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Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

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ich habe mich gar nicht darum gekümmert, wie der Stadtteil heißt, in dem ich wohne. In Berlin weiß man es, aber hier doch nicht. Ich begriff wirklich nicht, was daran "enorm" sein sollte. Ja, sagten sie, das sei es ja eben, -- ich wäre in allem so unbewußt.

Sonst bin ich wirklich ein geduldiger Mensch, aber ich hatte allmählich den Eindruck, als ob man mich mystifizieren wollte, und sagte, den Ausdruck "Wahnmochingerei" hätte ich schon gehört. Der Professor wurde stutzig und fragte, von wem denn?

"Von Doktor Sendt, dem Philosophen."

"Ah -- Sie kennen Doktor Sendt?" es klang beinah, als ob ihn das verstimmte. Aber dann wurde er wieder sehr herzlich und lud mich ein, ihn zu besuchen und zu seinem Jour zu kommen.

Nachts um ein Uhr den Philosophen auf der Straße getroffen -- wir gehen noch lange auf und ab, ich erzähle ihm von dem Abend bei Heinz und bitte um einige Aufklärungen.

Warum es "enorm" ist, wenn man Spiritus in Kupferschalen verbrennt und jemand die Hände darüber hält -- ich kann immer noch nicht vergessen, wie grünlich das ganze Mädchen aussah --, warum geraten

ich habe mich gar nicht darum gekümmert, wie der Stadtteil heißt, in dem ich wohne. In Berlin weiß man es, aber hier doch nicht. Ich begriff wirklich nicht, was daran „enorm“ sein sollte. Ja, sagten sie, das sei es ja eben, — ich wäre in allem so unbewußt.

Sonst bin ich wirklich ein geduldiger Mensch, aber ich hatte allmählich den Eindruck, als ob man mich mystifizieren wollte, und sagte, den Ausdruck „Wahnmochingerei“ hätte ich schon gehört. Der Professor wurde stutzig und fragte, von wem denn?

„Von Doktor Sendt, dem Philosophen.“

„Ah — Sie kennen Doktor Sendt?“ es klang beinah, als ob ihn das verstimmte. Aber dann wurde er wieder sehr herzlich und lud mich ein, ihn zu besuchen und zu seinem Jour zu kommen.

Nachts um ein Uhr den Philosophen auf der Straße getroffen — wir gehen noch lange auf und ab, ich erzähle ihm von dem Abend bei Heinz und bitte um einige Aufklärungen.

Warum es „enorm“ ist, wenn man Spiritus in Kupferschalen verbrennt und jemand die Hände darüber hält — ich kann immer noch nicht vergessen, wie grünlich das ganze Mädchen aussah —, warum geraten

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[31/0035] ich habe mich gar nicht darum gekümmert, wie der Stadtteil heißt, in dem ich wohne. In Berlin weiß man es, aber hier doch nicht. Ich begriff wirklich nicht, was daran „enorm“ sein sollte. Ja, sagten sie, das sei es ja eben, — ich wäre in allem so unbewußt. Sonst bin ich wirklich ein geduldiger Mensch, aber ich hatte allmählich den Eindruck, als ob man mich mystifizieren wollte, und sagte, den Ausdruck „Wahnmochingerei“ hätte ich schon gehört. Der Professor wurde stutzig und fragte, von wem denn? „Von Doktor Sendt, dem Philosophen.“ „Ah — Sie kennen Doktor Sendt?“ es klang beinah, als ob ihn das verstimmte. Aber dann wurde er wieder sehr herzlich und lud mich ein, ihn zu besuchen und zu seinem Jour zu kommen. den 18. … Nachts um ein Uhr den Philosophen auf der Straße getroffen — wir gehen noch lange auf und ab, ich erzähle ihm von dem Abend bei Heinz und bitte um einige Aufklärungen. Warum es „enorm“ ist, wenn man Spiritus in Kupferschalen verbrennt und jemand die Hände darüber hält — ich kann immer noch nicht vergessen, wie grünlich das ganze Mädchen aussah —, warum geraten

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Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/35>, abgerufen am 18.04.2024.