Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

die andern ihm die 10,000 Dukaten zur Disposition. Am
28. October hatte die letzte Verhandlung zwischen ihnen statt-
gefunden, am 31sten wurde der Reichstag entlassen, und am
31. November erfolgte die Ernennung der Commission, deren
Mitglieder überwiegend zu den Gegnern der "Familie" gehörten.

Der ganze Hof war überrascht und erstaunt, die Czarto-
ryski wie von einem Donnerschlage getroffen. Noch eine Stunde
bevor die Entscheidung bekannt ward, soll nach Broglie's Be-
richt Sir Williams, dem eine Andeutung von dem, was be-
vorstehe, zugekommen war, um 100 Dukaten gewettet haben,
der König werde so etwas nicht wagen, es sei schlechterdings
unmöglich. Nicht weniger wie der Engländer war auch der
Gesandte Rußlands aufs äußerste bestürzt 1). So viele Jahre
hatte Rußland in der Verbindung mit den Czartoryski am
Hof von Warschau den größten Einfluß geübt; indem sie sanken,
mußte auch dieser sinken.

Die "Familie" aber bot stolz dem Sturme die Stirn.
Zwischen ihr und Brühl war ein- für allemal das Tischtuch
zerschnitten. Sie wirkte mit ihm nur noch zeitweise und äußer-
lich in den Geschäften zusammen; dann trat sie in die ent-
schiedenste Opposition gegen ihn und den Hof 2).


1) Nach den Berichten Broglie's vom 28. October und 3. November
1754. Revue etc. p. 303.
2) Nach Stanisl. Aug. Poniatowski, Pam., p. 169 soll auch
Friedrich II. als Bundesgenosse Frankreichs in der Ostrogschen Angelegen-
heit Broglie diplomatisch unterstützt haben. In Petersburg sprach der
englische Gesandte im Februar 1755 davon, daß Friedrich von Frankreich
für dessen Pläne mit Conti, durch das Versprechen der Abtretung von
Polnisch-Preußen an ihn gewonnen sei. Beer, Erste Theilung Polens
I, 57.

die andern ihm die 10,000 Dukaten zur Dispoſition. Am
28. October hatte die letzte Verhandlung zwiſchen ihnen ſtatt-
gefunden, am 31ſten wurde der Reichstag entlaſſen, und am
31. November erfolgte die Ernennung der Commiſſion, deren
Mitglieder überwiegend zu den Gegnern der „Familie“ gehörten.

Der ganze Hof war überraſcht und erſtaunt, die Czarto-
ryski wie von einem Donnerſchlage getroffen. Noch eine Stunde
bevor die Entſcheidung bekannt ward, ſoll nach Broglie’s Be-
richt Sir Williams, dem eine Andeutung von dem, was be-
vorſtehe, zugekommen war, um 100 Dukaten gewettet haben,
der König werde ſo etwas nicht wagen, es ſei ſchlechterdings
unmöglich. Nicht weniger wie der Engländer war auch der
Geſandte Rußlands aufs äußerſte beſtürzt 1). So viele Jahre
hatte Rußland in der Verbindung mit den Czartoryski am
Hof von Warſchau den größten Einfluß geübt; indem ſie ſanken,
mußte auch dieſer ſinken.

Die „Familie“ aber bot ſtolz dem Sturme die Stirn.
Zwiſchen ihr und Brühl war ein- für allemal das Tiſchtuch
zerſchnitten. Sie wirkte mit ihm nur noch zeitweiſe und äußer-
lich in den Geſchäften zuſammen; dann trat ſie in die ent-
ſchiedenſte Oppoſition gegen ihn und den Hof 2).


