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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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2.

Wo immer der Cult der Gottheiten der Erde und der
Unterwelt, insonderheit der Demeter und ihrer Tochter, in
Blüthe stand, mögen für die Theilnehmer an solchem Gottes-
dienst leicht Hoffnungen auf ein besseres Loos im unterirdischen
Seelenreiche sich angeknüpft haben. Ansätze zu einer inner-
lichen Verbindung solcher Hoffnungen mit dem Gottesdienste
selbst mögen an manchen Orten gemacht worden sein. Zu
einer fest geordneten Institution sehen wir diese Verbindung
einzig in Eleusis (und den, wohl sämmtlich jungen Filialen der
eleusinischen Anstalt) ausgebildet. Wir können wenigstens in
einigen Hauptlinien das allmähliche Wachsthum der eleusinischen
gottesdienstlichen Einrichtungen wahrnehmen. Der Homerische
Hymnus auf die Demeter berichtet uns von den Ursprüngen
des Cultes nach einheimisch eleusinischer Sage. Im Lande der
Eleusinier war die von Aidoneus in die Unterwelt entraffte gött-
liche Tochter der Demeter wieder an's Licht der Sonne ge-
kommen und der Mutter wiedergegeben worden. Bevor sie, nach
dem Wunsche des Zeus, zum Olymp und den anderen Unsterb-
lichen sich aufschwang, stiftete Demeter, wie sie es verheissen
hatte, als die Eleusinier ihr den Tempel vor der Stadt,
über der Quelle Kallichoros, erbauten 1), den heiligen Dienst,
nach dessen Ordnungen man sie in Zukunft verehren sollte.
Sie selbst lehrte die Fürsten des Landes "die Begehung des
Cultes und gab ihnen die hehren Orgien an", welche Anderen
mitzutheilen die Scheu vor der Gottheit verbietet. -- Dieser
alteleusinische Demetercult ist also der Gottesdienst einer eng
geschlossenen Gemeinde, die Kunde der geheiligten Begehungen
und damit das Priesterthum der Göttinnen ist beschränkt auf

1) V. 271 ff. (Demeter spricht:) all age moi neon te megan kai bomon
up auto teukhonton pas demos upai polin aipu te teikhos, Kallikhorou
kathuperthen, epi proukhonti kolono . orgia d aute egon upothesomai,
os an epeita euageos erdontes emon menos ilaskesthe. Die Erbauung des
Tempels: 298 ff., und darnach die Anweisung zur dresmosune ieron und
den orgia durch die Göttin 474 ff.
2.

Wo immer der Cult der Gottheiten der Erde und der
Unterwelt, insonderheit der Demeter und ihrer Tochter, in
Blüthe stand, mögen für die Theilnehmer an solchem Gottes-
dienst leicht Hoffnungen auf ein besseres Loos im unterirdischen
Seelenreiche sich angeknüpft haben. Ansätze zu einer inner-
lichen Verbindung solcher Hoffnungen mit dem Gottesdienste
selbst mögen an manchen Orten gemacht worden sein. Zu
einer fest geordneten Institution sehen wir diese Verbindung
einzig in Eleusis (und den, wohl sämmtlich jungen Filialen der
eleusinischen Anstalt) ausgebildet. Wir können wenigstens in
einigen Hauptlinien das allmähliche Wachsthum der eleusinischen
gottesdienstlichen Einrichtungen wahrnehmen. Der Homerische
Hymnus auf die Demeter berichtet uns von den Ursprüngen
des Cultes nach einheimisch eleusinischer Sage. Im Lande der
Eleusinier war die von Aïdoneus in die Unterwelt entraffte gött-
liche Tochter der Demeter wieder an’s Licht der Sonne ge-
kommen und der Mutter wiedergegeben worden. Bevor sie, nach
dem Wunsche des Zeus, zum Olymp und den anderen Unsterb-
lichen sich aufschwang, stiftete Demeter, wie sie es verheissen
hatte, als die Eleusinier ihr den Tempel vor der Stadt,
über der Quelle Kallichoros, erbauten 1), den heiligen Dienst,
nach dessen Ordnungen man sie in Zukunft verehren sollte.
Sie selbst lehrte die Fürsten des Landes „die Begehung des
Cultes und gab ihnen die hehren Orgien an“, welche Anderen
mitzutheilen die Scheu vor der Gottheit verbietet. — Dieser
alteleusinische Demetercult ist also der Gottesdienst einer eng
geschlossenen Gemeinde, die Kunde der geheiligten Begehungen
und damit das Priesterthum der Göttinnen ist beschränkt auf

