Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite



da doch seine ganze Beute und die Belohnung
seiner Arbeit in dem ganzen Morgen oft aus
einem schlechten Finken bestehet!

Ernsthaft zu reden, Belford, muß ich ge-
stehen, daß alles, wornach wir uns von der
Kindheit an, bis in unsre männlichen Jahre,
bestreben, nur Kleinigkeiten von verschiede-
ner Art und Wichtigkeit sind, die zu unsern
Jahren und Absichten eine Verhältniß haben.
Aber ist nun nicht ein hübsches Mädgen, die
edelste Kleinigkeit, die ein Mann jemals er-
halten hat, oder erhalten könnte? Und wie
könnte es heissen, daß er sie erhielte, wenn
es nicht auf die Art ist, die er wünschet? Wenn
sie vielmehr den Mann, als der Mann sie
zur Belohnung bekömmt.

Was meinest du, Bruder, u. s. w.

Th. IV. S. 321. L. 5. nach den Worten:
in Vergessenheit.

Doch ich muß dir noch einige besondre Nach-
richten von unsrer Unterredung mittheilen, die
wir hatten, da wir uns in der Kutsche herum-
rollen liessen.

Sie hätte gestern vermuthlich von Fräulein
Howe Briefe gehabt?

Sie antwortete nicht. Wie glücklich würde
ich mich halten, wenn ich an ihrem Briefwech-
sel Theil nehmen könnte! Jch würde ihr dage-
gen mit Freuden meine Briefe mittheilen.

Ob
M 4



da doch ſeine ganze Beute und die Belohnung
ſeiner Arbeit in dem ganzen Morgen oft aus
einem ſchlechten Finken beſtehet!

Ernſthaft zu reden, Belford, muß ich ge-
ſtehen, daß alles, wornach wir uns von der
Kindheit an, bis in unſre maͤnnlichen Jahre,
beſtreben, nur Kleinigkeiten von verſchiede-
ner Art und Wichtigkeit ſind, die zu unſern
Jahren und Abſichten eine Verhaͤltniß haben.
Aber iſt nun nicht ein huͤbſches Maͤdgen, die
edelſte Kleinigkeit, die ein Mann jemals er-
halten hat, oder erhalten koͤnnte? Und wie
koͤnnte es heiſſen, daß er ſie erhielte, wenn
es nicht auf die Art iſt, die er wuͤnſchet? Wenn
ſie vielmehr den Mann, als der Mann ſie
zur Belohnung bekoͤmmt.

Was meineſt du, Bruder, u. ſ. w.

Th. IV. S. 321. L. 5. nach den Worten:
in Vergeſſenheit.

Doch ich muß dir noch einige beſondre Nach-
richten von unſrer Unterredung mittheilen, die
wir hatten, da wir uns in der Kutſche herum-
rollen lieſſen.

Sie haͤtte geſtern vermuthlich von Fraͤulein
Howe Briefe gehabt?

Sie antwortete nicht. Wie gluͤcklich wuͤrde
ich mich halten, wenn ich an ihrem Briefwech-
ſel Theil nehmen koͤnnte! Jch wuͤrde ihr dage-
gen mit Freuden meine Briefe mittheilen.

