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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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übersende diesen Brief durch einen eigenen Boten.
Jch bin, und werde ewig seyn

Jhre ergebenste
Anna Howe.


Der siebenzigste Brief
von
Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein
Howe.

Jch schlage mir jetzt alle meine vorigen Verpflich-
tungen, alle meine Wünsche, alle meine Furcht
aus dem Sinne, und ergreiffe von neuen die Feder,
um Sie zu bitten, daß Sie ihre Liebe gegen mich nie
durch eine solche Uebereilung beweisen wollen, die
ich Jhnen ohnmöglich würde Danck wissen können,
sondern die ich Zeit Lebens würde bereuen müssen.
Wenn ich den Briefwechsel fortsetzen muß; so muß
ich. Jch weiß, wie wenig Sie im Stande sind, sich
einreden zu lassen, so bald Sie glauben, daß die
Pflichten der Freundschaft, die Sie Jhr edles Hertz
lehret, verletzet werden könnten.

Mein allerliebster Schatz, wollen Sie sich den
Fluch einer Mutter zuziehen, weil ich unter einem
väterlichen Fluche liege? Würde nicht die Welt
meine Sünde für ansteckend halten, wenn mir die
Fräulein Howe darin nachfolgete? Die Unrecht-
mäßigkeit einiger Vergehungen leuchtet so offenbar
in die Augen, daß man es nicht einmal wagen

kann,
K k 3



uͤberſende dieſen Brief durch einen eigenen Boten.
Jch bin, und werde ewig ſeyn

Jhre ergebenſte
Anna Howe.


Der ſiebenzigſte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.

Jch ſchlage mir jetzt alle meine vorigen Verpflich-
tungen, alle meine Wuͤnſche, alle meine Furcht
aus dem Sinne, und ergreiffe von neuen die Feder,
um Sie zu bitten, daß Sie ihre Liebe gegen mich nie
durch eine ſolche Uebereilung beweiſen wollen, die
ich Jhnen ohnmoͤglich wuͤrde Danck wiſſen koͤnnen,
ſondern die ich Zeit Lebens wuͤrde bereuen muͤſſen.
Wenn ich den Briefwechſel fortſetzen muß; ſo muß
ich. Jch weiß, wie wenig Sie im Stande ſind, ſich
einreden zu laſſen, ſo bald Sie glauben, daß die
Pflichten der Freundſchaft, die Sie Jhr edles Hertz
lehret, verletzet werden koͤnnten.

Mein allerliebſter Schatz, wollen Sie ſich den
Fluch einer Mutter zuziehen, weil ich unter einem
vaͤterlichen Fluche liege? Wuͤrde nicht die Welt
meine Suͤnde fuͤr anſteckend halten, wenn mir die
Fraͤulein Howe darin nachfolgete? Die Unrecht-
maͤßigkeit einiger Vergehungen leuchtet ſo offenbar
in die Augen, daß man es nicht einmal wagen

kann,
K k 3
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[517/0531] uͤberſende dieſen Brief durch einen eigenen Boten. Jch bin, und werde ewig ſeyn Jhre ergebenſte Anna Howe. Der ſiebenzigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe. Donnerſtags den 4ten May. Jch ſchlage mir jetzt alle meine vorigen Verpflich- tungen, alle meine Wuͤnſche, alle meine Furcht aus dem Sinne, und ergreiffe von neuen die Feder, um Sie zu bitten, daß Sie ihre Liebe gegen mich nie durch eine ſolche Uebereilung beweiſen wollen, die ich Jhnen ohnmoͤglich wuͤrde Danck wiſſen koͤnnen, ſondern die ich Zeit Lebens wuͤrde bereuen muͤſſen. Wenn ich den Briefwechſel fortſetzen muß; ſo muß ich. Jch weiß, wie wenig Sie im Stande ſind, ſich einreden zu laſſen, ſo bald Sie glauben, daß die Pflichten der Freundſchaft, die Sie Jhr edles Hertz lehret, verletzet werden koͤnnten. Mein allerliebſter Schatz, wollen Sie ſich den Fluch einer Mutter zuziehen, weil ich unter einem vaͤterlichen Fluche liege? Wuͤrde nicht die Welt meine Suͤnde fuͤr anſteckend halten, wenn mir die Fraͤulein Howe darin nachfolgete? Die Unrecht- maͤßigkeit einiger Vergehungen leuchtet ſo offenbar in die Augen, daß man es nicht einmal wagen kann, K k 3

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/531>, abgerufen am 29.03.2024.