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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729.

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I. Theil. I. Capitul.
ten, sie drohen mit der Revenge, und erfüllen sie
auch bey der ersten Gelegenheit; ja es ist auch öff-
ters genug auf eine empfindliche Unhöflichkeit eine
solenne Krieges-Declaration erfolgt; ie feuriger
ihr Naturell, und mehr sie zur Ambition geneigt,
ie mehr Vergnügen finden sie ihre Ehre bey dem
Ceremoniel-Wesen zu verfechten. Ein gewisser
Autor sagt von dieser Materie: "Dieses ist ein
"Punct, darinnen die Potentaten überaus em-
"pfindlich sind, und wofern hierinnen etwas ver-
"geben wird, scheinet es, ob könte man solches mit
"allen Schätzen und Reichthümern der Welt
"nicht wieder ersetzen; man lasse die Weltweisen
"mit vollem Halse vom Morgen biß an den Abend
"schreyen, daß die Ehre nichts als ein blosser Schat-
"ten, so wollen wir doch diese Sauertöpffe, ehe sie
"sichs versehen, mit ihren eigenen Worten schlagen.
"Denn wenn es wahr, daß der Schatten ein so
"verächtlich Nichts, so frag ich, warum der unflä-
"tige Diogenes seine retirade so fleißig in dem
"Schatten seines Philosophischen Fasses gesucht,
"um solchergestalt von der Sonnen-Hitze verwahrt
"zu seyn. Gesetzt nun, die Ehre sey ein blosser
"Schatten, so wird doch kein Verständiger die
"Grossen dieser Welt verdencken können, daß sie
"die brennende Hitze ihrer Ehrsucht in dem ange-
"nehmen Schatten der zeitlichen Ehre abzukühlen
"trachten; ich meyne nicht, daß mir iemand ohne
"Nachtheil der gesunden Vernunfft widersprechen
"könne.

§. 19.

I. Theil. I. Capitul.
ten, ſie drohen mit der Revenge, und erfuͤllen ſie
auch bey der erſten Gelegenheit; ja es iſt auch oͤff-
ters genug auf eine empfindliche Unhoͤflichkeit eine
ſolenne Krieges-Declaration erfolgt; ie feuriger
ihr Naturell, und mehr ſie zur Ambition geneigt,
ie mehr Vergnuͤgen finden ſie ihre Ehre bey dem
Ceremoniel-Weſen zu verfechten. Ein gewiſſer
Autor ſagt von dieſer Materie: „Dieſes iſt ein
Punct, darinnen die Potentaten uͤberaus em-
„pfindlich ſind, und wofern hierinnen etwas ver-
„geben wird, ſcheinet es, ob koͤnte man ſolches mit
„allen Schaͤtzen und Reichthuͤmern der Welt
„nicht wieder erſetzen; man laſſe die Weltweiſen
„mit vollem Halſe vom Morgen biß an den Abend
„ſchreyen, daß die Ehre nichts als ein bloſſer Schat-
„ten, ſo wollen wir doch dieſe Sauertoͤpffe, ehe ſie
„ſichs verſehen, mit ihren eigenen Worten ſchlagen.
„Denn wenn es wahr, daß der Schatten ein ſo
„veraͤchtlich Nichts, ſo frag ich, warum der unflaͤ-
„tige Diogenes ſeine retirade ſo fleißig in dem
„Schatten ſeines Philoſophiſchen Faſſes geſucht,
„um ſolchergeſtalt von der Sonnen-Hitze verwahrt
„zu ſeyn. Geſetzt nun, die Ehre ſey ein bloſſer
„Schatten, ſo wird doch kein Verſtaͤndiger die
„Groſſen dieſer Welt verdencken koͤnnen, daß ſie
„die brennende Hitze ihrer Ehrſucht in dem ange-
„nehmen Schatten der zeitlichen Ehre abzukuͤhlen
„trachten; ich meyne nicht, daß mir iemand ohne
„Nachtheil der geſunden Vernunfft widerſprechen
„koͤnne.

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[12/0036] I. Theil. I. Capitul. ten, ſie drohen mit der Revenge, und erfuͤllen ſie auch bey der erſten Gelegenheit; ja es iſt auch oͤff- ters genug auf eine empfindliche Unhoͤflichkeit eine ſolenne Krieges-Declaration erfolgt; ie feuriger ihr Naturell, und mehr ſie zur Ambition geneigt, ie mehr Vergnuͤgen finden ſie ihre Ehre bey dem Ceremoniel-Weſen zu verfechten. Ein gewiſſer Autor ſagt von dieſer Materie: „Dieſes iſt ein „Punct, darinnen die Potentaten uͤberaus em- „pfindlich ſind, und wofern hierinnen etwas ver- „geben wird, ſcheinet es, ob koͤnte man ſolches mit „allen Schaͤtzen und Reichthuͤmern der Welt „nicht wieder erſetzen; man laſſe die Weltweiſen „mit vollem Halſe vom Morgen biß an den Abend „ſchreyen, daß die Ehre nichts als ein bloſſer Schat- „ten, ſo wollen wir doch dieſe Sauertoͤpffe, ehe ſie „ſichs verſehen, mit ihren eigenen Worten ſchlagen. „Denn wenn es wahr, daß der Schatten ein ſo „veraͤchtlich Nichts, ſo frag ich, warum der unflaͤ- „tige Diogenes ſeine retirade ſo fleißig in dem „Schatten ſeines Philoſophiſchen Faſſes geſucht, „um ſolchergeſtalt von der Sonnen-Hitze verwahrt „zu ſeyn. Geſetzt nun, die Ehre ſey ein bloſſer „Schatten, ſo wird doch kein Verſtaͤndiger die „Groſſen dieſer Welt verdencken koͤnnen, daß ſie „die brennende Hitze ihrer Ehrſucht in dem ange- „nehmen Schatten der zeitlichen Ehre abzukuͤhlen „trachten; ich meyne nicht, daß mir iemand ohne „Nachtheil der geſunden Vernunfft widerſprechen „koͤnne. §. 19.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/36>, abgerufen am 28.03.2024.