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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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"Familie" insofern besonders berücksichtigte, als die russischen
Heerführer in Polen angewiesen wurden, sich keinerlei Eigen-
mächtigkeiten auf deren Gütern zu erlauben 1). Der russische
Hof handelte hiebei viel umsichtiger als der neue König von
Polen. Noch viele Jahre später erzählte wenigstens der junge
Stanislaw Poniatowski in Gegenwart des preußischen Agenten
v. Korff, daß die "Familie" nach der Einnahme von Danzig,
trotz alledem, was sie that, um sich mit dem sächsischen Hause
auszusöhnen, dies nicht erreicht habe, und daß der Haß des
damaligen Ministers, Sulkowski, gegen sie, sie gänzlich zu
Grunde gerichtet hätte, wenn sich Rußland nicht hätte bewegen
lassen, sie zu beschützen; der Hof hätte ihr Alles rauben wollen,
"Rußland bewirkte, daß wir Alles wiedererhielten und ver-
pflichtete uns durch seine wirksame und dauernde Protection
auf seiner Seite zu bleiben, so lange es nichts gegen unsere
Gesetze unternahm" 2). Seitdem hielt die "Familie" Jahre lang
die russische Parthei in Polen, ganz in Übereinstimmung mit
dem König, der seine Stütze in Petersburg suchte und fand.
Nach der zweimaligen Enttäuschung, welche sie 1697 und 1733
in Betreff der Politik Frankreichs in Polen erfahren hatte,
kam sie zu der festen Überzeugung, daß für ihr Vaterland kein
Heil von dort zu erwarten sei, und entäußerte sich all der
politischen Sympathien, die sie früher für Frankreich gehegt.


1) Szczebalski in seinem in der Zeitschrift Wiestnik Ruski gedruckten
Aufsatz über "die russische Politik und die russische Parthei in Polen".
Er bezieht sich hiefür auf Verfügungen Loewenwolde's und Münnichs im
Archiv des topographischen Bureaus.
2) Nach dem Bericht Korffs vom 2. März 1763.

„Familie“ inſofern beſonders berückſichtigte, als die ruſſiſchen
Heerführer in Polen angewieſen wurden, ſich keinerlei Eigen-
mächtigkeiten auf deren Gütern zu erlauben 1). Der ruſſiſche
Hof handelte hiebei viel umſichtiger als der neue König von
Polen. Noch viele Jahre ſpäter erzählte wenigſtens der junge
Stanislaw Poniatowski in Gegenwart des preußiſchen Agenten
v. Korff, daß die „Familie“ nach der Einnahme von Danzig,
trotz alledem, was ſie that, um ſich mit dem ſächſiſchen Hauſe
auszuſöhnen, dies nicht erreicht habe, und daß der Haß des
damaligen Miniſters, Sulkowski, gegen ſie, ſie gänzlich zu
Grunde gerichtet hätte, wenn ſich Rußland nicht hätte bewegen
laſſen, ſie zu beſchützen; der Hof hätte ihr Alles rauben wollen,
„Rußland bewirkte, daß wir Alles wiedererhielten und ver-
pflichtete uns durch ſeine wirkſame und dauernde Protection
auf ſeiner Seite zu bleiben, ſo lange es nichts gegen unſere
Geſetze unternahm“ 2). Seitdem hielt die „Familie“ Jahre lang
die ruſſiſche Parthei in Polen, ganz in Übereinſtimmung mit
dem König, der ſeine Stütze in Petersburg ſuchte und fand.
Nach der zweimaligen Enttäuſchung, welche ſie 1697 und 1733
in Betreff der Politik Frankreichs in Polen erfahren hatte,
kam ſie zu der feſten Überzeugung, daß für ihr Vaterland kein
Heil von dort zu erwarten ſei, und entäußerte ſich all der
politiſchen Sympathien, die ſie früher für Frankreich gehegt.


1) Szczebalski in ſeinem in der Zeitſchrift Wiestnik Ruski gedruckten
Aufſatz über „die ruſſiſche Politik und die ruſſiſche Parthei in Polen“.
Er bezieht ſich hiefür auf Verfügungen Loewenwolde’s und Münnichs im
Archiv des topographiſchen Bureaus.
2) Nach dem Bericht Korffs vom 2. März 1763.
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[47/0061] „Familie“ inſofern beſonders berückſichtigte, als die ruſſiſchen Heerführer in Polen angewieſen wurden, ſich keinerlei Eigen- mächtigkeiten auf deren Gütern zu erlauben 1). Der ruſſiſche Hof handelte hiebei viel umſichtiger als der neue König von Polen. Noch viele Jahre ſpäter erzählte wenigſtens der junge Stanislaw Poniatowski in Gegenwart des preußiſchen Agenten v. Korff, daß die „Familie“ nach der Einnahme von Danzig, trotz alledem, was ſie that, um ſich mit dem ſächſiſchen Hauſe auszuſöhnen, dies nicht erreicht habe, und daß der Haß des damaligen Miniſters, Sulkowski, gegen ſie, ſie gänzlich zu Grunde gerichtet hätte, wenn ſich Rußland nicht hätte bewegen laſſen, ſie zu beſchützen; der Hof hätte ihr Alles rauben wollen, „Rußland bewirkte, daß wir Alles wiedererhielten und ver- pflichtete uns durch ſeine wirkſame und dauernde Protection auf ſeiner Seite zu bleiben, ſo lange es nichts gegen unſere Geſetze unternahm“ 2). Seitdem hielt die „Familie“ Jahre lang die ruſſiſche Parthei in Polen, ganz in Übereinſtimmung mit dem König, der ſeine Stütze in Petersburg ſuchte und fand. Nach der zweimaligen Enttäuſchung, welche ſie 1697 und 1733 in Betreff der Politik Frankreichs in Polen erfahren hatte, kam ſie zu der feſten Überzeugung, daß für ihr Vaterland kein Heil von dort zu erwarten ſei, und entäußerte ſich all der politiſchen Sympathien, die ſie früher für Frankreich gehegt. 1) Szczebalski in ſeinem in der Zeitſchrift Wiestnik Ruski gedruckten Aufſatz über „die ruſſiſche Politik und die ruſſiſche Parthei in Polen“. Er bezieht ſich hiefür auf Verfügungen Loewenwolde’s und Münnichs im Archiv des topographiſchen Bureaus. 2) Nach dem Bericht Korffs vom 2. März 1763.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/61>, abgerufen am 29.03.2024.