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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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2. Frühsaracenische Rankenornamentik.
nach aussen herstellen. -- Charakteristisch ist ferner die überaus häufig
zu beobachtende Weise, zwei Halbblattmotive als Endigungen zweier
von verschiedenen Seiten zusammenlaufender Ranken zu einem ganzen
Motiv unter einem geschweiften Winkel zusammentreten zu lassen.
Inwiefern dies mit einem ganz bestimmten Grundgesetz der sarace-
nischen Flächenornamentik -- dem unendlichen Rapport -- zusammen-
hängt, wird weiter unten (S. 307) seine Erörterung finden.

3. Das Verhältniss zwischen Ranken- und Blüthenmotiven
gestaltet sich endgiltig dahin, dass die letzteren von den ersteren nicht
mehr bloss abzweigen, sich an die Ranken ansetzen, sondern dieselben
durchsetzen, unfreien Charakters mit den Ranken gleichsam verwachsen.

[Abbildung] Fig. 165.

Stuckborde von der Moschee des Ibn Tulun zu Kairo.

An die Spitze unserer Denkmälerschau setzen wir die Stuckorna-
mente von der im Jahre 878 nach zweijähriger Baudauer vollendeten
Moschee des Ibn Tulun zu Kairo. Prisse d'Avennes 48) hat die-
selben vollständig publicirt; bloss die daselbst in der Mitte befindliche
breite Füllung No. 17 wird man von den Resten des 9. Jahrh. abziehen
und einer späteren Zeit (12.--13. Jahrh.) zuschreiben müssen. Jedes
einzelne der hienach verbleibenden 36 Bordürenfragmente verdiente
um der durchgängigen Beziehung zur historisch gewordenen Pflanzen-
ornamentik willen eine besondere Erörterung: die umfassende Aufgabe,
die wir uns hier gestellt haben, zwingt uns diesbezüglich uns auf das
allerknappste Maass zu beschränken.

Vor Allem begegnen uns die alten wohlbekannten Wellenranken-
schemen. Fig. 165 49) zeigt eine intermittirende Wellenranke mit
alternirenden dreispältigen Lotusblüthen und Palmetten, das verbindende
Rankenglied als Gabelranke (Fig. 134--136) charakterisirt. An Fig. 166 50)

48) L'art arabe d'apres les monuments de Caire Taf. 44. Eine Anzahl
auch bei Owen Jones Taf. 30.
49) Prisse a. a. O. 31.
50) Prisse a. a. O. 34.

2. Frühsaracenische Rankenornamentik.
nach aussen herstellen. — Charakteristisch ist ferner die überaus häufig
zu beobachtende Weise, zwei Halbblattmotive als Endigungen zweier
von verschiedenen Seiten zusammenlaufender Ranken zu einem ganzen
Motiv unter einem geschweiften Winkel zusammentreten zu lassen.
Inwiefern dies mit einem ganz bestimmten Grundgesetz der sarace-
nischen Flächenornamentik — dem unendlichen Rapport — zusammen-
hängt, wird weiter unten (S. 307) seine Erörterung finden.

3. Das Verhältniss zwischen Ranken- und Blüthenmotiven
gestaltet sich endgiltig dahin, dass die letzteren von den ersteren nicht
mehr bloss abzweigen, sich an die Ranken ansetzen, sondern dieselben
durchsetzen, unfreien Charakters mit den Ranken gleichsam verwachsen.

[Abbildung] Fig. 165.

Stuckborde von der Moschee des Ibn Tulun zu Kairo.

An die Spitze unserer Denkmälerschau setzen wir die Stuckorna-
mente von der im Jahre 878 nach zweijähriger Baudauer vollendeten
Moschee des Ibn Tulun zu Kairo. Prisse d’Avennes 48) hat die-
selben vollständig publicirt; bloss die daselbst in der Mitte befindliche
breite Füllung No. 17 wird man von den Resten des 9. Jahrh. abziehen
und einer späteren Zeit (12.—13. Jahrh.) zuschreiben müssen. Jedes
einzelne der hienach verbleibenden 36 Bordürenfragmente verdiente
um der durchgängigen Beziehung zur historisch gewordenen Pflanzen-
ornamentik willen eine besondere Erörterung: die umfassende Aufgabe,
die wir uns hier gestellt haben, zwingt uns diesbezüglich uns auf das
allerknappste Maass zu beschränken.

Vor Allem begegnen uns die alten wohlbekannten Wellenranken-
schemen. Fig. 165 49) zeigt eine intermittirende Wellenranke mit
alternirenden dreispältigen Lotusblüthen und Palmetten, das verbindende
Rankenglied als Gabelranke (Fig. 134—136) charakterisirt. An Fig. 166 50)

48) L’art arabe d’après les monuments de Caire Taf. 44. Eine Anzahl
auch bei Owen Jones Taf. 30.
49) Prisse a. a. O. 31.
50) Prisse a. a. O. 34.
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[303/0329] 2. Frühsaracenische Rankenornamentik. nach aussen herstellen. — Charakteristisch ist ferner die überaus häufig zu beobachtende Weise, zwei Halbblattmotive als Endigungen zweier von verschiedenen Seiten zusammenlaufender Ranken zu einem ganzen Motiv unter einem geschweiften Winkel zusammentreten zu lassen. Inwiefern dies mit einem ganz bestimmten Grundgesetz der sarace- nischen Flächenornamentik — dem unendlichen Rapport — zusammen- hängt, wird weiter unten (S. 307) seine Erörterung finden. 3. Das Verhältniss zwischen Ranken- und Blüthenmotiven gestaltet sich endgiltig dahin, dass die letzteren von den ersteren nicht mehr bloss abzweigen, sich an die Ranken ansetzen, sondern dieselben durchsetzen, unfreien Charakters mit den Ranken gleichsam verwachsen. [Abbildung Fig. 165. Stuckborde von der Moschee des Ibn Tulun zu Kairo. ] An die Spitze unserer Denkmälerschau setzen wir die Stuckorna- mente von der im Jahre 878 nach zweijähriger Baudauer vollendeten Moschee des Ibn Tulun zu Kairo. Prisse d’Avennes 48) hat die- selben vollständig publicirt; bloss die daselbst in der Mitte befindliche breite Füllung No. 17 wird man von den Resten des 9. Jahrh. abziehen und einer späteren Zeit (12.—13. Jahrh.) zuschreiben müssen. Jedes einzelne der hienach verbleibenden 36 Bordürenfragmente verdiente um der durchgängigen Beziehung zur historisch gewordenen Pflanzen- ornamentik willen eine besondere Erörterung: die umfassende Aufgabe, die wir uns hier gestellt haben, zwingt uns diesbezüglich uns auf das allerknappste Maass zu beschränken. Vor Allem begegnen uns die alten wohlbekannten Wellenranken- schemen. Fig. 165 49) zeigt eine intermittirende Wellenranke mit alternirenden dreispältigen Lotusblüthen und Palmetten, das verbindende Rankenglied als Gabelranke (Fig. 134—136) charakterisirt. An Fig. 166 50) 48) L’art arabe d’après les monuments de Caire Taf. 44. Eine Anzahl auch bei Owen Jones Taf. 30. 49) Prisse a. a. O. 31. 50) Prisse a. a. O. 34.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/329>, abgerufen am 19.04.2024.