Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Geschichte

Sie gestand aus Verwirrung, daß es vor ge-
wesen wäre, mich etwas enger einzuschräncken,
damit ich nicht spatzieren gehen könnte, wenn ich
wollte: allein die Nachricht, die sie geben woll-
te, würde zu meinem Vortheil gereichen. Es
hätte jemand vorgestellet: es wäre nicht nöthig
mich enger einzuschräncken; denn aus Herrn
Lovelaces Drohung mich zu entführen, wenn
ich nach meines Onckles Gut gebracht würde,
könnte man sehen, daß ich nicht den Vorsatz hät-
te, mit ihm durchzugehen, ich würde sonst
schon seit einiger Zeit Anstalten dazu gemacht ha-
ben, und diese hätten nicht verborgen bleiben kön-
nen. Hieraus habe man den gewissen Schluß
gemacht, daß ich doch zuletzt nachgeben würde.
Das dreiste Mädchen setzte noch hinzu: und,
gnädige Fräulein, wenn sie nicht nachgeben wol-
len, so erlauben sie mir zu sagen, daß mir ihre
Aufführung sonderbahr vorkommt. - - Sie
sagte, sie wüste das nicht mit einander zu reimen,
als nur auf die Weise, daß ich etwan nicht wüß-
te wie ich mit guter Art zurück kommen solte,
nachdem ich einmahl so weit gegangen wäre:
wenn aber alle meine Verwanten beysammen
wären, so würde ich Herrn Solmes meine Hand
ohne Zweiffel geben. Und denn würde der Text
wahr werden, darüber der Herr D. Brand am
vorigen Sonntage so eine schöne Predigt gehal-
ten hätte: Es wird Freude im Himmel
seyn.

Mein
Die Geſchichte

Sie geſtand aus Verwirrung, daß es vor ge-
weſen waͤre, mich etwas enger einzuſchraͤncken,
damit ich nicht ſpatzieren gehen koͤnnte, wenn ich
wollte: allein die Nachricht, die ſie geben woll-
te, wuͤrde zu meinem Vortheil gereichen. Es
haͤtte jemand vorgeſtellet: es waͤre nicht noͤthig
mich enger einzuſchraͤncken; denn aus Herrn
Lovelaces Drohung mich zu entfuͤhren, wenn
ich nach meines Onckles Gut gebracht wuͤrde,
koͤnnte man ſehen, daß ich nicht den Vorſatz haͤt-
te, mit ihm durchzugehen, ich wuͤrde ſonſt
ſchon ſeit einiger Zeit Anſtalten dazu gemacht ha-
ben, und dieſe haͤtten nicht verborgen bleiben koͤn-
nen. Hieraus habe man den gewiſſen Schluß
gemacht, daß ich doch zuletzt nachgeben wuͤrde.
Das dreiſte Maͤdchen ſetzte noch hinzu: und,
gnaͤdige Fraͤulein, wenn ſie nicht nachgeben wol-
len, ſo erlauben ſie mir zu ſagen, daß mir ihre
Auffuͤhrung ſonderbahr vorkommt. ‒ ‒ Sie
ſagte, ſie wuͤſte das nicht mit einander zu reimen,
als nur auf die Weiſe, daß ich etwan nicht wuͤß-
te wie ich mit guter Art zuruͤck kommen ſolte,
nachdem ich einmahl ſo weit gegangen waͤre:
wenn aber alle meine Verwanten beyſammen
waͤren, ſo wuͤrde ich Herrn Solmes meine Hand
ohne Zweiffel geben. Und denn wuͤrde der Text
wahr werden, daruͤber der Herr D. Brand am
vorigen Sonntage ſo eine ſchoͤne Predigt gehal-
ten haͤtte: Es wird Freude im Himmel
ſeyn.

