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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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3.

Was die Dogmatiker der stoischen Schule von der mensch-
lichen Seele zu sagen wussten, hängt aufs innigste zusammen

kalokagathia, ist e tou theou theoria, die der nous, to en emin theion (1248 a,
27) ausübt; hiebei ekista aisthanesthai tou allou merous tes psukhes ist das
beste (p. 1249 b). Um des gnorizein willen wünscht der Mensch zen aei
(1245 a, 9), aber auf Erden, im Leibe; in ein Jenseits fällt kein Blick
(wie man am ersten bei diesem halbtheologischen Denker erwarten könnte,
der z. B. von der Ablösbarkeit des nous vom logos [dem allo meros tes
psukhes] im Leibesleben und seiner höheren Erkenntniss im Enthusiasmus
und Wahrtraum ernsthaft redet: 1214 a, 23; 1225 a, 28; 1248 a, 40). --
Noch dieser ersten Generation der Peripatetiker gehören Aristoxenos
und Dikaearch an, die eine eigene Substanz der "Seele", welche nichts
als die "Harmonie", das Resultat der Mischung der Körperstoffe sei,
nicht anerkennen. (Dik. anereke ten olen upostasin tes psukhes. Atticus
bei Eus. praep. ev. 15, 810 A; Ar. und Dik. nullum omnino animum esse
dixerunt.
Cic. Tusc. 1 § 51; 21; 41 u. A.) Dikaearch hatte (in den
Lesbiakoi logoi) die Unsterblichkeitslehre ausdrücklich bekämpft: Cic. § 77.
(Sehr auffallend bleibt, dass Dikaearch, der natürlich von einem separa-
bilis animus
nichts wusste [Cic. § 21] dennoch nicht nur an mantischen
Träumen -- das liesse sich allenfalls verstehen, ekhei gar tina logon [s.
Aristot. 462 b ff.] -- festhielt, sondern auch an der Wahrsagung im en-
thousiasmos [Cic. divin. 1 § 5. 113. Doxogr. p. 416 a], die stets das Dasein
einer "Seele" als eigener Substanz und deren Abtrennbarkeit vom Leibe
zur dogmatischen Voraussetzung hat.) -- Strato, "der Naturforscher"
(+ 270), dem die Seele eine einheitliche Kraft ist, vom Leibe und den
aistheseis untrennbar, der Glaube an den nous khoristos des Aristoteles
aber ganz abgeht, kann unmöglich an einer Unsterblichkeit, in welcher
Gestalt und Einschränkung immer, festgehalten haben. -- Nachher folgt
die rein gelehrte und von der Philosophie so gut wie abgekehrte Zeit
der peripatetischen Secte. Mit der Rückwendung zu den Schriften des
Meisters (seit Andronikos) gewinnt die Schule neues Leben. Die Fragen
nach den Theilen der Seele, dem Verhältniss des nous zur Seele (und zum
nous pathetikos) werden neu discutirt, es herrscht aber die Neigung vor,
den nous thurathen epeision bei Seite zu setzen (vgl. die Definition der
Seele bei Andronikos: Galen p. t. tes psukhes ethon IV 782 f.; Themist.
de an. II 56, 11; 59, 6 Sp.), daher auch die Unsterblichkeit (die nur
dem nous zukam) zu leugnen (so Boethos: Simplic. de an. p. 247, 24 ff.
Hayd. Anders wieder und noch über Aristoteles hinausgehend Kratippos,
der Zeitgenoss des Boethos: Cic. de dirin. I § 70; vgl. § 5. 113).
Alexander von Aphrodisias, der grosse exegetes, weist den nous poie-
tikos ganz aus der menschlichen Seele hinaus (es ist der göttliche nous,
nous und noeton energeia stets und schon pro tou noeisthai durch den uli-
3.

