Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite




Der hundert und zweyte Brief
von
Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.

Jch bin durch den Jnhalt der Antwort von der
Fräulein Harlowe auf den Brief meiner
Base Charlotte vom verwichenen Donnerstage,
die Jhr durch eben den Kerl gebracht ist, welcher
mir euer Schreiben brachte, so ausnehmend be-
unruhiget, daß ich kaum Gedult oder Nachden-
ken genug habe, was ihr schreibet, zu erwägen.

Sie hätte in der That wohl nöthig, selbst um
Barmherzigkeit von ihren Freunden zu schreyen:
da sie nicht weiß, wie sie Barmherzigkeit bewei-
sen soll! Sie ist eine ächte Tochter der Harlowes
- - Bey meiner Seele, Bruder, sie ist eine ächte
Tochter der Harlowes! Dennoch hat sie so viele
vortreffliche Vorzüge, daß ich sie lieben muß, und
desto mehr, so thöricht bin ich, weil sie mich ver-
achtet.

Du kommst beständig, nach der gewöhn-
lichen Weise liederlicher Leute, wenn sie
fromm werden wollen,
mit deinem verfluch-
ten Unsinn vom Sterben, Sterben, Sterben, auf-
gezogen; und wenn du das Wort einmal erha-
schet hast, kannst du nicht umhin, es in einen je-
den Absatz einzuschieben! Der Teufel hole mich,

wo




Der hundert und zweyte Brief
von
Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.

Jch bin durch den Jnhalt der Antwort von der
Fraͤulein Harlowe auf den Brief meiner
Baſe Charlotte vom verwichenen Donnerſtage,
die Jhr durch eben den Kerl gebracht iſt, welcher
mir euer Schreiben brachte, ſo ausnehmend be-
unruhiget, daß ich kaum Gedult oder Nachden-
ken genug habe, was ihr ſchreibet, zu erwaͤgen.

Sie haͤtte in der That wohl noͤthig, ſelbſt um
Barmherzigkeit von ihren Freunden zu ſchreyen:
da ſie nicht weiß, wie ſie Barmherzigkeit bewei-
ſen ſoll! Sie iſt eine aͤchte Tochter der Harlowes
‒ ‒ Bey meiner Seele, Bruder, ſie iſt eine aͤchte
Tochter der Harlowes! Dennoch hat ſie ſo viele
vortreffliche Vorzuͤge, daß ich ſie lieben muß, und
deſto mehr, ſo thoͤricht bin ich, weil ſie mich ver-
achtet.

Du kommſt beſtaͤndig, nach der gewoͤhn-
lichen Weiſe liederlicher Leute, wenn ſie
fromm werden wollen,
mit deinem verfluch-
ten Unſinn vom Sterben, Sterben, Sterben, auf-
gezogen; und wenn du das Wort einmal erha-
ſchet haſt, kannſt du nicht umhin, es in einen je-
den Abſatz einzuſchieben! Der Teufel hole mich,

wo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0708" n="702"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der hundert und zweyte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Sonnabends, den 5ten Aug.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ch bin durch den Jnhalt der Antwort von der<lb/>
Fra&#x0364;ulein Harlowe auf den Brief meiner<lb/>
Ba&#x017F;e Charlotte vom verwichenen Donner&#x017F;tage,<lb/>
die Jhr durch eben den Kerl gebracht i&#x017F;t, welcher<lb/>
mir euer Schreiben brachte, &#x017F;o ausnehmend be-<lb/>
unruhiget, daß ich kaum Gedult oder Nachden-<lb/>
ken genug habe, was ihr &#x017F;chreibet, zu erwa&#x0364;gen.</p><lb/>
          <p>Sie ha&#x0364;tte in der That wohl no&#x0364;thig, &#x017F;elb&#x017F;t um<lb/>
Barmherzigkeit von ihren Freunden zu &#x017F;chreyen:<lb/>
da &#x017F;ie nicht weiß, wie &#x017F;ie Barmherzigkeit bewei-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;oll! Sie i&#x017F;t eine a&#x0364;chte Tochter der Harlowes<lb/>
&#x2012; &#x2012; Bey meiner Seele, Bruder, &#x017F;ie i&#x017F;t eine a&#x0364;chte<lb/>
Tochter der Harlowes! Dennoch hat &#x017F;ie &#x017F;o viele<lb/>
vortreffliche Vorzu&#x0364;ge, daß ich &#x017F;ie lieben muß, und<lb/>
de&#x017F;to mehr, &#x017F;o tho&#x0364;richt bin ich, weil &#x017F;ie mich ver-<lb/>
achtet.</p><lb/>
          <p>Du komm&#x017F;t be&#x017F;ta&#x0364;ndig, <hi rendition="#fr">nach der gewo&#x0364;hn-<lb/>
lichen Wei&#x017F;e liederlicher Leute, wenn &#x017F;ie<lb/>
fromm werden wollen,</hi> mit deinem verfluch-<lb/>
ten Un&#x017F;inn vom Sterben, Sterben, Sterben, auf-<lb/>
gezogen; und wenn du das Wort einmal erha-<lb/>
&#x017F;chet ha&#x017F;t, kann&#x017F;t du nicht umhin, es in einen je-<lb/>
den Ab&#x017F;atz einzu&#x017F;chieben! Der Teufel hole mich,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wo</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[702/0708] Der hundert und zweyte Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford. Sonnabends, den 5ten Aug. Jch bin durch den Jnhalt der Antwort von der Fraͤulein Harlowe auf den Brief meiner Baſe Charlotte vom verwichenen Donnerſtage, die Jhr durch eben den Kerl gebracht iſt, welcher mir euer Schreiben brachte, ſo ausnehmend be- unruhiget, daß ich kaum Gedult oder Nachden- ken genug habe, was ihr ſchreibet, zu erwaͤgen. Sie haͤtte in der That wohl noͤthig, ſelbſt um Barmherzigkeit von ihren Freunden zu ſchreyen: da ſie nicht weiß, wie ſie Barmherzigkeit bewei- ſen ſoll! Sie iſt eine aͤchte Tochter der Harlowes ‒ ‒ Bey meiner Seele, Bruder, ſie iſt eine aͤchte Tochter der Harlowes! Dennoch hat ſie ſo viele vortreffliche Vorzuͤge, daß ich ſie lieben muß, und deſto mehr, ſo thoͤricht bin ich, weil ſie mich ver- achtet. Du kommſt beſtaͤndig, nach der gewoͤhn- lichen Weiſe liederlicher Leute, wenn ſie fromm werden wollen, mit deinem verfluch- ten Unſinn vom Sterben, Sterben, Sterben, auf- gezogen; und wenn du das Wort einmal erha- ſchet haſt, kannſt du nicht umhin, es in einen je- den Abſatz einzuſchieben! Der Teufel hole mich, wo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/708
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/708>, abgerufen am 29.03.2024.