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Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

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Vermutung laut, daß zuletzt nur Hallwig und Delius übrig bleiben und den Rest ihres Lebens an einsamen Altären vertrauern werden.

Mein Roman, -- ich fürchte, er wird nie geschrieben werden. Es bedürfte wohl einer geübteren Hand als der meinen, um aus dem, was ich hier erlebte und erleben sah, eine nur halbwegs zusammenhängende Handlung zu gestalten. Und selbst, wenn ich es könnte, -- es kommt mir vor, als ob der Leser sich um den Höhepunkt der Handlung, den er doch dazu mit gutem Recht erwartet, betrogen fühlen würde. Denn eben dieser Höhepunkt ist nie gekommen, -- es war alles schon vorher zu Ende.

Der Höhepunkt würde fehlen, und die letzten Kapitel würden ihn schmerzlich anmuten. Ich weiß ja selbst noch nicht, wie ich sie überstehen soll.

Alle gehen fort, -- auch die Eckhausbewohner gedenken Wahnmoching auf unbestimmte Zeit zu verlassen. Sie luden mich aufs Herzlichste ein, mitzukommen, aber ich fühle nicht mehr die Kraft dazu.

Ich weiß jetzt auch, daß Susanna mich niemals lieben wird, -- ihr Herz wird immer irgendeinem anderen gehören. Jetzt blutet es noch um den Panther, der

Vermutung laut, daß zuletzt nur Hallwig und Delius übrig bleiben und den Rest ihres Lebens an einsamen Altären vertrauern werden.

Mein Roman, — ich fürchte, er wird nie geschrieben werden. Es bedürfte wohl einer geübteren Hand als der meinen, um aus dem, was ich hier erlebte und erleben sah, eine nur halbwegs zusammenhängende Handlung zu gestalten. Und selbst, wenn ich es könnte, — es kommt mir vor, als ob der Leser sich um den Höhepunkt der Handlung, den er doch dazu mit gutem Recht erwartet, betrogen fühlen würde. Denn eben dieser Höhepunkt ist nie gekommen, — es war alles schon vorher zu Ende.

Der Höhepunkt würde fehlen, und die letzten Kapitel würden ihn schmerzlich anmuten. Ich weiß ja selbst noch nicht, wie ich sie überstehen soll.

Alle gehen fort, — auch die Eckhausbewohner gedenken Wahnmoching auf unbestimmte Zeit zu verlassen. Sie luden mich aufs Herzlichste ein, mitzukommen, aber ich fühle nicht mehr die Kraft dazu.

Ich weiß jetzt auch, daß Susanna mich niemals lieben wird, — ihr Herz wird immer irgendeinem anderen gehören. Jetzt blutet es noch um den Panther, der

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[188/0192] Vermutung laut, daß zuletzt nur Hallwig und Delius übrig bleiben und den Rest ihres Lebens an einsamen Altären vertrauern werden. Im Mai … Mein Roman, — ich fürchte, er wird nie geschrieben werden. Es bedürfte wohl einer geübteren Hand als der meinen, um aus dem, was ich hier erlebte und erleben sah, eine nur halbwegs zusammenhängende Handlung zu gestalten. Und selbst, wenn ich es könnte, — es kommt mir vor, als ob der Leser sich um den Höhepunkt der Handlung, den er doch dazu mit gutem Recht erwartet, betrogen fühlen würde. Denn eben dieser Höhepunkt ist nie gekommen, — es war alles schon vorher zu Ende. Der Höhepunkt würde fehlen, und die letzten Kapitel würden ihn schmerzlich anmuten. Ich weiß ja selbst noch nicht, wie ich sie überstehen soll. Alle gehen fort, — auch die Eckhausbewohner gedenken Wahnmoching auf unbestimmte Zeit zu verlassen. Sie luden mich aufs Herzlichste ein, mitzukommen, aber ich fühle nicht mehr die Kraft dazu. Ich weiß jetzt auch, daß Susanna mich niemals lieben wird, — ihr Herz wird immer irgendeinem anderen gehören. Jetzt blutet es noch um den Panther, der

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Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/192>, abgerufen am 19.04.2024.