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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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Der vier und zwanzigste Brief
von
Fräulein Howe an Fräulein Clarissa
Harlowe.

Jch nehme nun meine Feder wieder, theureste
Freundinn, damit ich meiner Mutter ge-
horche und Jhnen ihre Meynung über Jhre un-
glückliche Geschichte entdecke.

Sie redet beständig aus dem alten Tone,
und will behaupten, daß alle Jhre Unglücksfälle
von dem ersten verderblichen Schritte herrühren,
den Sie gethan haben. Denn sie glaubt; ich
kann es aber nicht glauben; daß Jhre Verwand-
ten willens gewesen wären, nach noch einem ge-
meinschaftlichen Versuch, Jhrer Abneigung nach-
zugeben, wenn sie dieselbe so festgegründet gefun-
den hätten, als man, erlauben Sie mir es zu sa-
gen, durch eine thörichte Vermuthung, nach so
vielen, lächerlicherweise wiederholten Versu-
chen, sie nicht zu finden dachte.

Jn Ansehung dessen, was sie von dem schänd-
lichen Freygeiste zuletzt gelitten haben, bleibt sie
unveränderlich der Meynung, daß, wo sich alles,
in Absicht auf die Tränke und die Gewaltthätig-
keiten, die Sie ausgestanden haben, so verhält,
wie Sie berichtet haben; woran dieselbe nicht
zweifelt; Sie vor allen Dingen eine gerichtliche

Klage




Der vier und zwanzigſte Brief
von
Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa
Harlowe.

Jch nehme nun meine Feder wieder, theureſte
Freundinn, damit ich meiner Mutter ge-
horche und Jhnen ihre Meynung uͤber Jhre un-
gluͤckliche Geſchichte entdecke.

Sie redet beſtaͤndig aus dem alten Tone,
und will behaupten, daß alle Jhre Ungluͤcksfaͤlle
von dem erſten verderblichen Schritte herruͤhren,
den Sie gethan haben. Denn ſie glaubt; ich
kann es aber nicht glauben; daß Jhre Verwand-
ten willens geweſen waͤren, nach noch einem ge-
meinſchaftlichen Verſuch, Jhrer Abneigung nach-
zugeben, wenn ſie dieſelbe ſo feſtgegruͤndet gefun-
den haͤtten, als man, erlauben Sie mir es zu ſa-
gen, durch eine thoͤrichte Vermuthung, nach ſo
vielen, laͤcherlicherweiſe wiederholten Verſu-
chen, ſie nicht zu finden dachte.

Jn Anſehung deſſen, was ſie von dem ſchaͤnd-
lichen Freygeiſte zuletzt gelitten haben, bleibt ſie
unveraͤnderlich der Meynung, daß, wo ſich alles,
in Abſicht auf die Traͤnke und die Gewaltthaͤtig-
keiten, die Sie ausgeſtanden haben, ſo verhaͤlt,
wie Sie berichtet haben; woran dieſelbe nicht
zweifelt; Sie vor allen Dingen eine gerichtliche

Klage
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[156/0162] Der vier und zwanzigſte Brief von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe. Montags, den 10ten Jul. Jch nehme nun meine Feder wieder, theureſte Freundinn, damit ich meiner Mutter ge- horche und Jhnen ihre Meynung uͤber Jhre un- gluͤckliche Geſchichte entdecke. Sie redet beſtaͤndig aus dem alten Tone, und will behaupten, daß alle Jhre Ungluͤcksfaͤlle von dem erſten verderblichen Schritte herruͤhren, den Sie gethan haben. Denn ſie glaubt; ich kann es aber nicht glauben; daß Jhre Verwand- ten willens geweſen waͤren, nach noch einem ge- meinſchaftlichen Verſuch, Jhrer Abneigung nach- zugeben, wenn ſie dieſelbe ſo feſtgegruͤndet gefun- den haͤtten, als man, erlauben Sie mir es zu ſa- gen, durch eine thoͤrichte Vermuthung, nach ſo vielen, laͤcherlicherweiſe wiederholten Verſu- chen, ſie nicht zu finden dachte. Jn Anſehung deſſen, was ſie von dem ſchaͤnd- lichen Freygeiſte zuletzt gelitten haben, bleibt ſie unveraͤnderlich der Meynung, daß, wo ſich alles, in Abſicht auf die Traͤnke und die Gewaltthaͤtig- keiten, die Sie ausgeſtanden haben, ſo verhaͤlt, wie Sie berichtet haben; woran dieſelbe nicht zweifelt; Sie vor allen Dingen eine gerichtliche Klage

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/162>, abgerufen am 20.04.2024.