1) Nach den Berichten Broglie’s vom 28. October und 3. November
1754. Revue etc. p. 303.
2) Nach Stanisl. Aug. Poniatowski, Pam., p. 169 ſoll auch
Friedrich II. als Bundesgenoſſe Frankreichs in der Oſtrogſchen Angelegen-
heit Broglie diplomatiſch unterſtützt haben. In Petersburg ſprach der
engliſche Geſandte im Februar 1755 davon, daß Friedrich von Frankreich
für deſſen Pläne mit Conti, durch das Verſprechen der Abtretung von
Polniſch-Preußen an ihn gewonnen ſei. Beer, Erſte Theilung Polens
I, 57.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0120" n="106"/>
die andern ihm die 10,000 Dukaten zur Dispo&#x017F;ition. Am<lb/>
28. October hatte die letzte Verhandlung zwi&#x017F;chen ihnen &#x017F;tatt-<lb/>
gefunden, am 31&#x017F;ten wurde der Reichstag entla&#x017F;&#x017F;en, und am<lb/>
31. November erfolgte die Ernennung der Commi&#x017F;&#x017F;ion, deren<lb/>
Mitglieder überwiegend zu den Gegnern der &#x201E;Familie&#x201C; gehörten.</p><lb/>
        <p>Der ganze Hof war überra&#x017F;cht und er&#x017F;taunt, die Czarto-<lb/>
ryski wie von einem Donner&#x017F;chlage getroffen. Noch eine Stunde<lb/>
bevor die Ent&#x017F;cheidung bekannt ward, &#x017F;oll nach Broglie&#x2019;s Be-<lb/>
richt Sir Williams, dem eine Andeutung von dem, was be-<lb/>
vor&#x017F;tehe, zugekommen war, um 100 Dukaten gewettet haben,<lb/>
der König werde &#x017F;o etwas nicht wagen, es &#x017F;ei &#x017F;chlechterdings<lb/>
unmöglich. Nicht weniger wie der Engländer war auch der<lb/>
Ge&#x017F;andte Rußlands aufs äußer&#x017F;te be&#x017F;türzt <note place="foot" n="1)">Nach den Berichten Broglie&#x2019;s vom 28. October und 3. November<lb/>
1754. <hi rendition="#aq">Revue etc. p.</hi> 303.</note>. So viele Jahre<lb/>
hatte Rußland in der Verbindung mit den Czartoryski am<lb/>
Hof von War&#x017F;chau den größten Einfluß geübt; indem &#x017F;ie &#x017F;anken,<lb/>
mußte auch die&#x017F;er &#x017F;inken.</p><lb/>
        <p>Die &#x201E;Familie&#x201C; aber bot &#x017F;tolz dem Sturme die Stirn.<lb/>
Zwi&#x017F;chen ihr und Brühl war ein- für allemal das Ti&#x017F;chtuch<lb/>
zer&#x017F;chnitten. Sie wirkte mit ihm nur noch zeitwei&#x017F;e und äußer-<lb/>
lich in den Ge&#x017F;chäften zu&#x017F;ammen; dann trat &#x017F;ie in die ent-<lb/>
&#x017F;chieden&#x017F;te Oppo&#x017F;ition gegen ihn und den Hof <note place="foot" n="2)">Nach <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Stanisl. Aug. Poniatowski</hi>, Pam., p.</hi> 169 &#x017F;oll auch<lb/>
Friedrich <hi rendition="#aq">II.</hi> als Bundesgeno&#x017F;&#x017F;e Frankreichs in der O&#x017F;trog&#x017F;chen Angelegen-<lb/>
heit Broglie diplomati&#x017F;ch unter&#x017F;tützt haben. In Petersburg &#x017F;prach der<lb/>
engli&#x017F;che Ge&#x017F;andte im Februar 1755 davon, daß Friedrich von Frankreich<lb/>
für de&#x017F;&#x017F;en Pläne mit Conti, durch das Ver&#x017F;prechen der Abtretung von<lb/>
Polni&#x017F;ch-Preußen an ihn gewonnen &#x017F;ei. <hi rendition="#g">Beer</hi>, Er&#x017F;te Theilung Polens<lb/><hi rendition="#aq">I,</hi> 57.</note>.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0120] die andern ihm die 10,000 Dukaten zur Dispoſition. Am 28. October hatte die letzte Verhandlung zwiſchen ihnen ſtatt- gefunden, am 31ſten wurde der Reichstag entlaſſen, und am 31. November erfolgte die Ernennung der Commiſſion, deren Mitglieder überwiegend zu den Gegnern der „Familie“ gehörten. Der ganze Hof war überraſcht und erſtaunt, die Czarto- ryski wie von einem Donnerſchlage getroffen. Noch eine Stunde bevor die Entſcheidung bekannt ward, ſoll nach Broglie’s Be- richt Sir Williams, dem eine Andeutung von dem, was be- vorſtehe, zugekommen war, um 100 Dukaten gewettet haben, der König werde ſo etwas nicht wagen, es ſei ſchlechterdings unmöglich. Nicht weniger wie der Engländer war auch der Geſandte Rußlands aufs äußerſte beſtürzt 1). So viele Jahre hatte Rußland in der Verbindung mit den Czartoryski am Hof von Warſchau den größten Einfluß geübt; indem ſie ſanken, mußte auch dieſer ſinken. Die „Familie“ aber bot ſtolz dem Sturme die Stirn. Zwiſchen ihr und Brühl war ein- für allemal das Tiſchtuch zerſchnitten. Sie wirkte mit ihm nur noch zeitweiſe und äußer- lich in den Geſchäften zuſammen; dann trat ſie in die ent- ſchiedenſte Oppoſition gegen ihn und den Hof 2). 1) Nach den Berichten Broglie’s vom 28. October und 3. November 1754. Revue etc. p. 303. 2) Nach Stanisl. Aug. Poniatowski, Pam., p. 169 ſoll auch Friedrich II. als Bundesgenoſſe Frankreichs in der Oſtrogſchen Angelegen- heit Broglie diplomatiſch unterſtützt haben. In Petersburg ſprach der engliſche Geſandte im Februar 1755 davon, daß Friedrich von Frankreich für deſſen Pläne mit Conti, durch das Verſprechen der Abtretung von Polniſch-Preußen an ihn gewonnen ſei. Beer, Erſte Theilung Polens I, 57.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/120
Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/120>, abgerufen am 19.04.2024.