Mein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0502" n="496"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi> </hi> </fw><lb/>
          <p>Sie ge&#x017F;tand aus Verwirrung, daß es vor ge-<lb/>
we&#x017F;en wa&#x0364;re, mich etwas enger einzu&#x017F;chra&#x0364;ncken,<lb/>
damit ich nicht &#x017F;patzieren gehen ko&#x0364;nnte, wenn ich<lb/>
wollte: allein die Nachricht, die &#x017F;ie geben woll-<lb/>
te, wu&#x0364;rde zu meinem Vortheil gereichen. Es<lb/>
ha&#x0364;tte jemand vorge&#x017F;tellet: es wa&#x0364;re nicht no&#x0364;thig<lb/>
mich enger einzu&#x017F;chra&#x0364;ncken; denn aus Herrn<lb/><hi rendition="#fr">Lovelaces</hi> Drohung mich zu entfu&#x0364;hren, wenn<lb/>
ich nach meines Onckles Gut gebracht wu&#x0364;rde,<lb/>
ko&#x0364;nnte man &#x017F;ehen, daß ich nicht den Vor&#x017F;atz ha&#x0364;t-<lb/>
te, mit ihm durchzugehen, ich wu&#x0364;rde &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;eit einiger Zeit An&#x017F;talten dazu gemacht ha-<lb/>
ben, und die&#x017F;e ha&#x0364;tten nicht verborgen bleiben ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Hieraus habe man den gewi&#x017F;&#x017F;en Schluß<lb/>
gemacht, daß ich doch zuletzt nachgeben wu&#x0364;rde.<lb/>
Das drei&#x017F;te Ma&#x0364;dchen &#x017F;etzte noch hinzu: und,<lb/>
gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein, wenn &#x017F;ie nicht nachgeben wol-<lb/>
len, &#x017F;o erlauben &#x017F;ie mir zu &#x017F;agen, daß mir ihre<lb/>
Auffu&#x0364;hrung &#x017F;onderbahr vorkommt. &#x2012; &#x2012; Sie<lb/>
&#x017F;agte, &#x017F;ie wu&#x0364;&#x017F;te das nicht mit einander zu reimen,<lb/>
als nur auf die Wei&#x017F;e, daß ich etwan nicht wu&#x0364;ß-<lb/>
te wie ich mit guter Art zuru&#x0364;ck kommen &#x017F;olte,<lb/>
nachdem ich einmahl &#x017F;o weit gegangen wa&#x0364;re:<lb/>
wenn aber alle meine Verwanten bey&#x017F;ammen<lb/>
wa&#x0364;ren, &#x017F;o wu&#x0364;rde ich Herrn <hi rendition="#fr">Solmes</hi> meine Hand<lb/>
ohne Zweiffel geben. Und denn wu&#x0364;rde der Text<lb/>
wahr werden, daru&#x0364;ber der Herr D. <hi rendition="#fr">Brand</hi> am<lb/>
vorigen Sonntage &#x017F;o eine &#x017F;cho&#x0364;ne Predigt gehal-<lb/>
ten ha&#x0364;tte: <hi rendition="#fr">Es wird Freude im Himmel<lb/>
&#x017F;eyn.</hi></p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Mein</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[496/0502] Die Geſchichte Sie geſtand aus Verwirrung, daß es vor ge- weſen waͤre, mich etwas enger einzuſchraͤncken, damit ich nicht ſpatzieren gehen koͤnnte, wenn ich wollte: allein die Nachricht, die ſie geben woll- te, wuͤrde zu meinem Vortheil gereichen. Es haͤtte jemand vorgeſtellet: es waͤre nicht noͤthig mich enger einzuſchraͤncken; denn aus Herrn Lovelaces Drohung mich zu entfuͤhren, wenn ich nach meines Onckles Gut gebracht wuͤrde, koͤnnte man ſehen, daß ich nicht den Vorſatz haͤt- te, mit ihm durchzugehen, ich wuͤrde ſonſt ſchon ſeit einiger Zeit Anſtalten dazu gemacht ha- ben, und dieſe haͤtten nicht verborgen bleiben koͤn- nen. Hieraus habe man den gewiſſen Schluß gemacht, daß ich doch zuletzt nachgeben wuͤrde. Das dreiſte Maͤdchen ſetzte noch hinzu: und, gnaͤdige Fraͤulein, wenn ſie nicht nachgeben wol- len, ſo erlauben ſie mir zu ſagen, daß mir ihre Auffuͤhrung ſonderbahr vorkommt. ‒ ‒ Sie ſagte, ſie wuͤſte das nicht mit einander zu reimen, als nur auf die Weiſe, daß ich etwan nicht wuͤß- te wie ich mit guter Art zuruͤck kommen ſolte, nachdem ich einmahl ſo weit gegangen waͤre: wenn aber alle meine Verwanten beyſammen waͤren, ſo wuͤrde ich Herrn Solmes meine Hand ohne Zweiffel geben. Und denn wuͤrde der Text wahr werden, daruͤber der Herr D. Brand am vorigen Sonntage ſo eine ſchoͤne Predigt gehal- ten haͤtte: Es wird Freude im Himmel ſeyn. Mein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/502
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/502>, abgerufen am 25.04.2024.