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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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leiblich noch leichtsinnig, sondern eine überlegte Ver-
einigung unserer Gemüther ist, und unsere Besse-
rung und die Beobachtung aller wichtigeren und ge-
ringeren Pflichten zum Zweck hat.

Clarissa Harlowe.


Der zwey und funfzigste Brief.
von
Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein
Howe.

Omeine beste und eintzige Freundin, nun hat
mein Hertz den tödtlichen Stoß bekommen,
von dem es sich nie wieder erhohlen wird. Hören
Sie auf, Briefe mit einer Person zu wechseln, wel-
che die Rache aufgezeichnet zu haben scheinet. Denn
wie kann es anders seyn, als daß ich ein Opfer der
Rache werde, wenn anders der väterliche Fluch so
viel Kraft hat, als ich ihm immer zuzuschreiben
pflegte, und an so manchen traurigen Exempeln,
die mir erzählet sind, wahrgenommen habe. Ueber
alles mein anderes Unglück habe ich noch die Folgen
eines väterlichen Fluches zu erwarten. Wie soll
ich es machen, daß ich unter diesen Gedancken nicht
erliege? sonderlich da meine bisherigen und jetzigen
Umstände mich allzu sehr berechtigen, alle Folgen
dieses Fluches zu erwarten.

Jch habe endlich einen Brief von meiner unver-
söhnlichen Schwester erhalten. Jch wünschte, daß

ich



leiblich noch leichtſinnig, ſondern eine uͤberlegte Ver-
einigung unſerer Gemuͤther iſt, und unſere Beſſe-
rung und die Beobachtung aller wichtigeren und ge-
ringeren Pflichten zum Zweck hat.

Clariſſa Harlowe.


Der zwey und funfzigſte Brief.
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.

Omeine beſte und eintzige Freundin, nun hat
mein Hertz den toͤdtlichen Stoß bekommen,
von dem es ſich nie wieder erhohlen wird. Hoͤren
Sie auf, Briefe mit einer Perſon zu wechſeln, wel-
che die Rache aufgezeichnet zu haben ſcheinet. Denn
wie kann es anders ſeyn, als daß ich ein Opfer der
Rache werde, wenn anders der vaͤterliche Fluch ſo
viel Kraft hat, als ich ihm immer zuzuſchreiben
pflegte, und an ſo manchen traurigen Exempeln,
die mir erzaͤhlet ſind, wahrgenommen habe. Ueber
alles mein anderes Ungluͤck habe ich noch die Folgen
eines vaͤterlichen Fluches zu erwarten. Wie ſoll
ich es machen, daß ich unter dieſen Gedancken nicht
erliege? ſonderlich da meine bisherigen und jetzigen
Umſtaͤnde mich allzu ſehr berechtigen, alle Folgen
dieſes Fluches zu erwarten.

Jch habe endlich einen Brief von meiner unver-
ſoͤhnlichen Schweſter erhalten. Jch wuͤnſchte, daß

ich
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[398/0412] leiblich noch leichtſinnig, ſondern eine uͤberlegte Ver- einigung unſerer Gemuͤther iſt, und unſere Beſſe- rung und die Beobachtung aller wichtigeren und ge- ringeren Pflichten zum Zweck hat. Clariſſa Harlowe. Der zwey und funfzigſte Brief. von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe. Sonnabends Nachmittages den 23ten April. Omeine beſte und eintzige Freundin, nun hat mein Hertz den toͤdtlichen Stoß bekommen, von dem es ſich nie wieder erhohlen wird. Hoͤren Sie auf, Briefe mit einer Perſon zu wechſeln, wel- che die Rache aufgezeichnet zu haben ſcheinet. Denn wie kann es anders ſeyn, als daß ich ein Opfer der Rache werde, wenn anders der vaͤterliche Fluch ſo viel Kraft hat, als ich ihm immer zuzuſchreiben pflegte, und an ſo manchen traurigen Exempeln, die mir erzaͤhlet ſind, wahrgenommen habe. Ueber alles mein anderes Ungluͤck habe ich noch die Folgen eines vaͤterlichen Fluches zu erwarten. Wie ſoll ich es machen, daß ich unter dieſen Gedancken nicht erliege? ſonderlich da meine bisherigen und jetzigen Umſtaͤnde mich allzu ſehr berechtigen, alle Folgen dieſes Fluches zu erwarten. Jch habe endlich einen Brief von meiner unver- ſoͤhnlichen Schweſter erhalten. Jch wuͤnſchte, daß ich

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/412>, abgerufen am 29.03.2024.