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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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kräftigen Anstosses von aussen, um beide zu beseitigen und andere
Zustände herbeizuführen. Diesen Anstoss brachte die nordamerikani-
sche Expedition unter Commodore Perry im Jahre 1854. Es war der
Sauerteig, welcher die gebildete Klasse des japanischen Volkes von
einem Ende der langgestreckten Inselreihe bis zum andern in Gährung
versetzte, eine Gährung, die endlich mit der Beseitigung des Shogu-
nats und der Wiederaufrichtung der Mikadoherrschaft im Jahre 1868
ihren Höhepunkt erreichte. Wie diese Restauration zu Stande kam
und welche Kämpfe und Läuterungsprozesse sie noch zu bestehen
hatte, bevor sie als feste Grundlage einer neuen Zeit für Handel und
Wandel, wie für die ganze weitere Culturentwickelung des japanischen
Landes und Volkes gelten konnte, wurde im ersten Bande dieses Wer-
kes pg. 393--443 ausführlich erörtert. Es erübrigt nur noch die Ent-
wickelung des Aussenhandels kurz darzulegen, welche auf dieser neuen
Grundlage stattgefunden hat.

Nach dem "Vertrage von Kanagawa", welchen Commodore
Perry am 31. März 1854 im Namen der nordamerikanischen Union
mit der Regierung des Shogun abgeschlossen hatte und der im darauf
folgenden Frühjahr in Kraft trat, sollten vorerst die beiden Häfen
Shimoda in Idzu und Hakodate auf Yezo dem Verkehr der nord-
amerikanischen Schiffe geöffnet werden. Bald erwies sich jedoch
Shimoda als ungeeignet und Hakodate vom Centrum des nationalen
Lebens zu entfernt, um dem Hauptzweck des Vertrags dienen zu kön-
nen, so dass Generalconsul Harris auf Revision des Vertrages drang,
die er auch endlich durchsetzte.

Den amerikanischen Pionieren folgten bald die Russen, Fran-
zosen und Engländer, dann 1860 Preussen, Holländer und andere
Nationen und erlangten gleich Rechte. Die Verträge, welche mit
der Regierung des Shogun in Yedo abgeschlossen wurden zur Zeit,
als man von deren Verhältniss zum Mikado noch keine genügende
Kenntniss hatte, wurden 1865 von letzterem bestätigt. Die wichtigsten
Bestimmungen derselben sind folgende:

1) Diplomatische Agenten der betreffenden Regierungen erhalten
das Recht, in Yedo zu wohnen, stehen unter dem Schutz des Shogun
und dürfen im Lande ungehindert reisen.

Ebenso dürfen die Vertragsmächte in allen, dem Verkehr geöffne-
ten Hafenstädten Consulate errichten.

3) Kanagawa (Yokohama), Nagasaki und Hakodate werden am
1. Juli 1859 dem fremden Verkehr geöffnet, Niigata 1860, Hiogo (Kobe)
und Ozaka 1863.

4) An jedem dieser Orte wird den Fremden ein bestimmtes Ter-

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kräftigen Anstosses von aussen, um beide zu beseitigen und andere
Zustände herbeizuführen. Diesen Anstoss brachte die nordamerikani-
sche Expedition unter Commodore Perry im Jahre 1854. Es war der
Sauerteig, welcher die gebildete Klasse des japanischen Volkes von
einem Ende der langgestreckten Inselreihe bis zum andern in Gährung
versetzte, eine Gährung, die endlich mit der Beseitigung des Shôgu-
nats und der Wiederaufrichtung der Mikadoherrschaft im Jahre 1868
ihren Höhepunkt erreichte. Wie diese Restauration zu Stande kam
und welche Kämpfe und Läuterungsprozesse sie noch zu bestehen
hatte, bevor sie als feste Grundlage einer neuen Zeit für Handel und
Wandel, wie für die ganze weitere Culturentwickelung des japanischen
Landes und Volkes gelten konnte, wurde im ersten Bande dieses Wer-
kes pg. 393—443 ausführlich erörtert. Es erübrigt nur noch die Ent-
wickelung des Aussenhandels kurz darzulegen, welche auf dieser neuen
Grundlage stattgefunden hat.

Nach dem »Vertrage von Kanagawa«, welchen Commodore
Perry am 31. März 1854 im Namen der nordamerikanischen Union
mit der Regierung des Shôgun abgeschlossen hatte und der im darauf
folgenden Frühjahr in Kraft trat, sollten vorerst die beiden Häfen
Shimoda in Idzu und Hakodate auf Yezo dem Verkehr der nord-
amerikanischen Schiffe geöffnet werden. Bald erwies sich jedoch
Shimoda als ungeeignet und Hakodate vom Centrum des nationalen
Lebens zu entfernt, um dem Hauptzweck des Vertrags dienen zu kön-
nen, so dass Generalconsul Harris auf Revision des Vertrages drang,
die er auch endlich durchsetzte.