1) V. 271 ff. (Demeter spricht:) ἀλλ̕ ἄγε μοι νηόν τε μέγαν καὶ βωμὸν
ὑπ̕ αὐτῷ τευχόντων πᾶς δῆμος ὑπαὶ πόλιν αἰπύ τε τεῖχος, Καλλιχόρου
καϑύπερϑεν, ἐπὶ προὔχοντι κολωνῷ . ὄργια δ̛ αὐτὴ ἐγὼν ὑποϑήσομαι,
ὡς ἂν ἔπειτα εὐαγέως ἔρδοντες ἐμὸν μένος ἱλάσκησϑε. Die Erbauung des
Tempels: 298 ff., und darnach die Anweisung zur δρησμοσύνη ἱερῶν und
den ὄργια durch die Göttin 474 ff.
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[258/0274] 2. Wo immer der Cult der Gottheiten der Erde und der Unterwelt, insonderheit der Demeter und ihrer Tochter, in Blüthe stand, mögen für die Theilnehmer an solchem Gottes- dienst leicht Hoffnungen auf ein besseres Loos im unterirdischen Seelenreiche sich angeknüpft haben. Ansätze zu einer inner- lichen Verbindung solcher Hoffnungen mit dem Gottesdienste selbst mögen an manchen Orten gemacht worden sein. Zu einer fest geordneten Institution sehen wir diese Verbindung einzig in Eleusis (und den, wohl sämmtlich jungen Filialen der eleusinischen Anstalt) ausgebildet. Wir können wenigstens in einigen Hauptlinien das allmähliche Wachsthum der eleusinischen gottesdienstlichen Einrichtungen wahrnehmen. Der Homerische Hymnus auf die Demeter berichtet uns von den Ursprüngen des Cultes nach einheimisch eleusinischer Sage. Im Lande der Eleusinier war die von Aïdoneus in die Unterwelt entraffte gött- liche Tochter der Demeter wieder an’s Licht der Sonne ge- kommen und der Mutter wiedergegeben worden. Bevor sie, nach dem Wunsche des Zeus, zum Olymp und den anderen Unsterb- lichen sich aufschwang, stiftete Demeter, wie sie es verheissen hatte, als die Eleusinier ihr den Tempel vor der Stadt, über der Quelle Kallichoros, erbauten 1), den heiligen Dienst, nach dessen Ordnungen man sie in Zukunft verehren sollte. Sie selbst lehrte die Fürsten des Landes „die Begehung des Cultes und gab ihnen die hehren Orgien an“, welche Anderen mitzutheilen die Scheu vor der Gottheit verbietet. — Dieser alteleusinische Demetercult ist also der Gottesdienst einer eng geschlossenen Gemeinde, die Kunde der geheiligten Begehungen und damit das Priesterthum der Göttinnen ist beschränkt auf 1) V. 271 ff. (Demeter spricht:) ἀλλ̕ ἄγε μοι νηόν τε μέγαν καὶ βωμὸν ὑπ̕ αὐτῷ τευχόντων πᾶς δῆμος ὑπαὶ πόλιν αἰπύ τε τεῖχος, Καλλιχόρου καϑύπερϑεν, ἐπὶ προὔχοντι κολωνῷ . ὄργια δ̛ αὐτὴ ἐγὼν ὑποϑήσομαι, ὡς ἂν ἔπειτα εὐαγέως ἔρδοντες ἐμὸν μένος ἱλάσκησϑε. Die Erbauung des Tempels: 298 ff., und darnach die Anweisung zur δρησμοσύνη ἱερῶν und den ὄργια durch die Göttin 474 ff.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/274>, abgerufen am 18.04.2024.