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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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im Januar 1742 mit ihm in Dresden hatte, in der es ent-
schieden werden sollte, ob die sächsischen Truppen, mit den
preußischen vereint, einen Einfall in Mähren machen sollten, um
Mähren für Sachsen zu erobern, saß August III. mit dem
Ausdruck der Langenweile da, und sagte zu allem nichts weiter
als ja. Brühl, dem die Scene peinlich ward, unterbrach plötz-
lich die Verhandlung mit der Bemerkung, daß die Oper be-
ginne. "Hätte er", sagt Friedrich der Große, "zehn König-
reiche erobern können, das hätte den König von Polen nicht
eine Minute länger gehalten. Er ging in die Oper." 1) Daß
ein König dieser Art die Geschäfte Anderen überließ, versteht
sich von selbst, und eben so, daß er sie möglichst einem über-
ließ, der ihn nicht langweilte, seinem Selbstbewußtsein nicht zu
nahe trat und dafür unter allen Umständen sorgte, daß es
nie an den Mitteln fehlte, das Leben des Hofes mit herkömm-
lichem Glanze zu führen. Zwei Männer nahmen nacheinander
bei ihm diese Stellung ein. Zunächst Graf, seit 1752 Fürst
Sulkowski, aber nur wenige Jahre. Er war ein natürlicher
Sohn August des Starken und scheint bis auf einen gewissen
Grad etwas von der Natur des Vaters geerbt zu haben.
Wenigstens war er wie dieser zur Leichtfertigkeit und zum Ent-
werfen großer politischer Plane geneigt. Das erste zog ihm
die Abneigung der Königin Maria Josepha, Tochter Kaiser
Joseph I. zu, einer durch und durch bigotten Frau, welche,
wenn sie es vermocht, am liebsten ganz Sachsen katholisch ge-
macht hätte. Das Letztere führte seinen Sturz herbei. Er
entwarf den Plan, August solle sich auf Grund der Erb-
ansprüche seiner Frau trotz seiner vorausgegangenen Anerkennung
der pragmatischen Sanction sofort nach dem Tode Kaiser Karl VI.
Böhmens bemächtigen. Allein Graf Brühl, voll Eifersucht auf
die Gunst Sulkowski's und nach dessen Stellung lüstern, ver-
rieth das Project dem Hofe von Wien.

Mit Unterstützung des östreichischen Gesandten, der Kö-
nigin und ihres Beichtvaters Guarini erreichte er sein Ziel.

1) Oeuvres. Berlin 1846. II, 108.

im Januar 1742 mit ihm in Dresden hatte, in der es ent-
ſchieden werden ſollte, ob die ſächſiſchen Truppen, mit den
preußiſchen vereint, einen Einfall in Mähren machen ſollten, um
Mähren für Sachſen zu erobern, ſaß Auguſt III. mit dem
Ausdruck der Langenweile da, und ſagte zu allem nichts weiter
als ja. Brühl, dem die Scene peinlich ward, unterbrach plötz-
lich die Verhandlung mit der Bemerkung, daß die Oper be-
ginne. „Hätte er“, ſagt Friedrich der Große, „zehn König-
reiche erobern können, das hätte den König von Polen nicht
eine Minute länger gehalten. Er ging in die Oper.“ 1) Daß
ein König dieſer Art die Geſchäfte Anderen überließ, verſteht
ſich von ſelbſt, und eben ſo, daß er ſie möglichſt einem über-
ließ, der ihn nicht langweilte, ſeinem Selbſtbewußtſein nicht zu
nahe trat und dafür unter allen Umſtänden ſorgte, daß es
nie an den Mitteln fehlte, das Leben des Hofes mit herkömm-
lichem Glanze zu führen. Zwei Männer nahmen nacheinander
bei ihm dieſe Stellung ein. Zunächſt Graf, ſeit 1752 Fürſt
Sulkowski, aber nur wenige Jahre. Er war ein natürlicher
Sohn Auguſt des Starken und ſcheint bis auf einen gewiſſen
Grad etwas von der Natur des Vaters geerbt zu haben.
Wenigſtens war er wie dieſer zur Leichtfertigkeit und zum Ent-
werfen großer politiſcher Plane geneigt. Das erſte zog ihm
die Abneigung der Königin Maria Joſepha, Tochter Kaiſer
Joſeph I. zu, einer durch und durch bigotten Frau, welche,
wenn ſie es vermocht, am liebſten ganz Sachſen katholiſch ge-
macht hätte. Das Letztere führte ſeinen Sturz herbei. Er
entwarf den Plan, Auguſt ſolle ſich auf Grund der Erb-
anſprüche ſeiner Frau trotz ſeiner vorausgegangenen Anerkennung
der pragmatiſchen Sanction ſofort nach dem Tode Kaiſer Karl VI.
Böhmens bemächtigen. Allein Graf Brühl, voll Eiferſucht auf
die Gunſt Sulkowski’s und nach deſſen Stellung lüſtern, ver-
rieth das Project dem Hofe von Wien.

