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Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721.

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würde: wofür S. Paulus so ernstlich warnet Gal. 4. v. 9. Nun ihr GOtt erkennt habt/ wie wendet ihr euch dann um wieder zu den Schwachen und Dürfftigen Satzungen / welchen ihr von neuen an dienen wollet? Item Gal. 5. v. I. bestehet nun in der Freyheit damit uns Christus befreyet hat/ und lasset euch nicht wiedrum in das knechtische Joch fangen.

Das Fünffzehende Capitel.

Was das für Wercke seyn/ so die Papisten Wercke der Ubermaß opera supererogationis nennen.

DIe Papisten rühmen sich gar hoch mit stoltzem Ubermuht/ und sprechen: durch die Wercke der Ubermaß/ fürnemlich durch die drey geistliche Gelübden der Armuht/ Keuschheit/ und des Gehorsams gelange der Mensch erst recht zur Vollkommenheit. Und ist also

Der erster Irrthum der Papisten

Daß der Mensch mehr leisten könne/ fürnemlich durch die Closter-Gelübden/ als von ihm im Gesetz wird erfordert.

Dann erstlich: Act. 20. v. 27. spricht S. Paulus, er habe nichts verhalten/ das er nicht verkündiget hätte/ allen den Raht Gottes. Und dannoch thut er nirgend die geringste Meldung der abergläubischen Closter gelübden.

Zweitens: Christus spricht selbst: Wann ihr alles gethan habt/ was ihr thun sollet/ so sprechet/ wir seynd unnütze Knechte. Luc 17. v. 10. Und/ wie unten an seinem Ort soll er wiesen werden/ ist bey keinem eintzigen Menschen in dieser Welt eine gantz vollkommene Erfüllung des Gesetzes: will geschweigen/ Wercke der Ubermaß noch zu suchen noch zu finden. Ist also auch

Der Zweyter Irrthum.

Das Christus habe ein neues vollkommners Gesetz gegeben/ in dem Er zu dem Gesetz auch Evangelische Consilia oder Rähte/ oder Gutbedüncken habe hinzu gethan.

Dann erstlich: so seynd die Reden des H. Geistes (so die Papisten Consilia-Rähte oder Gutbedüncken nennen) nichts anders/ als gründliche Meinungen und Befehl/ ja gewisse Auslegungen der Zehn Geboten Gottes: das nemlich/ wo es die Ehr Gottes erfordert/ man darzu gebunden seye/ alles Zeitliches in die Schantz zu schlagen/ und willig im Stich zu lassen: daraus doch die Papisten ihre Evangelische Consilia oder Rähte schnitzlen wollen.

Zum andern: so ist ja Christus kein Gesetz-geber: sondern ein Mittler: dann wie Joannes spricht: Das Gesetz ist durch Mosen gegeben/ die Gnade und Warheit ist durch JEsum Christum worden. Joh. I. v. 17. Wie Er dann auch darum/ damit er nicht für einen Gesetz-geber geachtet oder gehalten würde/ niemand richten wolle. Luc. 12. v. 14. Da Er spricht: Mensch wer hat mich zum Richter über euch gesetzet? Item Ich richte niemand/ Joh 8. v. 15. Dahero auch die Predigt des Evangelii/ oder die Verkündigung von Christo / genennet wird das Ampt der Versöhnung I. Cor. 2. v. 18. und nicht die Predigt oder Verkündigung des Gesetzes.

Einrede der Papisten.

I. Sagt doch Christus austrücklich: Ein neu Gebot gebe ich euch/ daß ihr euch untereinander liebet/ Joh. 15. v. 12. So hat auch Christus die Viel-weiberey oder polygamie abgeschafft/ und befohlen/ es solle sich ein Mann nur mit einem Weib verehligen/ und sich damit befriedigen lassen/ Matth. 19. v. 9. Wiederum hat Christus als ein Be-

würde: wofür S. Paulus so ernstlich warnet Gal. 4. v. 9. Nun ihr GOtt erkennt habt/ wie wendet ihr euch dann um wieder zu den Schwachen und Dürfftigen Satzungen / welchen ihr von neuen an dienen wollet? Item Gal. 5. v. I. bestehet nun in der Freyheit damit uns Christus befreyet hat/ und lasset euch nicht wiedrum in das knechtische Joch fangen.

Das Fünffzehende Capitel.

Was das für Wercke seyn/ so die Papisten Wercke der Ubermaß opera supererogationis nennen.

DIe Papisten rühmen sich gar hoch mit stoltzem Ubermuht/ und sprechen: durch die Wercke der Ubermaß/ fürnemlich durch die drey geistliche Gelübden der Armuht/ Keuschheit/ und des Gehorsams gelange der Mensch erst recht zur Vollkommenheit. Und ist also

Der erster Irrthum der Papisten

Daß der Mensch mehr leisten könne/ fürnemlich durch die Closter-Gelübden/ als von ihm im Gesetz wird erfordert.