Den amerikanischen Pionieren folgten bald die Russen, Fran-
zosen und Engländer, dann 1860 Preussen, Holländer und andere
Nationen und erlangten gleich Rechte. Die Verträge, welche mit
der Regierung des Shôgun in Yedo abgeschlossen wurden zur Zeit,
als man von deren Verhältniss zum Mikado noch keine genügende
Kenntniss hatte, wurden 1865 von letzterem bestätigt. Die wichtigsten
Bestimmungen derselben sind folgende:

1) Diplomatische Agenten der betreffenden Regierungen erhalten
das Recht, in Yedo zu wohnen, stehen unter dem Schutz des Shôgun
und dürfen im Lande ungehindert reisen.

Ebenso dürfen die Vertragsmächte in allen, dem Verkehr geöffne-
ten Hafenstädten Consulate errichten.

3) Kanagawa (Yokohama), Nagasaki und Hakodate werden am
1. Juli 1859 dem fremden Verkehr geöffnet, Niigata 1860, Hiogo (Kobe)
und Ôzaka 1863.

4) An jedem dieser Orte wird den Fremden ein bestimmtes Ter-

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[627/0687] 4. Japan im Weltverkehr. kräftigen Anstosses von aussen, um beide zu beseitigen und andere Zustände herbeizuführen. Diesen Anstoss brachte die nordamerikani- sche Expedition unter Commodore Perry im Jahre 1854. Es war der Sauerteig, welcher die gebildete Klasse des japanischen Volkes von einem Ende der langgestreckten Inselreihe bis zum andern in Gährung versetzte, eine Gährung, die endlich mit der Beseitigung des Shôgu- nats und der Wiederaufrichtung der Mikadoherrschaft im Jahre 1868 ihren Höhepunkt erreichte. Wie diese Restauration zu Stande kam und welche Kämpfe und Läuterungsprozesse sie noch zu bestehen hatte, bevor sie als feste Grundlage einer neuen Zeit für Handel und Wandel, wie für die ganze weitere Culturentwickelung des japanischen Landes und Volkes gelten konnte, wurde im ersten Bande dieses Wer- kes pg. 393—443 ausführlich erörtert. Es erübrigt nur noch die Ent- wickelung des Aussenhandels kurz darzulegen, welche auf dieser neuen Grundlage stattgefunden hat. Nach dem »Vertrage von Kanagawa«, welchen Commodore Perry am 31. März 1854 im Namen der nordamerikanischen Union mit der Regierung des Shôgun abgeschlossen hatte und der im darauf folgenden Frühjahr in Kraft trat, sollten vorerst die beiden Häfen Shimoda in Idzu und Hakodate auf Yezo dem Verkehr der nord- amerikanischen Schiffe geöffnet werden. Bald erwies sich jedoch Shimoda als ungeeignet und Hakodate vom Centrum des nationalen Lebens zu entfernt, um dem Hauptzweck des Vertrags dienen zu kön- nen, so dass Generalconsul Harris auf Revision des Vertrages drang, die er auch endlich durchsetzte. Den amerikanischen Pionieren folgten bald die Russen, Fran- zosen und Engländer, dann 1860 Preussen, Holländer und andere Nationen und erlangten gleich Rechte. Die Verträge, welche mit der Regierung des Shôgun in Yedo abgeschlossen wurden zur Zeit, als man von deren Verhältniss zum Mikado noch keine genügende Kenntniss hatte, wurden 1865 von letzterem bestätigt. Die wichtigsten Bestimmungen derselben sind folgende: 1) Diplomatische Agenten der betreffenden Regierungen erhalten das Recht, in Yedo zu wohnen, stehen unter dem Schutz des Shôgun und dürfen im Lande ungehindert reisen. Ebenso dürfen die Vertragsmächte in allen, dem Verkehr geöffne- ten Hafenstädten Consulate errichten. 3) Kanagawa (Yokohama), Nagasaki und Hakodate werden am 1. Juli 1859 dem fremden Verkehr geöffnet, Niigata 1860, Hiogo (Kobe) und Ôzaka 1863. 4) An jedem dieser Orte wird den Fremden ein bestimmtes Ter- 40*

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/687>, abgerufen am 23.04.2024.