Mit Unterſtützung des öſtreichiſchen Geſandten, der Kö-
nigin und ihres Beichtvaters Guarini erreichte er ſein Ziel.

1) Oeuvres. Berlin 1846. II, 108.
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[57/0071] im Januar 1742 mit ihm in Dresden hatte, in der es ent- ſchieden werden ſollte, ob die ſächſiſchen Truppen, mit den preußiſchen vereint, einen Einfall in Mähren machen ſollten, um Mähren für Sachſen zu erobern, ſaß Auguſt III. mit dem Ausdruck der Langenweile da, und ſagte zu allem nichts weiter als ja. Brühl, dem die Scene peinlich ward, unterbrach plötz- lich die Verhandlung mit der Bemerkung, daß die Oper be- ginne. „Hätte er“, ſagt Friedrich der Große, „zehn König- reiche erobern können, das hätte den König von Polen nicht eine Minute länger gehalten. Er ging in die Oper.“ 1) Daß ein König dieſer Art die Geſchäfte Anderen überließ, verſteht ſich von ſelbſt, und eben ſo, daß er ſie möglichſt einem über- ließ, der ihn nicht langweilte, ſeinem Selbſtbewußtſein nicht zu nahe trat und dafür unter allen Umſtänden ſorgte, daß es nie an den Mitteln fehlte, das Leben des Hofes mit herkömm- lichem Glanze zu führen. Zwei Männer nahmen nacheinander bei ihm dieſe Stellung ein. Zunächſt Graf, ſeit 1752 Fürſt Sulkowski, aber nur wenige Jahre. Er war ein natürlicher Sohn Auguſt des Starken und ſcheint bis auf einen gewiſſen Grad etwas von der Natur des Vaters geerbt zu haben. Wenigſtens war er wie dieſer zur Leichtfertigkeit und zum Ent- werfen großer politiſcher Plane geneigt. Das erſte zog ihm die Abneigung der Königin Maria Joſepha, Tochter Kaiſer Joſeph I. zu, einer durch und durch bigotten Frau, welche, wenn ſie es vermocht, am liebſten ganz Sachſen katholiſch ge- macht hätte. Das Letztere führte ſeinen Sturz herbei. Er entwarf den Plan, Auguſt ſolle ſich auf Grund der Erb- anſprüche ſeiner Frau trotz ſeiner vorausgegangenen Anerkennung der pragmatiſchen Sanction ſofort nach dem Tode Kaiſer Karl VI. Böhmens bemächtigen. Allein Graf Brühl, voll Eiferſucht auf die Gunſt Sulkowski’s und nach deſſen Stellung lüſtern, ver- rieth das Project dem Hofe von Wien. Mit Unterſtützung des öſtreichiſchen Geſandten, der Kö- nigin und ihres Beichtvaters Guarini erreichte er ſein Ziel. 1) Oeuvres. Berlin 1846. II, 108.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/71>, abgerufen am 23.04.2024.