Was die Dogmatiker der stoischen Schule von der mensch-
lichen Seele zu sagen wussten, hängt aufs innigste zusammen

καλοκἀγαϑία, ist ἡ τοῦ ϑεοῦ ϑεωρία, die der νοῦς, τὸ ἐν ἡμῖν ϑεῖον (1248 a,
27) ausübt; hiebei ἥκιστα αἰσϑάνεσϑαι τοῦ ἄλλου μέρους τῆς ψυχῆς ist das
beste (p. 1249 b). Um des γνωρίζειν willen wünscht der Mensch ζῆν ἀεί
(1245 a, 9), aber auf Erden, im Leibe; in ein Jenseits fällt kein Blick
(wie man am ersten bei diesem halbtheologischen Denker erwarten könnte,
der z. B. von der Ablösbarkeit des νοῦς vom λόγος [dem ἄλλο μέρος τῆς
ψυχῆς] im Leibesleben und seiner höheren Erkenntniss im Enthusiasmus
und Wahrtraum ernsthaft redet: 1214 a, 23; 1225 a, 28; 1248 a, 40). —
Noch dieser ersten Generation der Peripatetiker gehören Aristoxenos
und Dikaearch an, die eine eigene Substanz der „Seele“, welche nichts
als die „Harmonie“, das Resultat der Mischung der Körperstoffe sei,
nicht anerkennen. (Dik. ἀνῄρηκε τὴν ὅλην ὑπόστασιν τῆς ψυχῆς. Atticus
bei Eus. praep. ev. 15, 810 A; Ar. und Dik. nullum omnino animum esse
dixerunt.
Cic. Tusc. 1 § 51; 21; 41 u. A.) Dikaearch hatte (in den
Λεσβιακοὶ λόγοι) die Unsterblichkeitslehre ausdrücklich bekämpft: Cic. § 77.
(Sehr auffallend bleibt, dass Dikaearch, der natürlich von einem separa-
bilis animus
nichts wusste [Cic. § 21] dennoch nicht nur an mantischen
Träumen — das liesse sich allenfalls verstehen, ἔχει γάρ τινα λόγον [s.
Aristot. 462 b ff.] — festhielt, sondern auch an der Wahrsagung im ἐν-
ϑουσιασμός [Cic. divin. 1 § 5. 113. Doxogr. p. 416 a], die stets das Dasein
einer „Seele“ als eigener Substanz und deren Abtrennbarkeit vom Leibe
zur dogmatischen Voraussetzung hat.) — Strato, „der Naturforscher“
(† 270), dem die Seele eine einheitliche Kraft ist, vom Leibe und den
αἰσϑήσεις untrennbar, der Glaube an den νοῦς χωριστός des Aristoteles
aber ganz abgeht, kann unmöglich an einer Unsterblichkeit, in welcher
Gestalt und Einschränkung immer, festgehalten haben. — Nachher folgt
die rein gelehrte und von der Philosophie so gut wie abgekehrte Zeit
der peripatetischen Secte. Mit der Rückwendung zu den Schriften des
Meisters (seit Andronikos) gewinnt die Schule neues Leben. Die Fragen
nach den Theilen der Seele, dem Verhältniss des νοῦς zur Seele (und zum
νοῦς παϑητικός) werden neu discutirt, es herrscht aber die Neigung vor,
den νοῦς ϑύραϑεν ἐπεισιών bei Seite zu setzen (vgl. die Definition der
Seele bei Andronikos: Galen π. τ. τῆς ψυχῆς ἠϑῶν IV 782 f.; Themist.
de an. II 56, 11; 59, 6 Sp.), daher auch die Unsterblichkeit (die nur
dem νοῦς zukam) zu leugnen (so Boëthos: Simplic. de an. p. 247, 24 ff.
Hayd. Anders wieder und noch über Aristoteles hinausgehend Kratippos,
der Zeitgenoss des Boëthos: Cic. de dirin. I § 70; vgl. § 5. 113).
Alexander von Aphrodisias, der grosse ἐξηγητής, weist den νοῦς ποιη-
τικός ganz aus der menschlichen Seele hinaus (es ist der göttliche νοῦς,
νοῦς und νοητὸν ἐνεργείᾳ stets und schon πρὸ τοῦ νοεῖσϑαι durch den ὑλι-
