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Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

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Nein, es liegt wohl nicht in meinem Bereich, kosmische Feste zu schildern -- was ich da mit schöner, ordentlicher Schrift in meine Hefte male, mutet mich selbst so nüchtern und farblos an. Sicher war auch in dem Ganzen weit mehr Rausch und mystischer Gehalt, als ich hier wiederzugeben weiß. Vielleicht auch fehlt mir nur die Fähigkeit, es so zu erleben, ich bleibe immer an der Schwelle stehen, ich bin kein Enthusiast, kein Schwärmer, kein Bacchant, ich bin nur Herr Dame.

Man hat in ganz Wahnmoching und darüber hinaus tagelang nur von diesem Fest gesprochen -- Laien und Eingeweihte --, es scheinen ungeheuerliche Gerüchte darüber umzugehen. So fragte mich heute der alte Hofrat, den ich an der Trambahnhaltestelle traf, ob ich denn wirklich an diesen Orgien teilnehme, bei denen arge und bedenkliche Dinge stattfinden sollten, zum Beispiel den Göttern zu Ehren rauchendes Blut aus Schalen getrunken würde. Mir ging dies verständnislose Geschwätz

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Nein, es liegt wohl nicht in meinem Bereich, kosmische Feste zu schildern — was ich da mit schöner, ordentlicher Schrift in meine Hefte male, mutet mich selbst so nüchtern und farblos an. Sicher war auch in dem Ganzen weit mehr Rausch und mystischer Gehalt, als ich hier wiederzugeben weiß. Vielleicht auch fehlt mir nur die Fähigkeit, es so zu erleben, ich bleibe immer an der Schwelle stehen, ich bin kein Enthusiast, kein Schwärmer, kein Bacchant, ich bin nur Herr Dame.

Man hat in ganz Wahnmoching und darüber hinaus tagelang nur von diesem Fest gesprochen — Laien und Eingeweihte —, es scheinen ungeheuerliche Gerüchte darüber umzugehen. So fragte mich heute der alte Hofrat, den ich an der Trambahnhaltestelle traf, ob ich denn wirklich an diesen Orgien teilnehme, bei denen arge und bedenkliche Dinge stattfinden sollten, zum Beispiel den Göttern zu Ehren rauchendes Blut aus Schalen getrunken würde. Mir ging dies verständnislose Geschwätz

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[134/0138] 12 Zwei Tage später … Nein, es liegt wohl nicht in meinem Bereich, kosmische Feste zu schildern — was ich da mit schöner, ordentlicher Schrift in meine Hefte male, mutet mich selbst so nüchtern und farblos an. Sicher war auch in dem Ganzen weit mehr Rausch und mystischer Gehalt, als ich hier wiederzugeben weiß. Vielleicht auch fehlt mir nur die Fähigkeit, es so zu erleben, ich bleibe immer an der Schwelle stehen, ich bin kein Enthusiast, kein Schwärmer, kein Bacchant, ich bin nur Herr Dame. Man hat in ganz Wahnmoching und darüber hinaus tagelang nur von diesem Fest gesprochen — Laien und Eingeweihte —, es scheinen ungeheuerliche Gerüchte darüber umzugehen. So fragte mich heute der alte Hofrat, den ich an der Trambahnhaltestelle traf, ob ich denn wirklich an diesen Orgien teilnehme, bei denen arge und bedenkliche Dinge stattfinden sollten, zum Beispiel den Göttern zu Ehren rauchendes Blut aus Schalen getrunken würde. Mir ging dies verständnislose Geschwätz

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Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/138>, abgerufen am 28.03.2024.