Dann erstlich: Act. 20. v. 27. spricht S. Paulus, er habe nichts verhalten/ das er nicht verkündiget hätte/ allen den Raht Gottes. Und dannoch thut er nirgend die geringste Meldung der abergläubischen Closter gelübden.

Zweitens: Christus spricht selbst: Wann ihr alles gethan habt/ was ihr thun sollet/ so sprechet/ wir seynd unnütze Knechte. Luc 17. v. 10. Und/ wie unten an seinem Ort soll er wiesen werden/ ist bey keinem eintzigen Menschen in dieser Welt eine gantz vollkommene Erfüllung des Gesetzes: will geschweigen/ Wercke der Ubermaß noch zu suchen noch zu finden. Ist also auch

Der Zweyter Irrthum.

Das Christus habe ein neues vollkommners Gesetz gegeben/ in dem Er zu dem Gesetz auch Evangelische Consilia oder Rähte/ oder Gutbedüncken habe hinzu gethan.

Dann erstlich: so seynd die Reden des H. Geistes (so die Papisten Consilia-Rähte oder Gutbedüncken nennen) nichts anders/ als gründliche Meinungen und Befehl/ ja gewisse Auslegungen der Zehn Geboten Gottes: das nemlich/ wo es die Ehr Gottes erfordert/ man darzu gebunden seye/ alles Zeitliches in die Schantz zu schlagen/ und willig im Stich zu lassen: daraus doch die Papisten ihre Evangelische Consilia oder Rähte schnitzlen wollen.

Zum andern: so ist ja Christus kein Gesetz-geber: sondern ein Mittler: dann wie Joannes spricht: Das Gesetz ist durch Mosen gegeben/ die Gnade und Warheit ist durch JEsum Christum worden. Joh. I. v. 17. Wie Er dann auch darum/ damit er nicht für einen Gesetz-geber geachtet oder gehalten würde/ niemand richten wolle. Luc. 12. v. 14. Da Er spricht: Mensch wer hat mich zum Richter über euch gesetzet? Item Ich richte niemand/ Joh 8. v. 15. Dahero auch die Predigt des Evangelii/ oder die Verkündigung von Christo / genennet wird das Ampt der Versöhnung I. Cor. 2. v. 18. und nicht die Predigt oder Verkündigung des Gesetzes.

Einrede der Papisten.

I. Sagt doch Christus austrücklich: Ein neu Gebot gebe ich euch/ daß ihr euch untereinander liebet/ Joh. 15. v. 12. So hat auch Christus die Viel-weiberey oder polygamie abgeschafft/ und befohlen/ es solle sich ein Mann nur mit einem Weib verehligen/ und sich damit befriedigen lassen/ Matth. 19. v. 9. Wiederum hat Christus als ein Be-

