Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



welcher sie größtentheils die Herzhaftigkeit und
Großmuth zu danken hat, mit der sie ihre unver-
diente Verfolgungen erträget.

Geistliche Betrachtung.
Die armen Sterblichen, als die Ursache ihres
eignen Jammers.

Sage du nicht: Es ist durch den Herrn ge-
schehen, daß ich dahin gefallen bin. Denn
du solltest das nicht thun, was er hasset.

Sage du nicht: Er hat verursachet, daß
ich geirret habe. Denn er braucht den Sün-
der nicht.

Er hat den Menschen selbst anfangs ge-
macht, und ihn seinen eignen Anschlägen über-
lassen;

Die Gebote zu halten, wo du willst, und
angenehme Treue zu beweisen.

Er hat dir Feuer und Wasser vorgestellt.
Recke deine Hand aus, zu welchem von bey-
den du willst.

Er hat keinem Menschen befohlen, Böses zu
thun; auch keinem Freyheit gegeben, zu sün-
digen.

Und nun, Herr, was ist meine Hoffnung?
Wahrlich, meine Hoffnung ist allein in dir.

Errette mich von allen meinen Uebertretun-
gen, und mache mich nicht zu einem Anlauf
für den Thoren.

Wenn



welcher ſie groͤßtentheils die Herzhaftigkeit und
Großmuth zu danken hat, mit der ſie ihre unver-
diente Verfolgungen ertraͤget.

Geiſtliche Betrachtung.
Die armen Sterblichen, als die Urſache ihres
eignen Jammers.

Sage du nicht: Es iſt durch den Herrn ge-
ſchehen, daß ich dahin gefallen bin. Denn
du ſollteſt das nicht thun, was er haſſet.

Sage du nicht: Er hat verurſachet, daß
ich geirret habe. Denn er braucht den Suͤn-
der nicht.

Er hat den Menſchen ſelbſt anfangs ge-
macht, und ihn ſeinen eignen Anſchlaͤgen uͤber-
laſſen;

Die Gebote zu halten, wo du willſt, und
angenehme Treue zu beweiſen.

Er hat dir Feuer und Waſſer vorgeſtellt.
Recke deine Hand aus, zu welchem von bey-
den du willſt.

Er hat keinem Menſchen befohlen, Boͤſes zu
thun; auch keinem Freyheit gegeben, zu ſuͤn-
digen.

Und nun, Herr, was iſt meine Hoffnung?
Wahrlich, meine Hoffnung iſt allein in dir.

Errette mich von allen meinen Uebertretun-
gen, und mache mich nicht zu einem Anlauf
fuͤr den Thoren.

Wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0732" n="726"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
welcher &#x017F;ie gro&#x0364;ßtentheils die Herzhaftigkeit und<lb/>
Großmuth zu danken hat, mit der &#x017F;ie ihre unver-<lb/>
diente Verfolgungen ertra&#x0364;get.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">Gei&#x017F;tliche Betrachtung.</hi><lb/>
Die armen Sterblichen, als die Ur&#x017F;ache ihres<lb/>
eignen Jammers.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi>age du nicht: Es i&#x017F;t durch den Herrn ge-<lb/>
&#x017F;chehen, daß ich dahin gefallen bin. Denn<lb/>
du &#x017F;ollte&#x017F;t das nicht thun, was er ha&#x017F;&#x017F;et.</p><lb/>
          <p>Sage du nicht: Er hat verur&#x017F;achet, daß<lb/>
ich geirret habe. Denn er braucht den Su&#x0364;n-<lb/>
der nicht.</p><lb/>
          <p>Er hat den Men&#x017F;chen &#x017F;elb&#x017F;t anfangs ge-<lb/>
macht, und ihn &#x017F;einen eignen An&#x017F;chla&#x0364;gen u&#x0364;ber-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en;</p><lb/>
          <p>Die Gebote zu halten, wo du will&#x017F;t, und<lb/>
angenehme Treue zu bewei&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Er hat dir Feuer und Wa&#x017F;&#x017F;er vorge&#x017F;tellt.<lb/>
Recke deine Hand aus, zu welchem von bey-<lb/>
den du will&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Er hat keinem Men&#x017F;chen befohlen, Bo&#x0364;&#x017F;es zu<lb/>
thun; auch keinem Freyheit gegeben, zu &#x017F;u&#x0364;n-<lb/>
digen.</p><lb/>
          <p>Und nun, Herr, was i&#x017F;t meine Hoffnung?<lb/>
Wahrlich, meine Hoffnung i&#x017F;t allein in dir.</p><lb/>
          <p>Errette mich von allen meinen Uebertretun-<lb/>
gen, und mache mich nicht zu einem Anlauf<lb/>
fu&#x0364;r den Thoren.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[726/0732] welcher ſie groͤßtentheils die Herzhaftigkeit und Großmuth zu danken hat, mit der ſie ihre unver- diente Verfolgungen ertraͤget. Geiſtliche Betrachtung. Die armen Sterblichen, als die Urſache ihres eignen Jammers. Sage du nicht: Es iſt durch den Herrn ge- ſchehen, daß ich dahin gefallen bin. Denn du ſollteſt das nicht thun, was er haſſet. Sage du nicht: Er hat verurſachet, daß ich geirret habe. Denn er braucht den Suͤn- der nicht. Er hat den Menſchen ſelbſt anfangs ge- macht, und ihn ſeinen eignen Anſchlaͤgen uͤber- laſſen; Die Gebote zu halten, wo du willſt, und angenehme Treue zu beweiſen. Er hat dir Feuer und Waſſer vorgeſtellt. Recke deine Hand aus, zu welchem von bey- den du willſt. Er hat keinem Menſchen befohlen, Boͤſes zu thun; auch keinem Freyheit gegeben, zu ſuͤn- digen. Und nun, Herr, was iſt meine Hoffnung? Wahrlich, meine Hoffnung iſt allein in dir. Errette mich von allen meinen Uebertretun- gen, und mache mich nicht zu einem Anlauf fuͤr den Thoren. Wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/732
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/732>, abgerufen am 20.04.2024.