem zweiten, dolchähnlichen,
kleineren zusammen an der linken Seite vom Gürtel gehalten. Diese
kleinere Waffe — sie wurde in späterer Zeit auf 29 cm (9½ Zoll) ver-
kürzt und auch beim Seppuku oder Bauchaufschlitzen gebraucht — führt
den Namen Wakizashi.

Das Schwerterschmieden und -schleifen war eine mühevolle Ar-
beit, die viel Geschick und Uebung erforderte. Ueber die verschiedene
Art der Verbindung des harten Stahls mit dem weichen elastischen
Eisen gibt namentlich Hütterott nähere Auskunft. Das Härten (Yaki-
ba, von Yaki, brennen, und ha, Schneide) der Schneide wird mit Sorg-
falt im Kohlenofen so vorgenommen, dass man den weicheren Rücken
(Mune) und die Seiten bis zu einer gewissen Grenze mit feuerfestem
Thon umgibt, so dass nur die Schneide frei bleibt. Die Abkühlung
erfolgt in kaltem Wasser. So kommt es, dass man die gestählte
Schneide durch ihre Färbung und ihren Glanz vom Rücken sofort
scharf unterscheiden kann. Die Rücken der Messer, Aexte und anderer
Waffen werden entweder durch einseitiges Anschweissen oder dadurch
mit der Stahlschneide verbunden, dass man diese in eine ausgefalzte
Rinne des Rückenblattes schiebt und beiderseits anschweisst.

Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts gesellte sich der Künstler
zum Schmied, indem man anfing, neben der Klinge auch die Fassung
mehr zu berücksichtigen. Hierbei kommen insbesondere Tsuka, der
Griff, Tsuba, das Stichblatt, und Saya, die Scheide, in Betracht.

Der hölzerne Schwertgriff ist gegen 15 cm lang, im Querschnitt
länglich-oval, bedeckt mit körniger Haihaut oder andern Verzierungen,
ferner mit dem Me-nuki, zwei kleinen Metallornamenten, von denen
je eins ungefähr in der Mitte einer Seite befestigt ist. Am einen Ende
des Griffs gegen das Stichblatt befindet sich ein ovales Kupfer- oder
Bronzeplättchen, der Habaki oder Hals; am andern Ende ist Ka-
shira
, der Kopf, oder Tsuka-gashira, eine Metallkapsel. An ihren,
das Griffende umfassenden Längsseiten sind zwei Einschnitte ange-
bracht, durch welche eine starke, fast centimeterbreite seidene Schnur
führt. Dieselbe umwindet den ganzen Griff derart, dass sich ihre
beiden Hälften jedesmal auf den beiden schärfer gewölbten Seiten
dicht anschliessen, über den Breitseiten aber sich so kreuzen, dass
hier rautenförmige Maschen entstehen, durch welche die Verzierungen
des Griffs, einschliesslich der Me-nuke, hervortreten.

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[515/0561] 7. Metallindustrie. 6—7 cm breiter, beiderseits scharfer Klinge. Indem man diese später der Länge nach halbierte und etwas verkürzte, schuf man eine andere Waffe, das Katana oder gewöhnliche Schwert der Japaner, mit einer Schneide, welche gegen das Ende schwach gebogen ist. Dieses trug der Samurai entweder allein, oder mit einem zweiten, dolchähnlichen, kleineren zusammen an der linken Seite vom Gürtel gehalten. Diese kleinere Waffe — sie wurde in späterer Zeit auf 29 cm (9½ Zoll) ver- kürzt und auch beim Seppuku oder Bauchaufschlitzen gebraucht — führt den Namen Wakizashi. Das Schwerterschmieden und -schleifen war eine mühevolle Ar- beit, die viel Geschick und Uebung erforderte. Ueber die verschiedene Art der Verbindung des harten Stahls mit dem weichen elastischen Eisen gibt namentlich Hütterott nähere Auskunft. Das Härten (Yaki- ba, von Yaki, brennen, und ha, Schneide) der Schneide wird mit Sorg- falt im Kohlenofen so vorgenommen, dass man den weicheren Rücken (Mune) und die Seiten bis zu einer gewissen Grenze mit feuerfestem Thon umgibt, so dass nur die Schneide frei bleibt. Die Abkühlung erfolgt in kaltem Wasser. So kommt es, dass man die gestählte Schneide durch ihre Färbung und ihren Glanz vom Rücken sofort scharf unterscheiden kann. Die Rücken der Messer, Aexte und anderer Waffen werden entweder durch einseitiges Anschweissen oder dadurch mit der Stahlschneide verbunden, dass man diese in eine ausgefalzte Rinne des Rückenblattes schiebt und beiderseits anschweisst. Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts gesellte sich der Künstler zum Schmied, indem man anfing, neben der Klinge auch die Fassung mehr zu berücksichtigen. Hierbei kommen insbesondere Tsuka, der Griff, Tsuba, das Stichblatt, und Saya, die Scheide, in Betracht. Der hölzerne Schwertgriff ist gegen 15 cm lang, im Querschnitt länglich-oval, bedeckt mit körniger Haihaut oder andern Verzierungen, ferner mit dem Me-nuki, zwei kleinen Metallornamenten, von denen je eins ungefähr in der Mitte einer Seite befestigt ist. Am einen Ende des Griffs gegen das Stichblatt befindet sich ein ovales Kupfer- oder Bronzeplättchen, der Habaki oder Hals; am andern Ende ist Ka- shira, der Kopf, oder Tsuka-gashira, eine Metallkapsel. An ihren, das Griffende umfassenden Längsseiten sind zwei Einschnitte ange- bracht, durch welche eine starke, fast centimeterbreite seidene Schnur führt. Dieselbe umwindet den ganzen Griff derart, dass sich ihre beiden Hälften jedesmal auf den beiden schärfer gewölbten Seiten dicht anschliessen, über den Breitseiten aber sich so kreuzen, dass hier rautenförmige Maschen entstehen, durch welche die Verzierungen des Griffs, einschliesslich der Me-nuke, hervortreten. 33*

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/561>, abgerufen am 24.04.2024.