Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Siehst du aber nicht, daß die unversöhnliche
Schöne gleichwohl bey dieser schlechten Erfin-
dung, wie ein Mensch, der ersaufen muß, nur
nach einem Strohhalm greife, sich zu retten!
- - Sie soll finden, daß sie nur zu einem Stroh-
halm ihre Zuflucht genommen habe.



Der ein und funfzigste Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.

Jehr übel! - - Ausnehmend übel! - - wie
mir Dorcas sagt, damit sie mich nicht se-
hen und sprechen dürfe - - Jedoch in ihrem Ge-
müthe
mag sich die liebe Seele wohl so befinden
- - Aber ist das nicht Zweydeutigkeit? - - Jn
eines jeden Menschen eigner Brust wohnt eine
oder die andere herrschende Leidenschaft, welche
durch alle gute Grundsätze bricht und einen jeden
hinreisset. Bey mir ist es Liebe und Rache,
die mit einander abwechseln. Bey ihr ist es
Haß - - Dieß ist noch mein Trost, daß der Haß,
so bald er sich leget, ein Anfang zur Liebe
ist;
oder vielmehr, in diesem Fall, eine Erneue-
rung der Liebe:
wofern hier jemals Liebe Platz
gehabt hat.

Allein wir wollen unsere Betrachtungen
beyseite setzen. Du siehst, Bruder, ihr Anschlag

wird
Y y 3


Siehſt du aber nicht, daß die unverſoͤhnliche
Schoͤne gleichwohl bey dieſer ſchlechten Erfin-
dung, wie ein Menſch, der erſaufen muß, nur
nach einem Strohhalm greife, ſich zu retten!
‒ ‒ Sie ſoll finden, daß ſie nur zu einem Stroh-
halm ihre Zuflucht genommen habe.



Der ein und funfzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.

Jehr uͤbel! ‒ ‒ Ausnehmend uͤbel! ‒ ‒ wie
mir Dorcas ſagt, damit ſie mich nicht ſe-
hen und ſprechen duͤrfe ‒ ‒ Jedoch in ihrem Ge-
muͤthe
mag ſich die liebe Seele wohl ſo befinden
‒ ‒ Aber iſt das nicht Zweydeutigkeit? ‒ ‒ Jn
eines jeden Menſchen eigner Bruſt wohnt eine
oder die andere herrſchende Leidenſchaft, welche
durch alle gute Grundſaͤtze bricht und einen jeden
hinreiſſet. Bey mir iſt es Liebe und Rache,
die mit einander abwechſeln. Bey ihr iſt es
Haß ‒ ‒ Dieß iſt noch mein Troſt, daß der Haß,
ſo bald er ſich leget, ein Anfang zur Liebe
iſt;
oder vielmehr, in dieſem Fall, eine Erneue-
rung der Liebe:
wofern hier jemals Liebe Platz
gehabt hat.

Allein wir wollen unſere Betrachtungen
beyſeite ſetzen. Du ſiehſt, Bruder, ihr Anſchlag

wird
Y y 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0715" n="709"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Sieh&#x017F;t du aber nicht, daß die unver&#x017F;o&#x0364;hnliche<lb/>
Scho&#x0364;ne gleichwohl bey die&#x017F;er &#x017F;chlechten Erfin-<lb/>
dung, wie ein Men&#x017F;ch, der er&#x017F;aufen muß, nur<lb/>
nach einem Strohhalm greife, &#x017F;ich zu retten!<lb/>
&#x2012; &#x2012; Sie &#x017F;oll finden, daß &#x017F;ie nur zu einem Stroh-<lb/>
halm ihre Zuflucht genommen habe.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der ein und funfzig&#x017F;te Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Dien&#x017F;tags, fru&#x0364;he, um zehne.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ehr u&#x0364;bel! &#x2012; &#x2012; Ausnehmend u&#x0364;bel! &#x2012; &#x2012; wie<lb/>
mir Dorcas &#x017F;agt, damit &#x017F;ie mich nicht &#x017F;e-<lb/>
hen und &#x017F;prechen du&#x0364;rfe &#x2012; &#x2012; Jedoch in ihrem <hi rendition="#fr">Ge-<lb/>
mu&#x0364;the</hi> mag &#x017F;ich die liebe Seele wohl &#x017F;o befinden<lb/>
&#x2012; &#x2012; Aber i&#x017F;t das nicht Zweydeutigkeit? &#x2012; &#x2012; Jn<lb/>
eines jeden Men&#x017F;chen eigner Bru&#x017F;t wohnt eine<lb/>
oder die andere herr&#x017F;chende Leiden&#x017F;chaft, welche<lb/>
durch alle gute Grund&#x017F;a&#x0364;tze bricht und einen jeden<lb/>
hinrei&#x017F;&#x017F;et. Bey mir i&#x017F;t es <hi rendition="#fr">Liebe</hi> und <hi rendition="#fr">Rache,</hi><lb/>
die mit einander abwech&#x017F;eln. Bey ihr i&#x017F;t es<lb/><hi rendition="#fr">Haß</hi> &#x2012; &#x2012; Dieß i&#x017F;t noch mein Tro&#x017F;t, daß der <hi rendition="#fr">Haß,<lb/>
&#x017F;o bald er &#x017F;ich leget, ein Anfang zur Liebe<lb/>
i&#x017F;t;</hi> oder vielmehr, in die&#x017F;em Fall, eine <hi rendition="#fr">Erneue-<lb/>
rung der Liebe:</hi> wofern hier jemals Liebe Platz<lb/>
gehabt hat.</p><lb/>
          <p>Allein wir wollen un&#x017F;ere <hi rendition="#fr">Betrachtungen</hi><lb/>
bey&#x017F;eite &#x017F;etzen. Du &#x017F;ieh&#x017F;t, Bruder, ihr An&#x017F;chlag<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y y 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wird</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[709/0715] Siehſt du aber nicht, daß die unverſoͤhnliche Schoͤne gleichwohl bey dieſer ſchlechten Erfin- dung, wie ein Menſch, der erſaufen muß, nur nach einem Strohhalm greife, ſich zu retten! ‒ ‒ Sie ſoll finden, daß ſie nur zu einem Stroh- halm ihre Zuflucht genommen habe. Der ein und funfzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford. Dienſtags, fruͤhe, um zehne. Jehr uͤbel! ‒ ‒ Ausnehmend uͤbel! ‒ ‒ wie mir Dorcas ſagt, damit ſie mich nicht ſe- hen und ſprechen duͤrfe ‒ ‒ Jedoch in ihrem Ge- muͤthe mag ſich die liebe Seele wohl ſo befinden ‒ ‒ Aber iſt das nicht Zweydeutigkeit? ‒ ‒ Jn eines jeden Menſchen eigner Bruſt wohnt eine oder die andere herrſchende Leidenſchaft, welche durch alle gute Grundſaͤtze bricht und einen jeden hinreiſſet. Bey mir iſt es Liebe und Rache, die mit einander abwechſeln. Bey ihr iſt es Haß ‒ ‒ Dieß iſt noch mein Troſt, daß der Haß, ſo bald er ſich leget, ein Anfang zur Liebe iſt; oder vielmehr, in dieſem Fall, eine Erneue- rung der Liebe: wofern hier jemals Liebe Platz gehabt hat. Allein wir wollen unſere Betrachtungen beyſeite ſetzen. Du ſiehſt, Bruder, ihr Anſchlag wird Y y 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/715
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/715>, abgerufen am 25.04.2024.