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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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Jch habe zween Briefe erhalten, die mich
eines andern belehret. Einen von einem ge-
nauen Bekannten,
(dem ichs aufgetragen,
sich nach des Herrn Belfords Charackter zu er-
kundigen) und der kam am letzten Dienstage;
worin er mir berichtet, daß Dero unglückli-
chen Bruders-Tochter
in der Erzählung,
die man von ihr gemacht hatte, gewaltig zu
nahe geschehen sei. (Denn ich hatte ihm da-
von gesagt, und zwar, wie Sie glauben kön-
nen, mit grosser Bekümmerniß, weil ich
ich besorgte, daß es wahr wäre.) Derowegen
habe ich mich sogleich niedergesetzet, Jhnen
zu schreiben, und meinen Jrthum zu beken-
nen.
Jch hatte bereits einen guten Theil ge-
schrieben, da der zweite Brief (ein sehr ar-
tiger
Brief, sowol was die Sachen, als
die Stilisirung anbetrift) von meinem Freun-
de, dem Herrn Walton, anlangte, (wiewol
ich sicher glaube, daß es sein Aufsatz nicht
seyn kann) worin er sowol seiner als gleicher-
weise seiner Frauen und Schwiegerin Besorg-
niß ausdrückt, daß sie die Ursache gewesen wä-
ren, mich in meiner Nachricht von der bereg-
ten jungen Fräulein auf den Jrweg zu füh-
ren,
von welcher sie nunmehr, (nach eingezo-
gener weitern Erkundigung
) sagen, daß
sie gefunden hätten, sie sei die untadelhafte-
ste, klügste,
und (wie es schiene) die gottse-
ligste
junge Fräulein, die jemals einmal in ih-
rem Leben einen grossen Fehltrit begangen;

wie


Jch habe zween Briefe erhalten, die mich
eines andern belehret. Einen von einem ge-
nauen Bekannten,
(dem ichs aufgetragen,
ſich nach des Herrn Belfords Charackter zu er-
kundigen) und der kam am letzten Dienſtage;
worin er mir berichtet, daß Dero ungluͤckli-
chen Bruders-Tochter
in der Erzaͤhlung,
die man von ihr gemacht hatte, gewaltig zu
nahe geſchehen ſei. (Denn ich hatte ihm da-
von geſagt, und zwar, wie Sie glauben koͤn-
nen, mit groſſer Bekuͤmmerniß, weil ich
ich beſorgte, daß es wahr waͤre.) Derowegen
habe ich mich ſogleich niedergeſetzet, Jhnen
zu ſchreiben, und meinen Jrthum zu beken-
nen.
Jch hatte bereits einen guten Theil ge-
ſchrieben, da der zweite Brief (ein ſehr ar-
tiger
Brief, ſowol was die Sachen, als
die Stiliſirung anbetrift) von meinem Freun-
de, dem Herrn Walton, anlangte, (wiewol
ich ſicher glaube, daß es ſein Aufſatz nicht
ſeyn kann) worin er ſowol ſeiner als gleicher-
weiſe ſeiner Frauen und Schwiegerin Beſorg-
niß ausdruͤckt, daß ſie die Urſache geweſen waͤ-
ren, mich in meiner Nachricht von der bereg-
ten jungen Fraͤulein auf den Jrweg zu fuͤh-
ren,
von welcher ſie nunmehr, (nach eingezo-
gener weitern Erkundigung
) ſagen, daß
ſie gefunden haͤtten, ſie ſei die untadelhafte-
ſte, kluͤgſte,
und (wie es ſchiene) die gottſe-
ligſte
junge Fraͤulein, die jemals einmal in ih-
rem Leben einen groſſen Fehltrit begangen;

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[248/0256] Jch habe zween Briefe erhalten, die mich eines andern belehret. Einen von einem ge- nauen Bekannten, (dem ichs aufgetragen, ſich nach des Herrn Belfords Charackter zu er- kundigen) und der kam am letzten Dienſtage; worin er mir berichtet, daß Dero ungluͤckli- chen Bruders-Tochter in der Erzaͤhlung, die man von ihr gemacht hatte, gewaltig zu nahe geſchehen ſei. (Denn ich hatte ihm da- von geſagt, und zwar, wie Sie glauben koͤn- nen, mit groſſer Bekuͤmmerniß, weil ich ich beſorgte, daß es wahr waͤre.) Derowegen habe ich mich ſogleich niedergeſetzet, Jhnen zu ſchreiben, und meinen Jrthum zu beken- nen. Jch hatte bereits einen guten Theil ge- ſchrieben, da der zweite Brief (ein ſehr ar- tiger Brief, ſowol was die Sachen, als die Stiliſirung anbetrift) von meinem Freun- de, dem Herrn Walton, anlangte, (wiewol ich ſicher glaube, daß es ſein Aufſatz nicht ſeyn kann) worin er ſowol ſeiner als gleicher- weiſe ſeiner Frauen und Schwiegerin Beſorg- niß ausdruͤckt, daß ſie die Urſache geweſen waͤ- ren, mich in meiner Nachricht von der bereg- ten jungen Fraͤulein auf den Jrweg zu fuͤh- ren, von welcher ſie nunmehr, (nach eingezo- gener weitern Erkundigung) ſagen, daß ſie gefunden haͤtten, ſie ſei die untadelhafte- ſte, kluͤgſte, und (wie es ſchiene) die gottſe- ligſte junge Fraͤulein, die jemals einmal in ih- rem Leben einen groſſen Fehltrit begangen; wie

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/256>, abgerufen am 29.03.2024.