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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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ne thaten das ihrige; sie wurden ganz außer
Stand gesetzt, auf ihrer Hut zu seyn, und da
sie nicht so viel Nachdenken übrig behalten,
daß sie nur einen Argwohn fassen können; so
fiel die junge Schöne, welche durch die Sally
von ihrer Mutter getrennet ward, dem glück-
lichen Betrüger zum Opfer anheim.

Die Witwe selbst, die durch künstliche Trän-
ke schon halb vergiftet, und erhitzet, und von
der Liebe in Flammen gesetzet war, begieng, ehe
sie sichs versahe, den Fehltrit ihrer Tochter mit
einem von Lovelacens beständigen Gesellen
in der Bosheit, der ihr nachstellte, und sich die
Gelegenheit, allein bei ihr zu seyn, welche von
den übrigen veranstaltet wurde, mit grosser
Hitze zu Nutze machte. Die Folgen davon
wurden nach einiger Zeit sichtbar. Kummer,
Scham und Reue bemächtigten sich, da ihre
eigene Vergehung ihr nicht erlaubte, die Aus-
schweifungen ihrer Tochter zu bestrafen, ihres
Herzens dergestalt, daß sie ihre Niederkunft
nicht überlebte. Polly ward auch eines Kin-
des entbunden, und gerieth nachher, da sie ih-
ren Betrüger zu sehr liebte, als daß sie ihm ent-
sagen sollte, ohngeachtet sie sich von ihm be-
trogen fand, in ein ausschweifendes liederliches
Leben. Jhr Vermögen verzehrte sie in gar
kurzer Zeit, und hatte es noch als eine hohe
Gnade anzusehen, daß sie, nebst der Sally,
und noch einer liederlichen Weibesperson, mit

der



ne thaten das ihrige; ſie wurden ganz außer
Stand geſetzt, auf ihrer Hut zu ſeyn, und da
ſie nicht ſo viel Nachdenken uͤbrig behalten,
daß ſie nur einen Argwohn faſſen koͤnnen; ſo
fiel die junge Schoͤne, welche durch die Sally
von ihrer Mutter getrennet ward, dem gluͤck-
lichen Betruͤger zum Opfer anheim.

Die Witwe ſelbſt, die durch kuͤnſtliche Traͤn-
ke ſchon halb vergiftet, und erhitzet, und von
der Liebe in Flammen geſetzet war, begieng, ehe
ſie ſichs verſahe, den Fehltrit ihrer Tochter mit
einem von Lovelacens beſtaͤndigen Geſellen
in der Bosheit, der ihr nachſtellte, und ſich die
Gelegenheit, allein bei ihr zu ſeyn, welche von
den uͤbrigen veranſtaltet wurde, mit groſſer
Hitze zu Nutze machte. Die Folgen davon
wurden nach einiger Zeit ſichtbar. Kummer,
Scham und Reue bemaͤchtigten ſich, da ihre
eigene Vergehung ihr nicht erlaubte, die Aus-
ſchweifungen ihrer Tochter zu beſtrafen, ihres
Herzens dergeſtalt, daß ſie ihre Niederkunft
nicht uͤberlebte. Polly ward auch eines Kin-
des entbunden, und gerieth nachher, da ſie ih-
ren Betruͤger zu ſehr liebte, als daß ſie ihm ent-
ſagen ſollte, ohngeachtet ſie ſich von ihm be-
trogen fand, in ein ausſchweifendes liederliches
Leben. Jhr Vermoͤgen verzehrte ſie in gar
kurzer Zeit, und hatte es noch als eine hohe
Gnade anzuſehen, daß ſie, nebſt der Sally,
und noch einer liederlichen Weibesperſon, mit

der
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[332/0340] ne thaten das ihrige; ſie wurden ganz außer Stand geſetzt, auf ihrer Hut zu ſeyn, und da ſie nicht ſo viel Nachdenken uͤbrig behalten, daß ſie nur einen Argwohn faſſen koͤnnen; ſo fiel die junge Schoͤne, welche durch die Sally von ihrer Mutter getrennet ward, dem gluͤck- lichen Betruͤger zum Opfer anheim. Die Witwe ſelbſt, die durch kuͤnſtliche Traͤn- ke ſchon halb vergiftet, und erhitzet, und von der Liebe in Flammen geſetzet war, begieng, ehe ſie ſichs verſahe, den Fehltrit ihrer Tochter mit einem von Lovelacens beſtaͤndigen Geſellen in der Bosheit, der ihr nachſtellte, und ſich die Gelegenheit, allein bei ihr zu ſeyn, welche von den uͤbrigen veranſtaltet wurde, mit groſſer Hitze zu Nutze machte. Die Folgen davon wurden nach einiger Zeit ſichtbar. Kummer, Scham und Reue bemaͤchtigten ſich, da ihre eigene Vergehung ihr nicht erlaubte, die Aus- ſchweifungen ihrer Tochter zu beſtrafen, ihres Herzens dergeſtalt, daß ſie ihre Niederkunft nicht uͤberlebte. Polly ward auch eines Kin- des entbunden, und gerieth nachher, da ſie ih- ren Betruͤger zu ſehr liebte, als daß ſie ihm ent- ſagen ſollte, ohngeachtet ſie ſich von ihm be- trogen fand, in ein ausſchweifendes liederliches Leben. Jhr Vermoͤgen verzehrte ſie in gar kurzer Zeit, und hatte es noch als eine hohe Gnade anzuſehen, daß ſie, nebſt der Sally, und noch einer liederlichen Weibesperſon, mit der

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/340>, abgerufen am 23.04.2024.