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[601/0617] 3. Was die Dogmatiker der stoischen Schule von der mensch- lichen Seele zu sagen wussten, hängt aufs innigste zusammen 1) 1) καλοκἀγαϑία, ist ἡ τοῦ ϑεοῦ ϑεωρία, die der νοῦς, τὸ ἐν ἡμῖν ϑεῖον (1248 a, 27) ausübt; hiebei ἥκιστα αἰσϑάνεσϑαι τοῦ ἄλλου μέρους τῆς ψυχῆς ist das beste (p. 1249 b). Um des γνωρίζειν willen wünscht der Mensch ζῆν ἀεί (1245 a, 9), aber auf Erden, im Leibe; in ein Jenseits fällt kein Blick (wie man am ersten bei diesem halbtheologischen Denker erwarten könnte, der z. B. von der Ablösbarkeit des νοῦς vom λόγος [dem ἄλλο μέρος τῆς ψυχῆς] im Leibesleben und seiner höheren Erkenntniss im Enthusiasmus und Wahrtraum ernsthaft redet: 1214 a, 23; 1225 a, 28; 1248 a, 40). — Noch dieser ersten Generation der Peripatetiker gehören Aristoxenos und Dikaearch an, die eine eigene Substanz der „Seele“, welche nichts als die „Harmonie“, das Resultat der Mischung der Körperstoffe sei, nicht anerkennen. (Dik. ἀνῄρηκε τὴν ὅλην ὑπόστασιν τῆς ψυχῆς. Atticus bei Eus. praep. ev. 15, 810 A; Ar. und Dik. nullum omnino animum esse dixerunt. Cic. Tusc. 1 § 51; 21; 41 u. A.) Dikaearch hatte (in den Λεσβιακοὶ λόγοι) die Unsterblichkeitslehre ausdrücklich bekämpft: Cic. § 77. (Sehr auffallend bleibt, dass Dikaearch, der natürlich von einem separa- bilis animus nichts wusste [Cic. § 21] dennoch nicht nur an mantischen Träumen — das liesse sich allenfalls verstehen, ἔχει γάρ τινα λόγον [s. Aristot. 462 b ff.] — festhielt, sondern auch an der Wahrsagung im ἐν- ϑουσιασμός [Cic. divin. 1 § 5. 113. Doxogr. p. 416 a], die stets das Dasein einer „Seele“ als eigener Substanz und deren Abtrennbarkeit vom Leibe zur dogmatischen Voraussetzung hat.) — Strato, „der Naturforscher“ († 270), dem die Seele eine einheitliche Kraft ist, vom Leibe und den αἰσϑήσεις untrennbar, der Glaube an den νοῦς χωριστός des Aristoteles aber ganz abgeht, kann unmöglich an einer Unsterblichkeit, in welcher Gestalt und Einschränkung immer, festgehalten haben. — Nachher folgt die rein gelehrte und von der Philosophie so gut wie abgekehrte Zeit der peripatetischen Secte. Mit der Rückwendung zu den Schriften des Meisters (seit Andronikos) gewinnt die Schule neues Leben. Die Fragen nach den Theilen der Seele, dem Verhältniss des νοῦς zur Seele (und zum νοῦς παϑητικός) werden neu discutirt, es herrscht aber die Neigung vor, den νοῦς ϑύραϑεν ἐπεισιών bei Seite zu setzen (vgl. die Definition der Seele bei Andronikos: Galen π. τ. τῆς ψυχῆς ἠϑῶν IV 782 f.; Themist. de an. II 56, 11; 59, 6 Sp.), daher auch die Unsterblichkeit (die nur dem νοῦς zukam) zu leugnen (so Boëthos: Simplic. de an. p. 247, 24 ff. Hayd. Anders wieder und noch über Aristoteles hinausgehend Kratippos, der Zeitgenoss des Boëthos: Cic. de dirin. I § 70; vgl. § 5. 113). Alexander von Aphrodisias, der grosse ἐξηγητής, weist den νοῦς ποιη- τικός ganz aus der menschlichen Seele hinaus (es ist der göttliche νοῦς, νοῦς und νοητὸν ἐνεργείᾳ stets und schon πρὸ τοῦ νοεῖσϑαι durch den ὑλι-

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/617>, abgerufen am 19.04.2024.