Ob
M 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0191" n="183"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
da doch &#x017F;eine ganze Beute und die Belohnung<lb/>
&#x017F;einer Arbeit in dem ganzen Morgen oft aus<lb/>
einem &#x017F;chlechten Finken be&#x017F;tehet!</p><lb/>
          <p>Ern&#x017F;thaft zu reden, <hi rendition="#fr">Belford,</hi> muß ich ge-<lb/>
&#x017F;tehen, daß alles, wornach wir uns von der<lb/>
Kindheit an, bis in un&#x017F;re ma&#x0364;nnlichen Jahre,<lb/>
be&#x017F;treben, nur <hi rendition="#fr">Kleinigkeiten</hi> von ver&#x017F;chiede-<lb/>
ner Art und Wichtigkeit &#x017F;ind, die zu un&#x017F;ern<lb/>
Jahren und Ab&#x017F;ichten eine Verha&#x0364;ltniß haben.<lb/>
Aber i&#x017F;t nun nicht ein hu&#x0364;b&#x017F;ches Ma&#x0364;dgen, die<lb/><hi rendition="#fr">edel&#x017F;te Kleinigkeit,</hi> die ein Mann jemals er-<lb/>
halten hat, oder erhalten ko&#x0364;nnte? Und wie<lb/>
ko&#x0364;nnte es hei&#x017F;&#x017F;en, daß <hi rendition="#fr">er &#x017F;ie erhielte,</hi> wenn<lb/>
es nicht auf die Art i&#x017F;t, die er wu&#x0364;n&#x017F;chet? Wenn<lb/>
&#x017F;ie vielmehr <hi rendition="#fr">den Mann,</hi> als der Mann <hi rendition="#fr">&#x017F;ie</hi><lb/>
zur Belohnung beko&#x0364;mmt.</p><lb/>
          <p>Was meine&#x017F;t du, Bruder, u. &#x017F;. w.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Th. <hi rendition="#aq">IV</hi>. S. 321. L. 5. nach den Worten:<lb/><hi rendition="#fr">in Verge&#x017F;&#x017F;enheit.</hi></head><lb/>
          <p>Doch ich muß dir noch einige be&#x017F;ondre Nach-<lb/>
richten von un&#x017F;rer Unterredung mittheilen, die<lb/>
wir hatten, da wir uns in der Kut&#x017F;che herum-<lb/>
rollen lie&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Sie ha&#x0364;tte ge&#x017F;tern vermuthlich von Fra&#x0364;ulein<lb/><hi rendition="#fr">Howe</hi> Briefe gehabt?</p><lb/>
          <p>Sie antwortete nicht. Wie glu&#x0364;cklich wu&#x0364;rde<lb/>
ich mich halten, wenn ich an ihrem Briefwech-<lb/>
&#x017F;el Theil nehmen ko&#x0364;nnte! Jch wu&#x0364;rde ihr dage-<lb/>
gen mit Freuden meine Briefe mittheilen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">M 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Ob</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0191] da doch ſeine ganze Beute und die Belohnung ſeiner Arbeit in dem ganzen Morgen oft aus einem ſchlechten Finken beſtehet! Ernſthaft zu reden, Belford, muß ich ge- ſtehen, daß alles, wornach wir uns von der Kindheit an, bis in unſre maͤnnlichen Jahre, beſtreben, nur Kleinigkeiten von verſchiede- ner Art und Wichtigkeit ſind, die zu unſern Jahren und Abſichten eine Verhaͤltniß haben. Aber iſt nun nicht ein huͤbſches Maͤdgen, die edelſte Kleinigkeit, die ein Mann jemals er- halten hat, oder erhalten koͤnnte? Und wie koͤnnte es heiſſen, daß er ſie erhielte, wenn es nicht auf die Art iſt, die er wuͤnſchet? Wenn ſie vielmehr den Mann, als der Mann ſie zur Belohnung bekoͤmmt. Was meineſt du, Bruder, u. ſ. w. Th. IV. S. 321. L. 5. nach den Worten: in Vergeſſenheit. Doch ich muß dir noch einige beſondre Nach- richten von unſrer Unterredung mittheilen, die wir hatten, da wir uns in der Kutſche herum- rollen lieſſen. Sie haͤtte geſtern vermuthlich von Fraͤulein Howe Briefe gehabt? Sie antwortete nicht. Wie gluͤcklich wuͤrde ich mich halten, wenn ich an ihrem Briefwech- ſel Theil nehmen koͤnnte! Jch wuͤrde ihr dage- gen mit Freuden meine Briefe mittheilen. Ob M 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/191
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/191>, abgerufen am 24.04.2024.