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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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Verlohnt es sich nun nicht der Mühe kranck
gewesen zu seyn, Belford? Und dennoch muß
ich dir sagen, daß ich hundert angenehmere Schel-
mereyen weiß, und mich nie wieder überwinden
werde, das verfluchte Ipecacuanha zu kosten.



Der sieben und dreyßigste Brief
von
Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein
Howe.

Herr Lovelace ist sehr unpaß gewesen. Es
überfiel ihn gantz unvermuthet. Er hat Blut
gespieen und zwar in großer Menge. Es war
ihm eine Ader gesprungen. Er beklagte sich schon
gestern Abend, daß er Magen-Drücken hätte. Jch
bin desto mehr darüber bekümmert, weil ich glau-
be, daß unser letzter Zanck die Schuld daran ist.
Allein wer veranlassete den?

Es ist nicht lange, daß ich glaubte, ich hasse-
te ihn, Allein ich sehe, daß Haß und Zorn bey
mir von kurtzer Dauer sind. Wer dem Tode
nahe, oder in Unglück ist, den kann man nicht has-
sen. Jch sehe, daß ich mein Hertz nicht so hart
machen kann, daß es der Menschen-Liebe und der
Erinnerung begangener Fehler widerstehen kann.

Er war sehr sorgfältig, mir seine Unpäßlich-
keit so lange als es möglich zu verheelen. So zärt-

lich
X 5


Verlohnt es ſich nun nicht der Muͤhe kranck
geweſen zu ſeyn, Belford? Und dennoch muß
ich dir ſagen, daß ich hundert angenehmere Schel-
mereyen weiß, und mich nie wieder uͤberwinden
werde, das verfluchte Ipecacuanha zu koſten.



Der ſieben und dreyßigſte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.

Herr Lovelace iſt ſehr unpaß geweſen. Es
uͤberfiel ihn gantz unvermuthet. Er hat Blut
geſpieen und zwar in großer Menge. Es war
ihm eine Ader geſprungen. Er beklagte ſich ſchon
geſtern Abend, daß er Magen-Druͤcken haͤtte. Jch
bin deſto mehr daruͤber bekuͤmmert, weil ich glau-
be, daß unſer letzter Zanck die Schuld daran iſt.
Allein wer veranlaſſete den?

Es iſt nicht lange, daß ich glaubte, ich haſſe-
te ihn, Allein ich ſehe, daß Haß und Zorn bey
mir von kurtzer Dauer ſind. Wer dem Tode
nahe, oder in Ungluͤck iſt, den kann man nicht haſ-
ſen. Jch ſehe, daß ich mein Hertz nicht ſo hart
machen kann, daß es der Menſchen-Liebe und der
Erinnerung begangener Fehler widerſtehen kann.

Er war ſehr ſorgfaͤltig, mir ſeine Unpaͤßlich-
keit ſo lange als es moͤglich zu verheelen. So zaͤrt-

lich
X 5
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[329/0335] Verlohnt es ſich nun nicht der Muͤhe kranck geweſen zu ſeyn, Belford? Und dennoch muß ich dir ſagen, daß ich hundert angenehmere Schel- mereyen weiß, und mich nie wieder uͤberwinden werde, das verfluchte Ipecacuanha zu koſten. Der ſieben und dreyßigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe. Sonnabends den 27ſten May. Herr Lovelace iſt ſehr unpaß geweſen. Es uͤberfiel ihn gantz unvermuthet. Er hat Blut geſpieen und zwar in großer Menge. Es war ihm eine Ader geſprungen. Er beklagte ſich ſchon geſtern Abend, daß er Magen-Druͤcken haͤtte. Jch bin deſto mehr daruͤber bekuͤmmert, weil ich glau- be, daß unſer letzter Zanck die Schuld daran iſt. Allein wer veranlaſſete den? Es iſt nicht lange, daß ich glaubte, ich haſſe- te ihn, Allein ich ſehe, daß Haß und Zorn bey mir von kurtzer Dauer ſind. Wer dem Tode nahe, oder in Ungluͤck iſt, den kann man nicht haſ- ſen. Jch ſehe, daß ich mein Hertz nicht ſo hart machen kann, daß es der Menſchen-Liebe und der Erinnerung begangener Fehler widerſtehen kann. Er war ſehr ſorgfaͤltig, mir ſeine Unpaͤßlich- keit ſo lange als es moͤglich zu verheelen. So zaͤrt- lich X 5

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/335>, abgerufen am 19.04.2024.