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        <p>Dann erstlich: Act. 20. v. 27. spricht S. Paulus, er habe nichts verhalten/ das er nicht            verkündiget hätte/ allen den Raht Gottes. Und dannoch thut er nirgend die geringste            Meldung der abergläubischen Closter gelübden.</p>
        <p>Zweitens: Christus spricht selbst: Wann ihr alles gethan habt/ was ihr thun sollet/ so            sprechet/ wir seynd unnütze Knechte. Luc 17. v. 10. Und/ wie unten an seinem Ort soll er            wiesen werden/ ist bey keinem eintzigen Menschen in dieser Welt eine gantz vollkommene            Erfüllung des Gesetzes: will geschweigen/ Wercke der Ubermaß noch zu suchen noch zu            finden. Ist also auch</p>
        <p>Der Zweyter Irrthum.</p>
        <p>Das Christus habe ein neues vollkommners Gesetz gegeben/ in dem Er zu dem Gesetz auch            Evangelische Consilia oder Rähte/ oder Gutbedüncken habe hinzu gethan.</p>
        <p>Dann erstlich: so seynd die Reden des H. Geistes (so die Papisten Consilia-Rähte oder            Gutbedüncken nennen) nichts anders/ als gründliche Meinungen und Befehl/ ja gewisse            Auslegungen der Zehn Geboten Gottes: das nemlich/ wo es die Ehr Gottes erfordert/ man            darzu gebunden seye/ alles Zeitliches in die Schantz zu schlagen/ und willig im Stich zu            lassen: daraus doch die Papisten ihre Evangelische Consilia oder Rähte schnitzlen            wollen.</p>
        <p>Zum andern: so ist ja Christus kein Gesetz-geber: sondern ein Mittler: dann wie Joannes            spricht: Das Gesetz ist durch Mosen gegeben/ die Gnade und Warheit ist durch JEsum            Christum worden. Joh. I. v. 17. Wie Er dann auch darum/ damit er nicht für einen            Gesetz-geber geachtet oder gehalten würde/ niemand richten wolle. Luc. 12. v. 14. Da Er            spricht: Mensch wer hat mich zum Richter über euch gesetzet? Item Ich richte niemand/ Joh            8. v. 15. Dahero auch die Predigt des Evangelii/ oder die Verkündigung von Christo /            genennet wird das Ampt der Versöhnung I. Cor. 2. v. 18. und nicht die Predigt oder            Verkündigung des Gesetzes.</p>
        <p>Einrede der Papisten.</p>
        <p>I. Sagt doch Christus austrücklich: Ein neu Gebot gebe ich euch/ daß ihr euch            untereinander liebet/ Joh. 15. v. 12. So hat auch Christus die Viel-weiberey oder            polygamie abgeschafft/ und befohlen/ es solle sich ein Mann nur mit einem Weib            verehligen/ und sich damit befriedigen lassen/ Matth. 19. v. 9. Wiederum hat Christus            als ein Be-
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[219/0239] würde: wofür S. Paulus so ernstlich warnet Gal. 4. v. 9. Nun ihr GOtt erkennt habt/ wie wendet ihr euch dann um wieder zu den Schwachen und Dürfftigen Satzungen / welchen ihr von neuen an dienen wollet? Item Gal. 5. v. I. bestehet nun in der Freyheit damit uns Christus befreyet hat/ und lasset euch nicht wiedrum in das knechtische Joch fangen. Das Fünffzehende Capitel. Was das für Wercke seyn/ so die Papisten Wercke der Ubermaß opera supererogationis nennen. DIe Papisten rühmen sich gar hoch mit stoltzem Ubermuht/ und sprechen: durch die Wercke der Ubermaß/ fürnemlich durch die drey geistliche Gelübden der Armuht/ Keuschheit/ und des Gehorsams gelange der Mensch erst recht zur Vollkommenheit. Und ist also Der erster Irrthum der Papisten Daß der Mensch mehr leisten könne/ fürnemlich durch die Closter-Gelübden/ als von ihm im Gesetz wird erfordert. Dann erstlich: Act. 20. v. 27. spricht S. Paulus, er habe nichts verhalten/ das er nicht verkündiget hätte/ allen den Raht Gottes. Und dannoch thut er nirgend die geringste Meldung der abergläubischen Closter gelübden. Zweitens: Christus spricht selbst: Wann ihr alles gethan habt/ was ihr thun sollet/ so sprechet/ wir seynd unnütze Knechte. Luc 17. v. 10. Und/ wie unten an seinem Ort soll er wiesen werden/ ist bey keinem eintzigen Menschen in dieser Welt eine gantz vollkommene Erfüllung des Gesetzes: will geschweigen/ Wercke der Ubermaß noch zu suchen noch zu finden. Ist also auch Der Zweyter Irrthum. Das Christus habe ein neues vollkommners Gesetz gegeben/ in dem Er zu dem Gesetz auch Evangelische Consilia oder Rähte/ oder Gutbedüncken habe hinzu gethan. Dann erstlich: so seynd die Reden des H. Geistes (so die Papisten Consilia-Rähte oder Gutbedüncken nennen) nichts anders/ als gründliche Meinungen und Befehl/ ja gewisse Auslegungen der Zehn Geboten Gottes: das nemlich/ wo es die Ehr Gottes erfordert/ man darzu gebunden seye/ alles Zeitliches in die Schantz zu schlagen/ und willig im Stich zu lassen: daraus doch die Papisten ihre Evangelische Consilia oder Rähte schnitzlen wollen. Zum andern: so ist ja Christus kein Gesetz-geber: sondern ein Mittler: dann wie Joannes spricht: Das Gesetz ist durch Mosen gegeben/ die Gnade und Warheit ist durch JEsum Christum worden. Joh. I. v. 17. Wie Er dann auch darum/ damit er nicht für einen Gesetz-geber geachtet oder gehalten würde/ niemand richten wolle. Luc. 12. v. 14. Da Er spricht: Mensch wer hat mich zum Richter über euch gesetzet? Item Ich richte niemand/ Joh 8. v. 15. Dahero auch die Predigt des Evangelii/ oder die Verkündigung von Christo / genennet wird das Ampt der Versöhnung I. Cor. 2. v. 18. und nicht die Predigt oder Verkündigung des Gesetzes. Einrede der Papisten. I. Sagt doch Christus austrücklich: Ein neu Gebot gebe ich euch/ daß ihr euch untereinander liebet/ Joh. 15. v. 12. So hat auch Christus die Viel-weiberey oder polygamie abgeschafft/ und befohlen/ es solle sich ein Mann nur mit einem Weib verehligen/ und sich damit befriedigen lassen/ Matth. 19. v. 9. Wiederum hat Christus als ein Be-

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Zitationshilfe: Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rempen_schaubuehne_1721/239>, abgerufen am 29.03.2024.